Köln | Informationen zur Coronakrise gibt es wie Sand am Meer, es ist der übliche Information-Overload, die öffentliche Institutionen, Organisationen, Medien und soziale Netzwerke publizieren. Denn Digitalisierung ist in Deutschland, vor allem in der öffentlichen Hand, Kommunikation. In Köln im Angesicht der Pandemie auch noch schlecht gemachte. Nach der digitalen Information treten wir, geht es um die konkrete Umsetzung, zurück ins analoge Zeitalter, anstatt die Vorteile der Digitalisierung zur Minimierung von sozialen Kontakten voll ausnützen zu können. Eine Analyse und ein Zwischenkommentar zu den Abläufen und Systemen in der aktuellen Corona-Krise in Köln. Aber bitte: Verfallen Sie nicht in Panik – Sie brauchen nur ein wenig mehr Geduld, folgen Sie den Handlungsempfehlungen und handeln Sie solidarisch.

Viel und wenig zielgerichtete Information

Die Stadt Köln richtete eine Internetseite ein: corona.koeln. Statt harter Fakten lobt man sich und sein System erst einmal selbst. Statt einem Wegweiser, der Menschen mit ihren unterschiedlichen Anforderungen schnell und zielgerichtet zur richtigen Information, Handlungsempfehlung und Aktion leitet, ein Sammelsurium an Informationen bis hin zur Frage Corona und Haustier.

Es fehlt vor allem eine klare und eindeutige Handlungsempfehlung für Menschen, die zu den Verdachtsfällen zählen, weil sie Kontakt zu einer Person hatten, bei der COVID-19 festgestellt wurde. Nach der Lektüre ist klar, sie sind jetzt Verdachtsfälle. Wer jetzt glaubt, er füllt genau jetzt ohne mehr als einen Klick entfernt ein digitales Formular aus, gibt Hausarzt, Krankenkassenkartennummer wegen der Abrechnung, weitere Kontakte und wie diese etwa per E-Mail zu erreichen sind, wie seine Versorgungssituation ist, an und sendet dies an das Gesundheitsamt, der lebt in der Zukunft, aber nicht in der Gegenwart. Die Gegenwart ist analog.

Die Vorteile einer digitalen zentralen Erfassung: Zum einen hätte so das Gesundheitsamt sofort einen Überblick und alle Daten wären schon von den Verdachtsfällen erfasst, zumindest derer, die mit digitalen Tools umgehen können, wenn diese Daten in einer Datenbank zusammenlaufen. Für diejenigen, die zweifeln, das ist kein digitales Hexenwerk und für die, die nach Datenschutz rufen, denen sei gesagt auch auf dem analogen Weg werden Daten gesammelt und erfasst, nur von viel mehr Stellen. Ob dies besser und im Sinne von Datenschutz transparenter ist, sei hier zur Diskussion gestellt.

Zum anderen könnte das Gesundheitsamt jetzt einen Test auslösen und den Patienten digital mit mehr Information versorgen. Der Patient könnte zu Hause bleiben, ein geschütztes Team würde vor Ort den Test machen und diesen einem Labor zuführen mit den Daten, die bereits erfasst sind. Über das Testergebnis kann das Gesundheitsamt den Patienten kontaktlos informieren und ihm weitere Handlungsempfehlungen erteilen. Ein Szenario, ja und sicherlich gibt es einige rechtliche und kassenärztlich systemische Abrechnungshürden, aber ein solches System ist effizienter und vor allem ermöglicht es maximal kontaktlose Abläufe. Und da das Szenario einer Pandemie seit Januar im Raum stand, hätte Verwaltung und Politik sich darauf vorbereiten können.

Klingt gruselig? Aber sind die analogen Abläufe besser? Die Handlungsempfehlung ist: Rufen Sie ihren Hausarzt oder wenn sie diesen nicht erreichen, den kassenärztlichen Notdienst an. Überall werden die Daten händisch erfasst und in individuelle Systeme eingetragen, wenn überhaupt. Die Telefonleitungen sind verstopft und die Wartezeiten lange. Dann gibt es eine individuelle Absprache mit dem Arzt meist am Telefon, der wiederum dem Gesundheitsamt Meldung machen muss. Und wie kommt der Test zustande? Die Abläufe dauern lange und sind ineffizient. Das alles funktioniert so lange die Zahl der Infizierten und Verdachtsfälle gering sind, aber nicht, wenn die Zahlen in die Höhe schnellen. Dies dürfte mit ein Grund sein, warum die Regierung die Zahl der Neuinfektionen verlangsamen will. Die Frage ist auch, wie kommt der Arzt an die so wichtige Krankenkassenkarte aus Plastik, auf der das Coronavirus übrigens auch lange überlebt, wie eine US-Studie belegt (report-K berichtete >).

