Hangzhou | Bundeskanzlerin Angela Merkel ist nach eigenem Bekunden „sehr unzufrieden mit dem Ausgang der Wahl“ in Mecklenburg-Vorpommern. Das Abschneiden der CDU sei „besonders bedauerlich“, da die Partei dafür gesorgt habe, dass das Bundesland vorangekommen sei, sagte Merkel am Rande des G20-Gipfels im chinesischen Hangzhou. „Wir müssen Vertrauen zurückgewinnen“, betonte sie. Weitere Stimmen zum Ausgang der Landtagswahl in Mecklenburg-Vorpommern am Tag danach.

Das könne nur gelingen, indem man zeige, dass man Probleme lösen könne. „Natürlich bin ich auch verantwortlich“, räumte die Kanzlerin ein. „Aber ich halte die grundlegenden Entscheidungen, wie sie in den vergangenen Monaten getroffen wurden, für richtig.“

Haseloff fordert nach MV-Wahl Konsequenzen für Flüchtlingspolitik

Nach der Wahl in Mecklenburg-Vorpommern fordert Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) Konsequenzen für die Flüchtlingspolitik. „Klar ist, ein Jahr wie das letzte darf sich in dieser Form nicht wiederholen“, sagte Haseloff der „Mitteldeutschen Zeitung“ (Dienstagausgabe). „Wir brauchen eine verstärkte Sicherung der EU-Außengrenzen sowie die konsequente Einhaltung der zwischen den europäischen Mitgliedsländern geschlossenen Verträge und Vereinbarungen.Einen zeitweise erlebten Kontrollverlust darf es in Zukunft nicht wieder geben“, so der CDU-Politiker weiter. Haseloff, der bereits im sachsen-anhaltinischen Landtagswahlkampf eine Obergrenze bei der Integration von Flüchtlingen gefordert hatte, hofft, dass eine erneute rot-schwarze Koalition in Mecklenburg-Vorpommern hilft, „eine drohende Spaltung unserer Gesellschaft zu verhindern“. „Die Flüchtlingspolitik hat zu einer starken Polarisierung in unserer Gesellschaft geführt. Alle etablierten Parteien haben auch deshalb Wählerstimmen an die AfD verloren“, sagte Haseloff. „Wir müssen diese Polarisierung überwinden und die Menschen wieder zusammenführen.“ Nötig seien ein „sachlicher Dialog“ zum Umgang mit dem Flüchtlingsproblem.

Menschen mit „positiver Bleibeperspektive“ müsse man aber auch eine „faire Integrationschance“ geben, so Haseloff weiter.

Bosbach nennt CDU-Wahlschlappe „historisches Datum“

Der CDU-Innenpolitiker Wolfgang Bosbach sieht die Wahlschlappe der Union bei der Landtagswahl in Mecklenburg-Vorpommern als Einschnitt für seine Partei: „Es ist ein historisches Datum, wenn die CDU in einem Flächenland nur noch drittstärkste Partei ist und hinter der AfD landet“, sagte Bosbach der „Welt“. „Das Ergebnis entspricht nicht meinen Erwartungen, aber meinen Befürchtungen.“ Bosbach erklärte, zahlreiche ehemalige Unionswähler hätten ihre politische Heimat verloren und sich deshalb der AfD zugewendet.

„Unter denen, die ihre Stimme diesmal der AfD gegeben haben, dürften auch viele ehemalige Unionswähler sein“, sagte Bosbach. „Es gibt nicht wenige, die über lange Zeit Union gewählt haben, sich aber jetzt als politisch heimatlos betrachten. Von denen sind einige in die Wahlenthaltung gegangen, andere wählten die AfD – eher aus Protest als aus Überzeugung.“

Trotz der Wahlschlappe warnte Bosbach die CDU vor einer Debatte um eine erneute Kandidatur Merkels bei der nächsten Bundestagswahl: Er glaube nicht, dass die Union mit einer anderen Kandidatin oder einem anderen Kandidaten bei der Bundestagswahl 2017 so viele Chancen hätte wie mit Angela Merkel. „In dieser schwierigen Situation eine Personaldebatte in der Union zu beginnen, würde mehr Probleme schaffen als lösen.“ CDU-Vize Armin Laschet bezeichnete das Abschneiden seiner Partei in Mecklenburg-Vorpommern als „bittere Niederlage“.

„Dass auch SPD, Linke und Grüne zusammen 15 Prozent an die AfD abgegeben haben, ist kein Trost, zeigt aber den Ernst der Lage“, sagte der NRW-CDU-Chef der „Rheinischen Post“ (Montagsausgabe). Alle Demokraten seien jetzt gefordert, damit die AfD keinen Einfluss in Nordrhein-Westfalen gewinne. Dort wird am 14. Mai nächsten Jahres gewählt.

„Für uns heißt das, dass die CDU mit sachlichen Alternativen für eine bessere Landespolitik werben und gleichzeitig die Parolen der AfD bekämpfen wird“, kündigte Laschet an.

