Köln/Düsseldorf | aktualisiert | Im Kölner Rat gab es heftigen Streit über eine Solidaritätsadresse an die Streikenden der Uniklinik, es folgte die Bewegung „Notruf NRW“ und das Schwarzbuch Krankenhaus mit bedrückenden Schilderungen über den Alltag in deutschen Kliniken und seit heute 19:30 Uhr gibt es die Nachricht aus der Verdi-Tarifkommission: „Tarifvertrag „Entlastung“ an NRW-Unikliniken ist großer Etappensieg der Beschäftigten“.
25 Tage verhandelte Verdi mit den Arbeitgebern. 77 Tage streikten die Beschäftigten der sechs Unikliniken in NRW. Jetzt haben sich die Tarifparteien auf Eckpunkte des Tarifvertrags „Entlastung“ geeinigt und die Tarifkommission von Verdi verabschiedete diesen mit „überwältigender Mehrheit“.
Das wird neu geregelt
Der Tarifvertrag „Entlastung“ startet Anfang 2023 und soll die Beschäftigten im Klinikalltag deutlich entlasten. Für weite Teile der Pflege inklusive der psychiatrischen Stationen und der Notaufnahmen wird schichtgenau das Zahlenverhältnis von Beschäftigten und Patient*innen festgelegt. Wird diese Quote unterschritten oder kommt es zu anderweitig belastenden Situationen, erhalten die Betroffenen Belastungspunkte. Für jeweils sieben Punkte wird ihnen ein zusätzlicher freier Tag als Belastungsausgleich gewährt. Im ersten Jahr der Umsetzung können bis zu elf freie Tage zusammenkommen. Im zweiten Jahr sind es 14 und ab dem dritten Jahr maximal 18 zusätzliche freie Tage.
Unglücklich ist die Verdi-Verhandlungsführung, dass die Einführung so lange dauert. Die Arbeitergeber begründeten dies mit der Umstellung und Einführung neuer IT-Systeme. Für alle Service, IT- und Technikbereiche sowie für die Ambulanzen wurde hingegen lediglich der Aufbau von 30 zusätzlichen Vollzeitstellen pro Uniklinik vereinbart. „Das ist bitter und hat in den Belegschaften zu vielen Diskussionen geführt“, so Verdi-Verhandlungsführer Heinz Rech. „Insbesondere für die Düsseldorfer Uniklinik ist der Stellenaufbau ein Tropfen auf dem heißen Stein. Denn Krankenhausarbeit ist Teamarbeit und braucht überall ausreichend Personal.“
Die Bindung an den Branchentarifvertrag bleibe, so die Gewerkschaft gewahrt: In einem Anerkennungstarifvertrag ist festgelegt, dass die Unikliniken sämtliche Tarifregelungen des öffentlichen Dienstes der Länder in den kommenden sieben Jahren automatisch übernehmen.
Landesregierung NRW begrüßt den Tarifvertrag „Entlastung“
Wissenschaftsministerin Ina Brandes in einem schriftlichen Statement: „Die Einigung bringt eine spürbare Entlastung für alle patientennahen Berufe an den sechs Universitätskliniken in Nordrhein-Westfalen. Dafür haben wir uns eingesetzt: Die Pflegekräfte und die übrigen Beschäftigten leisten hervorragende Arbeit und einen wichtigen Beitrag für eine starke Universitätsmedizin. Es freut mich, dass wir mit der Änderung des Hochschulgesetzes die Weichen für die Vereinbarung stellen konnten. Nun können die Universitätskliniken ihrem unverzichtbaren Auftrag in der Gesundheitsversorgung unseres Landes, der Forschung und der Ausbildung des medizinischen Nachwuchses wieder in vollem Umfang nachkommen.“
Arbeits- und Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann zum Streikende: „Ich bin daher sehr froh, dass die Sozialpartner jetzt eine Lösung im Tarifkonflikt gefunden haben. Es liegt nun ein gutes Ergebnis auf dem Tisch, das zu besseren Arbeitsbedingungen führt und nachhaltig entlastet. Ich habe einmal gesagt: Die Pflege braucht einen Lokführermoment. Den haben die Beschäftigten an den Universitätskliniken nun für sich beansprucht – und das mit Erfolg. Wir alle wissen: Gute Pflege geht nicht ohne gute Arbeitsbedingungen.“
Um die Einigung zu ermöglichen, hatte die Landesregierung eine Änderung des Hochschulgesetzes auf den Weg gebracht, die Ende Juni vom Landtag verabschiedet wurde. Die Gesetzesänderung war notwendig, um den sechs Universitätskliniken den Austritt aus dem Arbeitgeberverband des Landes Nordrhein-Westfalen (AdL NRW) zu ermöglichen, damit sie eigenständige Tarifverhandlungen führen können.
Infolgedessen ist nun ein eigenständiger Arbeitgeberverband in Gründung, in dem sich die nordrhein-westfälischen Unikliniken für Tariffragen zusammenschließen. Der neue Tarifvertrag Entlastung soll am 01.01.2023 mit einer Laufzeit von fünf Jahren in Kraft treten. Die Umsetzung wird stufenweise und mit Übergangsfristen erfolgen.
Das sagt die Uniklinik Köln
„Nach harten Verhandlungen sind wir sehr glücklich über die gefundene Lösung und das bevorstehende Ende des Streiks. Mit den vereinbarten Eckpunkten werden die Unikliniken in Nordrhein-Westfalen Vorreiter bei den Arbeitsbedingungen in der Patientenversorgung sein. Wer in einer Uniklinik arbeitet, kann sich zukünftig sicher sein, dass es zumindest national keine besseren Rahmenbedingungen in anderen Krankenhäusern gibt“, erklärt Prof. Dr. Edgar Schömig, Vorstandsvorsitzender des Universitätsklinikums Köln und Verhandlungsführer der NRW-Unikliniken.
Die Linke Köln mit Statement zur Einigung
Sergen Canoglu, Sprecher für die Linke in Köln begrüßt die Einigung an den Unikliniken in NRW: „Die Linke Köln hat von Anfang an sich solidarisch mit den Streikenden gezeigt. Wir haben Streikgelder gesammelt und in der Öffentlichkeit auf den Streik hingewiesen. Während CDU und Grüne große Reden geschwungen haben, verweigerten sie im Rat eine Solidaritätserklärung. Das war feige, aber ließ die Kolleginnen und Kollegen nicht vom Streik abringen.“