Ein Motivwagen der als Thema Ampelkoalition hat: "Es ist was faul im Staate" steht beim Richtfest des Kölner Rosenmontagszug 2024 in einer Halle des Festkomitee Kölner Karneval am 6. Februar 2024. | Foto: picture alliance/dpa | Horst Galuschka

Köln | Kommentar | Am Rosenmontag 2024 wird das Logo der Alternative für Deutschland (AfD) auf zwei Persiflagewagen durch Köln rollen. Die von der AfD deligitimierten etablierten journalistischen Medien landauf und landab – allen voran der „WDR“ und die „ARD“ – werden im Vorfeld und in ihren Liveübertragungen einem Millionenpublikum das Logo der AfD zeigen. Auch report-K berichtet jetzt wieder über die AfD, wie so viele andere Medien. Mehr Aufmerksamkeit ist kaum mehr möglich. Ein Kommentar von Andi Goral.

Zwei Persiflagen zeigen Parteifarbe und Logo der AfD

Es wird zwei Persiflagewagen im Kölner Rosenmontagszug geben, die in beiden Fällen die Parteifarben und das Logo der AfD zeigen. Ein Wagen ist den Kölnerinnen und Kölnern schon bekannt von der großen Demonstration auf der Deutzer Werft gegen Rechts. Es zeigt die Figur des Kallendressers, der zum deutschen Gruß emporgereckten Armen den nackten Hintern oder, wie es auf Kölsch heißt, die bläcke Fott zeigt. Einer dieser Arme auf ockerbraunem Hemd trägt eine Armbinde in AfD Blau mit dem Logo der Partei. Die anderen Arme tragen Farben von Rot, Grau, türkis und Schwarz. Der Wagen trägt das Motto „Die rechte Bewegung in Deutschland“.

Der zweite Wagen zum Thema Ampelkoalition und dem Motto „Es ist was faul im Staate“ zeigt drei Figuren die eine Art Morphsuitkostüm in den Farben Rot, Gelb und Grün tragen. Vor diesen drei Figuren drei Luftpumpen, deren Korpusse in den Farben Schwarz-Rot-Gold gestaltet sind. An diese angeschlossen sind blaue Schläuche, die eine gigantische Figur aufblasen, die Alice Weidel darstellt. Die zeigt sich zufrieden grinsend hinter den drei Ampelfiguren und reisst die Arme auseinander, als wäre sie wie Prinz Karneval gerade proklamiert worden. Diese trägt eine in AfD blau gehaltene Jacke, auf der auf beiden Zugwegseiten das AfD Logo zu sehen ist. Die rote und die gelbe Figur pressen Luft in die Schläuche, die grüne Figur tut dies nicht.

Viel Reichweite

Ohne inhaltliche Einordnung oder Bildinterpretation ist zunächst festzuhalten, dass im Rosenmontagszug 2024 auf zwei Persiflagen Parteifarbe und Logo der AfD mehrfach zu sehen ist. Glaubt man den Zahlen von Stadt und Festkomitee, dann werden rund 1,5 Millionen Menschen am Zugwegrand stehen. 2023 sahen  1,45 Millionen Menschen den Kölner Zug im Fernsehen. Das waren zwar eine Million weniger als 2020, aber zusammengerechnet sind dies schon einmal 3 Millionen Menschen. Dazu kommt die Berichterstattung in Print, Online oder Satire- sowie Nachrichtensendungen vor, während und nach dem Rosenmontagszug. Zusammengefasst und auf den Punkt gebracht: Maximale mediale Aufmerksamkeit bei minimaler inhaltlicher Auseinandersetzung und maximaler Polarisierung.

Die Kommunikationsstrategen der AfD dürften diese Zahlen freuen. Sehen und gesehen werden auf der großen Bühne der etabliert journalistischen Medien, aber sich konsequent inhaltlich entziehen, ist für die AfD der Idealfall ihrer Kommunikationsstrategie. Die etablierten Medien können für AfD Werbung unhinterfragt genutzt werden. Und hier machen es die Kölner Karnevalisten der AfD einfacher als ihre Mainzer Karnevalskollegen.