CDU-Generalsekretär Tauber weist parteiinterne Kritik an Merkel zurück

CDU-Generalsekretär Peter Tauber hat parteiinterne Kritik an Kanzlerin Angela Merkel, der vorgeworfen wird, für das schlechte Ergebnis der Christdemokraten bei der Landtagswahl in Mecklenburg-Vorpommern mitverantwortlich zu sein, zurückgewiesen. „Angela Merkel hat uns durch viele Krisen geführt, sie wird es auch diesmal tun“, sagte Tauber dem Fernsehsender „Phoenix“. Die Flüchtlingspolitik spalte jedenfalls nicht die Republik.

„Es gibt Menschen, die machen sich Sorgen und es gibt Rechtsextreme mit entsprechendem Weltbild. Das gilt es zu unterscheiden“, so Tauber weiter. Die Bundesregierung habe in der Flüchtlingspolitik bereits vieles umgesetzt, manches sei noch zu erledigen und an einigen Stellen müsse nachjustiert werden.

„Diesen Dreiklang gilt es zu beachten“, meinte der CDU-Generalsekretär. SPD-Generalsekretärin Katarina Barley dagegen machte der Kanzlerin persönlich Vorwürfe: „Dass sie Fehler in der Flüchtlingspolitik gemacht hat, sagen wir schon sehr lange. Es ist ein Problem, wenn man redet und nicht macht – und am Ende macht es dann die SPD“, bewertete Barley die von der Bundesregierung verabschiedeten Initiativen und Gesetze.

Auch die von der CDU zuletzt geführte Diskussion über Burkaverbot und doppelte Staatsbürgerschaft sei schädlich gewesen. „Wenn wir solche Debatten führen, betreiben wir das Geschäft der Rechtsextremen.“ Das Ergebnis der AfD in Mecklenburg-Vorpommern bezeichnete die SPD-Generalsekretärin als „sehr unerfreulich“. „Die AfD bläht Probleme auf, die die Menschen gar nicht haben“, war Barley überzeugt.

Sellering: Flüchtlingspolitik hat zu Spaltung in Gesellschaft geführt

Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsident Erwin Sellering (SPD) sieht das Abschneiden der AfD bei der Landtagswahl in seinem Bundesland in der Bundespolitik begründet: „Wir müssen sehen, dass ganz offensichtlich die Flüchtlingspolitik, vielleicht auch die Haltung der Kanzlerin ganz besonders, dazu geführt hat, dass es eine Spaltung in der Gesellschaft gibt“, sagte Sellering dem Sender „Phoenix“. „Da wird man in Berlin drüber nachdenken müssen.“ CDU-Spitzenkandidat Lorenz Caffier führte die Niederlage seiner Partei in Mecklenburg-Vorpommern darauf zurück, dass sich der Wahlkampf fast ausschließlich um bundespolitische Themen gedreht habe.

„Alles war überlagert von der Flüchtlingspolitik“, so Caffier. „Die Berliner Politik tut gut daran, wenn sie auf die Verunsicherung der Menschen reagiert – und da ist durchaus noch Luft nach oben“, meinte Caffier. Zwar seien in den vergangenen Monaten entsprechende Gesetze etwa auch beim Thema Asyl verabschiedet worden, doch reiche dies offenbar nicht aus, um die Bürger zu überzeugen.

AfD-Chefin Petry: „Merkel stürzt sich selbst“

Die AfD-Bundesvorsitzende Frauke Petry sieht nach den Landtagswahlen in Mecklenburg-Vorpommern das Ende der Kanzlerschaft von Angela Merkel gekommen. „Frau Merkel stürzt sich selbst“, kommentierte Petry die Ergebnisse in Mecklenburg-Vorpommern im Fernsehsender „Phoenix“. Begründet sei dies in großen bundespolitischen Fehlern begründet: „Die Kanzlerin und die SPD machen den Bürgern etwas vor,ganz gleich, ob das die Finanz- oder die Migrationskrise betrifft“, so Petry.

„Sie sind dabei, dieses Land aufzugeben, und deshalb wählen die Menschen die AfD.“ Thomas Oppermann, SPD-Fraktionsvorsitzender im Bundestag, sieht die Ursache für die massiven Verluste der Christdemokraten in Schwerin in einer völligen Fehleinschätzung begründet, die nur der AfD geholfen habe: „Die CDU ist in das Loch gefallen, das sie selbst gebuddelt hat. Es war eine Scheindiskussion, die man über die Burka und die doppelte Staatsbürgerschaft geführt hat.“

Oppermann äußerte Verständnis für die Verunsicherung von Menschen aufgrund des Flüchtlingszuzugs und bewertete das AfD-Ergebnis als „Denkzettel der Wähler“, die der AfD ihre Stimme gegeben hätten, ohne dass diese Partei ein Programm habe.

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Der Wahlausgang der Landtagswahl in Mecklenburg-Vorpommern

Bei der Wahl in Mecklenburg-Vorpommern war die CDU mit 19 Prozent der Stimmen nur drittstärkste Kraft geworden. Die AfD kam auf 20,8 Prozent, stärkste Kraft wurde die SPD mit 30,6 Prozent. Die Linken erhielten 13,2 Prozent der Stimmen. Die Grünen gehören mit 4,8 Prozent nicht mehr dem Landtag an, auch die NPD ist mit drei Prozent nicht mehr im Landesparlament. Auch die FDP kam nur auf drei Prozent. Die Wahlbeteiligung lag bei 61,6 Prozent.

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Autor: dts
Foto: Bundeskanzlerin Angela Merkel