Köln | Etwas über 200 Menschen waren dem rechten Aufruf zu einer Mahnwache am Freitagabend vor dem Kölner Hauptbahnhof gefolgt: Es sollte des getöteten Jungen vom Frankfurter Hauptbahnhof gedacht werden. Ihnen standen etwa gleich viele Gegendemonstranten gegenüber: Sie warfen der „Mahnwache“ vor, den Toten zu Rassismus und Islamfeindlichkeit zu missbrauchen.

Beide Lager trennte ein breiter, von der Polizei abgesperrter Raum. Dem rechten Lager wurde es allerdings erlaubt, die Drängelgitter zu überklettern und auf dem Pflaster Blumen und Kerzen niederzulegen. Nach einer knappen Stunde wurde die „Mahnwache“ offiziell beendet. Nachdem sich gegen 21 Uhr die letzten Teilnehmer entfernt hatten, wurde auch die Gegendemonstration beendet. Zu „nennenswerten Störungen“ kam es laut Polizei nicht. Nach einem Gerangel, das schon im Bahnhofsinneren begann, wurde allerdings eine Person festgenommen.

Aufgerufen zur „Mahnwache“ hatte zwar eine Privatperson, doch schlossen sich dem bald auch rechte und rechtsextreme Gruppierungen wie Hooligans und Parteien wie die NPD an (siehe report-k). Dem stellte sich – initiiert vom Bündnis „Köln gegen Rechts“ – ein breites und lautstarkes Spektrum linker Initiativen gegenüber.

Gegendemonstranten erinnerten an die Opfer rechter Gewalt

Ihre Redner und Rednerinnen betonten ebenfalls ihre Betroffenheit gegenüber der Gewalttat im Frankfurter Hauptbahnhof. Dort hatte ein offenbar unter Verfolgungswahn leidender Eritreer eine Mutter mit ihrem 8-jährigen Sohn vor einen einlaufenden ICE gestoßen. Der Junge starb, die Mutter konnte sich retten. Die Trauer über diese Tat dürfe aber nicht zu Hass und Rassismus missbraucht werden, so die Reden. Auch wurde an die vom NSU ermordeten Migranten und den vor wenigen Wochen von einem Rechtsextremisten ermordeten hessischen Landrat Walter Lübcke erinnert. Hier habe es keinerlei „Mahnwachen“ gegeben.

Beileidsbekundungen aus dem Kopierapparat

Durchaus eindrucksvoll inszeniert war die – zu Selfies einladende – Performance der „Mahnwache“. So hoben die Teilnehmer, viele in „unschuldig“ weißen Hemden, weiße Blätter in den Himmel, auf denen vervielfältigte Beileidsbekundungen oder die Adresse zu einem rassistisch und islamophob durchtränkten Hashtag stand.

Demgegenüber wirkten die Gegendemonstranten etwas wirr. Hier hätte man sich neben den Reden auch eine optisch wirkungsvolle Trauerinszenierung gewünscht. Rätselhaft bleibt, was ein bildbeherrschendes Transparent gegen den Faschismus in der Türkei und der Forderung „Freiheit für Rojava“ an diesem Abend zu suchen hatte.

Autor: ehu
Foto: Polizei trennte die beiden Lager: Hinten die „Mahnwache“, vorne die Gegendemonstranten.