Nicht das erste AfD Motiv im Kölner Zoch

Beim Rosenmontagszug 2020 gab es schon einmal ein AfD-Motiv in Köln. Da ritt auf dem braunen Dackel „Höcke“ dem eine „Hass“- und „Hetze“-Wurst vorgehalten wurde, Alexander Gauland und FDP Mann Thomas Kemmerich. Der Dackel „Höcke“ riss das Grundgesetz aus den Festen. Auf das eherne Grundgesetz machte ein Storch mit dem Gesicht der Bundestagsabgeordneten Beatrix von Storch sein Geschäft. Der Wagen wurde 48 Stunden nach der Wahl Kemmerichs zum Ministerpräsidenten von Thüringen, mit den Stimmen der CDU, FDP und AfD im thüringischen Landtag, vom Festkomitee noch für den aktuellen Zug 2020 präsentiert. Kemmerich trat nach massiven Protesten zurück. Zugleiter Holger Kirsch sagte damals der „Bild“ nach dem Thüringer Wahl-Eklat: „Unsere Welt ist politisch wie nie – also sind es unsere Wagen auch! Jahrelang haben wir die AfD bewusst ignoriert, aber wir sind an einem Punkt angelangt, an dem das nicht mehr geht. Wer an den Grundfesten unserer Demokratie rüttelt, wird von uns abgestraft.“ 2020 lag die AfD am 7.  Februar im Politbarometer übrigens bei 14 Prozent. Heute am 8. Februar 2024 liegt sie bei Yougov bei 20 und am 5. Februar 2024 bei INSA bei 20,5 Prozent. Der Persiflagewagen 2020 widmete sich einem top aktuellen und in der Öffentlichkeit damals intensiv diskutierten Thema. Das ist bei den Persiflagen 2024 anders. Diese setzen nicht so sehr auf ein konkretes aktuelles Thema, sondern stärker auf allgemeine Symbolik.

Bildinterpretation im Sekundenbereich

Die Persiflagewagen im Rosenmontagszug sind nur den Hauch eines Momentes zu sehen. Sie fliegen förmlich an den Zuschauerinnen und Zuschauern vorbei. Auch im Fernsehen. Was bleibt von diesem visuellen Moment im Gedächtnis hängen? Zunächst einmal: Die AfD ist prominent vertreten. Gleich zwei Wagen sind ihr gewidmet. Damit gewinnt sie an politischer Bedeutung alleine schon deshalb, weil sie zweimal präsentiert wird.

Dies gilt im Besonderen für die AfD-Vorsitzende Weidel. Denn nur wenige Politikerinnen und Politiker schaffen es mit ihrem Konterfei alleine auf die Persiflagewagen. In der Regel hohe Mitglieder der Bundesregierung oder Regierungschefs anderer Staaten.

Die Wesen an den Luftpumpen tragen zwar menschliche Proportionen aber sie haben kein Gesicht, durch die Anmutung Morphsuit verbergen sie ihre Gestalt und Gesicht. Haben Sie ihr Gesicht verloren oder wollen sie es nicht zeigen? Wer ist gemeint? Das Farbspiel Rot, Gelb, Grün verweist auf die Ampelregierung oder die sie tragenden Parteien SPD, FDP und Grüne. Wenn wir sagen jemand hat sein Gesicht verloren, dann bedeutet dies zunächst, dieser Mensch hat durch unrichtiges Verhalten an Ansehen, Glaubwürdigkeit, Würde, Respekt zumindest teilweise eingebüßt. Gesicht verliert auch, wer etwas tut, was anderen schadet. Diese gesichtslosen Morphsuit-Figuren lassen gleich mehrere Interpretationen zu: Das Festkomitee will sich nicht festlegen, wer an der Luftpumpe pumpt oder kann es nicht eindeutig benennen. Oder will das gar nicht. Festlegt sich das Festkomitee aber indem es Rot und gelb pumpen lässt und Grün nicht? Und warum ist an den Luftpumpen Schwarz, Rot und Gold?

Das Motiv der Luftpumpe verbindet eine eindeutige Konnotation vor allem in Bezug auf Menschen. Mit Luftpumpe bezeichnen wir Menschen, die nur Luft in die Atmosphäre pusten; Menschen, die nicht klar oder eigenständig denken können. In ihrem Kopf herrscht Durchzug. Luft wird angesaugt und unreflektiert wieder abgegeben. Das Bild eindeutig: Also diese kleinen Figuren Rot, Gelb und Grün das taugt nix.

