Christoph Kuckelkorn, Burkhard von der Mühlen, Daniela Wagner, Ulrich Fischer und Max Plassmann bei der Buchvorstellung im Archiv (v.l.). Foto: Eppinger

Köln In diesem Jahr feiert der organisierte Karneval in Köln groß seine 200-jährige Geschichte. Viele historische Dokumente dazu befinden sich im Bestand des Historischen Archivs. Dazu gehört der Nachlass von Heinrich von Wittgenstein mit den ersten Protokollbüchern des Festkomitees nach seiner Gründung im Jahr 1823 genauso wie die erste Erwähnung des Karnevals in der Domstadt im Mittelalter aus dem Jahr 1341.

„Wer zu den Wurzeln und der Entwicklung des Kölner Karnevals forschen möchte, findet bei uns im Bestand reichlich Material von den Anfängen bis zur Jetztzeit. Dazu zählen die städtischen Überlieferungen genauso wie die Nachlässe prominenter Karnevalisten. Der aktuelle Mitteilungsband ist der 111. in einer langen Reihe seit dem Jahr 1882. Er ist der Erste, der von den Freunden des Historischen Archivs finanziell gefördert worden ist und auch die Veröffentlichung extern beim Marzellen-Verlag ist für uns eine Premiere“, sagt der kommissarische Leiter des Historischen Archivs, Ulrich Fischer.

Karneval in Köln im Jahr 1868. Foto: Festkomitee

Das große Jubiläum in diesem Jahr hat das Kölner Archiv zum Anlass genommen, seine umfangreichen Bestände gegen den Strich zu bürsten und das Brauchtum nicht aus der Innensicht der Vereine zu betrachten, sondern aus der Sicht der Menschen in der Brauchtumszone – unter Einschluss der „Karnevalsmuffel“. Seit jeher ist der Karneval ein Gradmesser für die gesellschaftlichen und kulturellen Zustände Kölns im Guten wie im Schlechten – von seiner integrativen Kraft bis zu krassem Rassismus und das bereits vor 1823.

„Das Buch ist wie Kaleidoskop angelegt worden. Wir haben ganz bewusst auf eine chronologische Form verzichtet, sodass es auch noch fünf oder zehn Jahre nach dem großen Jubiläum seine Bedeutung nicht verliert“, sagt Verleger Frank Tewes. „Das spannende Buch behandelt den Karneval ganzheitlich und präsentiert ganz verschiedene Themen von den Anfängen bis zur großen Friedensdemo an Rosenmontag im vergangenen Jahr. Und es ist ein sehr gut lesbares Buch geworden“, erklärt Festkomiteeepräsident Christoph Kuckelkorn.

Ein Beitrag befasst sich mit der Geschichte des Straßenkarnevals und der Umzüge in Köln. Foto: Festkomitee

Im von Daniela Wagner und Max Plassmann herausgegebenen Buch findet sich zum Beispiel das Thema „Karneval auf den Straßen“. Dabei geht der Autor zurück bis ins Mittelalter und blickt auch auf das Geschehen bei Umzügen mit und ohne Masken in ganz Europa inklusive der verschiedenen Ursprünge dieses bunten Treibens. Immer wieder folgten darauf im Laufe der Geschichte auch Verbote und Einschränkungen durch die Obrigkeit. Im Zentrum der Betrachtung stehen natürlich die Umzüge in Köln vor und nach dem Jahr 1823 – inklusive des größten Zochs an Rosenmontag.

Beim Feiern im Saal spielt der Gürzenich eine zentrale Rolle, der im Buch ein eigenes Kapitel bekommt. Seine Geschichte als flexibel nutzbarer Profanbau sowie als repräsentativer Ort für den Karneval und seine Feste wie die großen Maskenbälle reicht bis ins 15. Jahrhundert zurück. Nach den Zerstörungen im Zweiten Weltkrieg wird er seit den 50er Jahren bis heute für große Veranstaltungen wie die Prinzenproklamation oder die Fernsehsitzungen genutzt.

Nicht ausgelassen wird, neben den Anfängen des Karnevals im Mittelalter und dem Start des organisierten Karnevals im 19. Jahrhundert, die dunkle Seite des jecken Treibens in der NS-Zeit, in der auch in Köln der Karneval für antisemitische Hetze genutzt wurde und in der kritische Redner wie Karl Küpper unter anderem mit Redeverboten für ihre Haltung bestraft worden sind.

Das Kölner Dreigestirn in alten Zeiten. Foto: Festkomitee

Der Blick fällt zudem ganz in den Süden der Stadt, wenn in Porz mit weiblichen Jungfrauen, toten Hähnen und Rosensonntagen jeck gefeiert wird. Auch die Friedensdemo im vergangenen Jahr bekommt ein eigenes Kapitel. Ein weiteres setzt sich mit dem Krieg und Karneval auseinander und thematisiert unter anderem die Absage beim Golfkrieg im Jahr 1991 inklusive der Entstehung des alternativen Geisterzuges.

Besondere Erfahrungen im jecken Treiben macht ein Imi, der zum ersten Mal den Karneval in Köln erlebt. Davon berichtet Sonja Schäfer, die ihre Premiere beim Elften im Elften zunächst bei grauem Novemberwetter auf dem Heumarkt erlebt hat. Dazu kommen ihre Begegnungen bei der ersten Karnevalssitzung und beim Zillche in der Oper.

Weitere Themen im unterhaltsamen wie fundiert recherchierten Buch sind zum Beispiel der „Karneval im Vormärz“, der „Kölner Nachkriegskarneval“, die Kostüme des Karnevals im Wandel der Zeit oder die verschiedenen Narrenrufe „Alaaf“ und „Helau“. Auch Heinrich Bölls „Masken“ finden Eingang in das umfangreiche Werk.

Daniela Wagner, Max Plassmann: Achtung Brauchtumszone – Beiträge zur Kölner Karnevalsgeschichte, Marzellen-Verlag, 288 Seiten, 24,95 Euro.