Ehepaar Wüst beim NRW-Empfang zur Berlinale 2023. | Foto: dts Nachrichtenagentur

Düsseldorf | aktualisiert | NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) hat nordrhein-westfälische AfD-Politiker zum Berlinale-Empfang in die Berliner Landesvertretung eingeladen. Die Berlinale selbst lud AfD-Politiker wieder aus.

„Unter den Geladenen sind wie üblich die Vorsitzenden der Fraktionen im Landtag sowie die Mitglieder der zuständigen Ausschüsse im Landtag, außerdem Mitglieder des Bundestages aus Nordrhein-Westfalen sowie die Vorsitzenden aller Fraktionen des Deutschen Bundestags“, bestätigte eine Sprecherin der Landesvertretung der „Westdeutschen Allgemeinen Zeitung“ (Freitagsausgabe). „Das umfasst im Sinne der Gleichbehandlung gewählter Abgeordneter Mitglieder aller in den beiden Parlamenten vertretenen Parteien.“

Kulturschaffende mit Aufruf

Im Vorfeld der Filmfestspiele hatten rund 200 Kulturschaffende die Berlinale-Organisatoren bereits zur Rücknahme von Einladungen an die AfD für die Eröffnungsfeier am 15. Februar aufgerufen. Da die Filmstiftung NRW ein wichtiger Geldgeber der Branche ist, gehört der Landesempfang am 18. Februar zu den gesellschaftlichen Höhepunkten des Festivals.

SPD kritisiert

In der Landespolitik ruft die Einladungsroutine der Landesregierung ungeachtet der gegenwärtig aufgewühlten Stimmungslage Kritik hervor. „Hendrik Wüst hat die AfD im Landtag eine brandgefährliche Nazi-Partei genannt – womit er Recht hat. Dann darf er ihr aber auch nicht den roten Teppich ausrollen“, sagte der SPD-Landtagsabgeordnete Serdar Yüksel der Zeitung.

Grüne an Landesregierung beteiligt

Auch in den schwarz-grünen Reihen gibt es Unbehagen. „Wenn Wüst sich richtigerweise hinstellt und sagt, dass die AfD eine Nazi-Partei ist, dann muss er auch die Konsequenz ziehen und darf die AfD nicht zum Berlinale-Empfang des Landes einladen“, erklärte die Vorsitzende der Grünen Jugend, Laura Alderath.

Dilemma

Die Landesregierung sieht sich jedoch ebenso wie der Bund im Dilemma, dass man gewählte Abgeordnete bei einer weitgehend aus Steuermitteln finanzierten Veranstaltung nicht einfach außen vor lassen könne. „Die Landesregierung wird gleichzeitig verdeutlichen, dass beim Berlinale-Empfang kein Platz für Antisemitismus, Rassismus oder Demokratiefeindlichkeit ist“, so die Sprecherin der Landesvertretung.

AfD-Landtagsfraktionschef Martin Vincentz und der kulturpolitische Sprecher Hartmut Beucker bestätigten den Eingang einer Einladung, wollen ihre Teilnahme jedoch aus Termingründen absagen. Inwieweit AfD-Bundestagsabgeordnete zur Veranstaltung kommen werden, blieb zunächst unklar.

Berlinale lädt AfD-Politiker wieder aus

Die „Berlinale“ hat zuvor eingeladene AfD-Politiker wieder von der Eröffnung der internationalen Filmfestspiele ausgeladen. Angesichts der Enthüllungen zu antidemokratischen Positionen und einzelnen Politikern der AfD „ist es für uns – als Berlinale und als Team – wichtig, unmissverständlich Stellung zu beziehen für eine offene Demokratie“, teilte das Leitungsduo der Berlinale, Mariette Rissenbeek und Carlo Chatrian, am Donnerstagnachmittag mit. Man habe daher alle zuvor eingeladenen AfD-Politiker „schriftlich ausgeladen und sie darüber informiert, dass sie auf der Berlinale nicht willkommen sind“.

Engagement für tolerante Gesellschaft

Durch den aktuellen Diskurs sei noch einmal deutlich geworden, „wie sehr das Engagement für eine freie, tolerante Gesellschaft und gegen Rechtsextremismus zur DNA der Berlinale gehört“, hieß es in der Begründung. „Die Berlinale engagiert sich seit Jahrzehnten für demokratische Grundwerte und gegen jede Form von Rechtsextremismus.“ Dafür stehe das Filmprogramm und die Berlinale als Kulturinstitution.

AfD Aussagen widersprechen Grundwerten der Demokratie

Das Festival habe „wiederholt darauf hingewiesen, dass es mit Sorge beobachtet, wie Antisemitismus, antimuslimische Ressentiments, Hassreden und andere antidemokratische und diskriminierende Haltungen in Deutschland zunehmen“, hieß es weiter. Die AfD und etliche ihrer Mitglieder und Abgeordneten würden Ansichten vertreten, die den Grundwerten der Demokratie zutiefst widersprechen würden. „Forderungen nach einer homogenen Gesellschaft, nach Zuwanderungsrestriktionen und Massenabschiebungen, homophobe und queerfeindliche oder rassistische Äußerungen bis hin zu schlimmem Geschichtsrevisionismus und klarem Rechtsextremismus – all das findet man bei der AfD“, teilte die „Berlinale“ mit.

In Zeiten, in denen rechtsextreme Personen in die Parlamente einziehen, wolle man mit der Ausladung der AfD eine klare Position beziehen. Die Diskussion zum Umgang mit der AfD betreffe auch viele andere Organisationen und Festivals. „Diese Debatte muss gesamtgesellschaftlich und gemeinsam mit allen demokratischen Parteien geführt werden“, so die Veranstalter der Internationalen Filmfestspiele Berlin.