Mit der Luft ihrer Pumpen pumpen Rot und Gelb, nicht Grün, Weidel auf. Nicht Chrupalla oder das Parteilogo. Auf dem Wagen zeigt nur Weidel Gesicht. Gesicht zeigen bedeutet in der Öffentlichkeit stehen, seinen Standpunkt vertreten. Also eindeutig positiv konnotiert, dazu das verschmitzte Lächeln und die ausgebreiteten Arme in Prinzenpose. Gegenüber den Ampelfiguren ist Weidel riesengroß dargestellt. Sie thront schwebend, regelrecht festgehalten von den blauen Schläuchen, übermächtig über den Ampelfiguren und blickt über diese hinweg.

Interpretation im Kamelleregen

Hängen bleibt im Hauch der Sekunde des Vorbeifahrens des Wagens und auf den ersten Blick die Interpretation: die Ampelregierung macht Weidel und die AfD groß und pumpt diese mit Luft voll. Das ist die Interpretation, die nahe liegt. Die Union ist daran nach der Darstellung des Festkomitees nicht beteiligt, denn sie findet sich nicht im Bildmotiv wieder. Was das Festkomitee von den Leitfiguren der Ampelregierung hält folgt in den anderen Wagen: Sparschwein, Faultier, Elefantin im Porzellanladen und Walküre.

Mit dieser Vereinfachung und Polarisierung befindet sich das Festkomitee zwar in bester Gesellschaft nicht weniger Satiriker, aber es macht es sich auch besonders einfach. Bundestagswahlen sind erst 2025, wie übrigens auch Kommunalwahlen in NRW. Dieses Jahr gibt es eine Europawahl und es wird in drei ostdeutschen Bundesländern gewählt, in denen die AfD im Umfragehoch ist und das nicht erst seit gestern.

In seiner inhaltlichen Unbestimmtheit positioniert sich der Persiflagewagen nicht gegen die AfD. Anstatt ein klares Signal zu senden und deutlich zu machen, mit was die Menschen zu rechnen haben, wenn die AfD an die Macht kommt, geriert die müde Bürgerlichkeit der Karnevalisten des Festkomitees lediglich einen Kommentar zu Umfragewerten von Politbarometer und Co. Dass es anders geht, zeigt der Wagen aus Mainz.  Auch in Mainz wird es einen Wagen geben, der die Vorsitzende Alice Weidel thematisiert. Dort sitzt sie in einem Wagen mit Sarah Wagenknecht, der von Putin gelenkt wird. Hätten die Kölner Kritzelköpp und Festkomiteevorstände doch einfach mal das AfD-Programm ergoogelt. Dort steht bei der AfD: „Der ‚Kalte Krieg‘ ist vorbei. Die USA bleiben unser Partner. Russland soll es werden. Die AfD setzt sich deshalb für ein Ende der Sanktionen und eine Verbesserung der Beziehungen zu Russland ein.“ Warum setzt das Festkomitee nicht seine Reichweite ein, um den Bürgerinnen locker und leicht im Vorbeifahren klar zu machen, was der Erfolg der AfD für sie bedeuten wird, wie es den Mainzern gelingt?

Polarisierung als Stilmittel

Der Kölner Wagen ist populistisch und verharrt in der Polarisierung. Die AfD freut sich über diese vereinfachte Polarisierung: Ampelpolitik macht AfD groß sicher am deutlichsten. Medialer Furor, der die Demokraten klein macht und für die AfD Aufmerksamkeit erzeugt. Dazu dieses Zitat im Motto des Wagens „Es ist etwas faul im Staate“: Diese Redensart entstammt dem ersten Aufzug von William Shakespeares Tragödie Hamlet. Marcellus sagt dort im englischen Original: „Something is rotten in the state of Denmark. Welche Reaktionen kann der Wagen auslösen? Schauen wir uns drei von sicher mehreren Möglichkeiten an.

