Köln/Düsseldorf | Wissen Sie noch wo Lützerath liegt? Es ist jetzt fast genau ein Jahr her nachdem die Polizei NRW den Flecken Lützerath räumte, damit RWE dort nach Braunkohle baggern kann. Lützerath war Symbol und die Räumungsaktion schlammig. Jetzt legt die Landesregierung NRW den Abschlussbericht der Ermittlungskommission vor und Innenminister Reul spricht von „radikalen Klima-Chaoten“.
Es war einer der größten Polizeieinsätze im Land Nordrhein-Westfalen. Das Innenministerium des Landes NRW hatte bis zu 3.700 Polizeibeamte aus NRW und dem gesamten Bundesgebiet rund um Lützerath postiert und im Einsatz. Der Einsatz dauerte vom 2. bis 23. Januar 2023. Vor Ort Luisa Neubauer oder Klimastreik-Ikone Greta Thunberg. Thunberg wurde in Gewahrsam genommen und sagte vor Ort „Es ist entsetzlich zu sehen, was hier passiert“. Dazu hielt sie ein Schild hoch mit der Aufschrift „Keep it in the ground“ und meinte damit die Braunkohle. Die Räumung des Dorfes nannte sie „schockierend“ und ordnete das Vorgehen der Einsatzkräfte so ein: „Es ist empörend, wie die Polizeigewalt ist“. Das ist die eine Seite, jetzt also die Einordnung des Innenministeriums.
Innenminister Herbert Reul: „Auch, wenn Lützerath schnell geräumt war, für die Polizei war danach nicht Schluss. Wir wissen sicher: Unter den Klimaschützern tummelten sich auch radikale Klima-Chaoten, die gewaltsames Protestieren und Auseinandersetzungen mit der Polizei dem friedlichen Demonstrieren vorgezogen haben. Am Ende hat fast niemand mehr über Klimaschutz geredet, sondern nur noch über die Gewalt, die dort stattfand. Mit akribischer und teils kleinteiliger Ermittlungsarbeit hat die Polizei nun dafür gesorgt, dass diese Form von Protest rechtliche Konsequenzen hat und viele Täter identifiziert wurden. Straftaten und Angriffe auf Polizisten sind mit der Demonstrationsfreiheit nicht vereinbar. Auch das wichtige Thema Klimaschutz legitimiert keine Straftaten. Und noch weniger hilft diese Form von Protest unserer demokratischen Gesellschaft, die ihr Zusammenleben durch Gesetz und Recht ordnet.“
Der Abschlussbericht zeichnet auch die Abläufe nach. Am 2. Januar seien die Vorfeldarbeiten gestartet. Mit der eigentlichen Räumung sei am 11. Januar 2023 begonnen worden. Die Polizei registrierte 900 Medienvertreterinnen und Medienvertreter, die sich akkreditierten. Das Innenministerium spricht von teilweise massiven Angriffen während der Räumung auf Polizeikräfte. Vor allem der Tag der Großdemonstration am 14. Januar 2023 stehe im Fokus der NRW Polizei. Um die Vorgänge aufzuklären sei bei der Polizei Aachen eine Ermittlungskommission eingerichtet worden, die am 1. Februar 2023 ihre Arbeit aufnahm. Dies sei in Abstimmung mit dem NRW Innenministerium erfolgt.
Die Bilanz der Behörden
Polizei und Innenministerium sprechen von 594 Straftaten. Die Behörden sammelten 3.400 Gigabyte Bild- und Videodaten. Es seien 467 mutmaßliche Straftäterinnen und Straftäter identifiziert worden. 156 Straftaten seien aufgeklärt, was seiner Aufklärungsquote von 26 Prozent entspreche. Offen bleibt dabei wie viele Verfahren vor Gericht eröffnet werden. Der Versammlung am 14. Januar 2023 ordnet die Polizei 271 Strafanzeigen zu. 134 Beschuldigte seien identifiziert und 72 Straftaten aufgeklärt. Das Bild- und Videomaterial sei von den Beweissicherungseinheiten der Hundertschaften gefertigt worden.
Die Beamten der Ermittlungskommission haben Gesichtserkennungssoftware eingesetzt, so das Innenministerium NRW. Zwei der Beschuldigten wollen Beamte erkannt haben, die schon am Hambacher Forst eingesetzt gewesen seien. 12 Öffentlichkeitsfahndungen seien eingeleitet worden. Dadurch sei es gelungen zwei mutmaßliche Täter zu identifizieren. Die Behörden kündigten weitere Öffentlichkeitsfahndungen an. In Frankfurt am Main sei eine Wohnung durchsucht worden. Gegen einen Mann wurde ein Haftbefehl erlassen, dem die Beamten vorwerfen einen Molotow-Cocktail gegen Polizeibeamte geworfen zu haben. Der Mann ist bisher nicht identifiziert und sein Aufenthaltsort ist unklar.
Bei dieser Bilanz handelt es sich um eine Zwischenbilanz, denn die Ermittlungsarbeit dauere an, so die Behörden.
Ermittlungen gegen Polizeibeamte
Die Staatsanwaltschaft Mönchengladbach stellte 21 von 32 Verfahren gegen Polizeibeamte, die in Lützerath im Einsatz waren, ein.