An der Pandemie zeigt sich wie analog Deutschland ist, auch in den Köpfen, vor allem derer, die Systeme vorausdenken sollen und müssen. Dies gilt in besonderem Maße für die Stadt Köln. Zwei Beispiele:

Die Stadt definiert ein Ziel und hält es selbst nicht ein

Die Bundeskanzlerin sagt es täglich und auch Ministerpräsident Armin Laschet forderte es: Die sozialen Kontakte zu reduzieren, um die Zahl der Infektionen zu vermeiden. Die Stadt Köln schreibt es in ihrer Pressemitteilung, ein Zitat: „Damit sind gesamtgesellschaftliche Anstrengungen wie die Reduzierung von sozialen Kontakten mit dem Ziel der Vermeidung von Infektionen im privaten, beruflichen und öffentlichen Bereich sowie eine Reduzierung der Reisetätigkeit verbunden.“ Und sie tut genau das Gegenteil: Um diese Informationen zu verbreiten ruft die Stadt Köln am Samstag um 15 Uhr zu einer physischen Pressekonferenz. Journalisten müssen ins Rathaus fahren, um Worten zu hören, die auch in einer Telefon- oder Videokonferenz übermittelt werden können. Entweder die Stadt nimmt ihre eigenen Mitteilungen nicht ernst oder sie ist technisch nicht in der Lage, eine Telefon- oder Videokonferenz zu organisieren. Unternehmen, auch in Köln, haben schon lange auf Pressekonferenzen auf Telefonkonferenzen umgestellt.

Das ist nicht das einzige Beispiel: Die Bescheinigung zur Unabkömmlichkeit für Eltern, die in kritischen Infrastrukturen arbeiten und ein Formular abgeben müssen, wenn sie für ihre Kinder eine Betreuung benötigen, ist ein ähnliches Beispiel. Das Formular stellt die Stadt Köln am Samstag digital zum Download bereit. Und dann? Ausdrucken, vom Arbeitgeber unterschreiben lassen und bis Dienstag in der Kita oder Schule unterschrieben abgeben? Welche Personalabteilung arbeitet samstags und sonntags? Ob dies auch digital geht, kein Hinweis oder Handlungsempfehlung. Wenn der Vorgang analog stattfindet ist es ungleich schwerer möglich soziale Kontakte zu reduzieren. Auch das Formular wirkt mit heißer Nadel gestrickt und auch hier, warum gibt es keine digitale Vorlage und eine Landing Page – eine Internetseite zu einem speziellen Thema -?

Sitzungen des Stadtrats und der Bezirksvertretungen finden statt, mit Publikum?

Am kommenden Montag, 16. März, zeigt das Ratsinformationssystem vier Ausschüsse des Stadtrates und zwei Sitzungen der Bezirksvertretungen in Köln-Mülheim und Köln-Lindenthal. Dies sind der Bauausschuss, der Betriebsausschuss Gebäudewirtschaft, ausgerechnet der Unterausschuss Digitale Kommunikation und Organisation und der Ausschuss Allgemeine Verwaltung und Rechtsfragen/Vergabe/Internationales. Am Dienstag folgt der Ausschuss für Anregungen und Beschwerden und am Donnerstag der Stadtentwicklungsausschuss. Kleine Räume und die Vertreterinnen und Vertreter der Politik und Verwaltung sitzen eng aufeinander, wie auch das Publikum. Mittlerweile liegt der Kölner Oberbürgermeisterin ein Bürgerantrag von Hans Burgwinkel vor, der fordert: „Die Verwaltung wird aufgefordert, mit sofortiger Wirkung alle politischen, kommunalen und vergleichbaren Sitzungen, Veranstaltungen, Treffen und Vergleichbares, die „öffentlich“, mit Bürgerbeteiligung o.ä sind, abzusagen.“ Natürlich muss sich die Stadt fragen, wie sie die Öffentlichkeit herstellt, indem sie etwa den Ratssaal nutzen würde und die dortige Livestream-Technik. Zudem könnten die Ausschussmitglieder entsprechend weit voneinander getrennt Platz nehmen, weil der Raum groß genug ist. Auch hier zeigt sich, dass die Stadt seit Jahren auf Analoges setzt und sich der Digitalisierung verweigert. Anstatt dem Vorbild des Europäischen Parlaments zu folgen, das alle Ausschusssitzungen via Livestream überträgt.