Erste Option: Ich bin mit der Arbeit der Ampelregierung unzufrieden und schimpfe auf Rot, Gelb und Grün. Prima, das bestätigt der Wagen durch die drei Luftpumpen. Und was ist die Alternative? Na die Opposition. Da findet sich nicht die Union, die übrigens auch in den Umfragen profitiert, sondern eine Frau und das bekannteste Gesicht der AfD: Alice Weidel. Deren Partei profitiert seit Wochen in den Umfragen und befindet sich im Höhenflug im Gegensatz zu den Ampelparteien. Und was macht sexy? Erfolg und nicht Misserfolg.

Zweite Option: Die AfD ist eine Partei, die nie meine Unterstützung bekommen würde. Dann finde ich den Wagen vielleicht witzig und denke den Prozess des Aufpumpens weiter. Mehr aber auch nicht.

Dritte Option: Ich bin Fan der AfD. Freuen würde ich mich. Da wird die Ampel massiv gebasht, die Lieblingsfarben meines „Stolzmonats“ werden gezeigt und schmunzeln würde ich über die Darstellung von Frau Weidel. Ich würde denken super Werbung, danke dafür und mich weniger wundern, dass ein Buch von Sellner auf Platz 1 der Liste der Vorbestellungen bei amazon stand und die Umfragewerte für die AfD nach wie vor hoch sind.

Daher muss sich das Festkomitee die Frage stellen lassen, ob es sich nicht besser inhaltlich mit der AfD auseinandergesetzt hätte.

Der Klischeewagen zur „Nazi-Keule“

Der zweite Wagen mit dem Deutschen Gruß bedient lediglich das Klischee des Nazi-Vergleichs. Nach wie vor ist er das Muster in der politischen Auseinandersetzung sowohl von Links gegen Rechts, wie auch Konservativ gegen Links. Das konservative Lager bedient die Staatsräson „Rot ist gleich Braun“ seit dem CDU Gründungskongress von Goslar im Jahr 1950. Es findet sich auch die Farbe Rot auf dem Wagen mit dem Kallendresser des Festkomitees im Jahr 2024. In Goslar sagte der in Köln hochverehrte Konrad Adenauer am 20. Oktober 1950: „Der Druck, den der Nationalsozialismus durch Gestapo, durch Konzentrationslager ausgeübt hat, mäßig war gegenüber dem, was jetzt in der Ostzone geschieht“. Und bis heute schreien Vertreterinnen und Vertreter des linken Lagers: „Nazis raus“ oder „Ganz Köln hasst die AfD“.   

Schwarz-Weiß Polarisierung

Beide Wagen malen Schwarz und Weiß. Sie fordern von denen, die die Wagen sehen eine Entscheidung: Bin ich für die Luftpumpen Ampel oder für die AfD und ihre Chefin. Also: Entweder die oder die anderen. Die Menschen, die sich im Graubereich mit ihrer Meinung befinden, müssen sich auch irgendwann entscheiden. Eine Entscheidungs- oder Argumentationshilfe bieten ihnen beide Wagen nicht, da sie keine inhaltliche Auseinandersetzung, die durchaus satirisch sein muss, suchen. Oft treffen Menschen, die noch unentschieden sind, ihre Entscheidung aber anders als gewünscht, weil sie anders als vom Macher initiiert Satire interpretieren. Und welche Wahl lässt der Weidel-Luftpumpenwagen den Zuschauerinnen und Zuschauern? Luftpumpen oder… Dabei hätte es auch aktuell Kölner Bezüge gegeben: Etwa die Entscheidung des Kölner Verwaltungsgerichts zur Jungen Alternative. Die Jugendorganisation war vom Bundesamt für Verfassungsschutz bereits im April 2023 als gesichert rechtsextrem eingestuft worden. Dies bestätigte das Kölner Gericht vor wenigen Tagen.

Die Kommunikationsstrategen der AfD lieben Polarisierung in Schwarz und Weiß sowie viel Reichweite für die Positionierung ihrer Partei ohne inhaltliche Auseinandersetzung. Im sozialen Netzwerk Facebook kritisierte eine Leserin von report-K vor kurzem die Bebilderung auch kritischer Artikel mit Fotos von AfD-Logos, da diese nur tägliche Reichweite für die Partei bringe. Die Leserin hat Recht. Kaum eine Partei erreicht eine solche Präsenz in Medien, die sie als „Lügenpresse“ diffamiert. Auch bei diesem Rosenmontagszug.