Das Coronavirus fällt nicht aus dem heiteren Himmel

Dass es COVID-19 gibt, ist seit Ende des letzten Jahres in der Wissenschaft bekannt. Der Ausbruch in Wuhan beherrscht seit Januar die Medien. In NRW und in Köln feierte man Karneval. Warum haben sich die Landesregierung und die Stadt Köln nicht vorbereitet? Auch im Februar taten Bundes-, Landesregierung und städtische Verwaltung noch so als hätten sie alles im Griff. Wer in dieser Phase über COVID-19 berichtete, wurde als Panikmacher verunglimpft, vor allem in den sozialen Netzwerken. An Karneval zeigte sich in Köln, dass die Stadt die Situation nicht ernst nahm. Ein Mann, der aus der Lombardei eingereist war, wollte sich auf COVID-19 testen lassen. Die Stadt wusste noch nicht einmal, dass die Lombardei ein Risikogebiet war. Der Mann wurde negativ getestet. Das Gesundheitsamt feierte Karneval und war über die jecken Tage geschlossen.

Vielleicht wog man sich nach Gauting in Sicherheit

Den bayerischen Behörden gelang es, mit klaren Schritten das erste Auftreten des Coronavirus in Bayern konsequent einzudämmen. Die Menschen und vielleicht auch die Behörden wogen sich in Sicherheit. Das Narrativ mit der Grippe und den vielen Toten brach sich Bahn und alles lief wie immer. Dann kam Heinsberg und die Karnevalssitzung in Gangelt. Die „Neue Züricher Zeitung“ verfasste dazu einen lesenswerten und gut recherchierten Artikel: „Wie der Fasching die Pandemie in Deutschland beschleunigte.

Die ersten Infizierten in Köln sind nach Heinsberg nachverfolgbar. Übrigens steckten sich alle Menschen in NRW zunächst in NRW an. Köln war in den Schlagzeilen, es gab eine Verbindung in die Uniklinik oder zur Flugbereitschaft nach Köln-Wahn. Auch die Kölner Feuerwehr war betroffen. Virologen warnten und forderten zum „Stamping Out“ und die Bevölkerung johlte in den Sozialen Netzwerken und hielt den Teutonen wahrscheinlich für resistent gegen das Coronavirus. Der Landrat von Heinsberg weigerte sich, seinen Landkreis abzuriegeln und niemand hinderte ihn daran, obwohl in Italien bereits drastische Maßnahmen ergriffen worden waren. Auch die Zahlen in Köln stiegen zunächst langsam, wie vorausberechnet, mittlerweile exponentiell. Die Menschen kaufen Supermärkte leer.

Es ist richtig, das öffentliche Leben lahmzulegen und die sozialen Kontakte soweit wie möglich zu reduzieren. Dazu zählen klare und eindeutige Aussagen und eine operative Strategie, wie dies bestmöglich umgesetzt wird. Wenn diese nicht in der Schublade liegt, hätte diese spätestens vorbereitet werden müssen, als klar wurde, dass die Zahl der Infizierten steigt und die Zahlen aus China oder Italien bekannt waren.

Klare Kommunikation und starke Organisation gefordert

Die Stadt Köln muss endlich klarer und zielgerichteter kommunizieren. Klare Ansagen und die Organisation verbessern. Wer sich testen lassen muss, braucht eine klare Anweisung, wie dies zügig und sicher mit möglichst wenigen sozialen Kontakten von statten geht und keine Warteschleifen. Vor allem vor dem Hintergrund, dass ich erst dann in der Arbeit fehlen darf, wenn die behördliche Anweisung zur Quarantäne oder ein ärztliches Attest vorliegt.

Was die Digitalisierung betrifft, ist es jetzt zu spät. Es wäre gut allerdings daraus zu lernen und nicht zu glauben, dass Digitalisierung das Anlegen eines Instagramprofils ist. Köln braucht digitale und nicht analoge Köpfe, das sollte eine Lehre aus der Corona-Krise sein.

Die Corona-Krise zeigt noch ein weiteres Phänomen: Informationen und Wege wenden sich vor allem an bürgerlich integrierte Menschen und sind auch so verfasst. Zu loben ist, dass die Stadt Köln die Informationen zum Coronavirus in mehreren Sprachen anbietet. Aber was ist mit Blinden und Gehörlosen? Da gibt es die Möglichkeit sich den Text vorlesen zu lassen, aber wenn ich das nich lesen kann? Was ist mit den vielen Menschen in Köln, die obdachlos sind? Wie werden die informiert und versorgt?

Verfallen Sie nicht in Panik

Es gibt nach wie vor keinen Grund, in Panik zu verfallen, aber auch nicht, die Corona-Krise zu verharmlosen. Jede Krise ist eine Chance. Dies soll diese Analyse zeigen. Aber nur dann, wenn wir bereit sind, daraus zu lernen und Abläufe zu optimieren. Wenn es Verdachtsmomente gibt, dass Sie sich mit dem Coronavirus angesteckt haben könnten, schützen Sie Ihr Umfeld so gut es geht und rufen Sie nach den aktuellen Handlungsempfehlungen Ihren Hausarzt oder wahlweise den ärztlichen Notdienst an. Stellen Sie sich auf lange und länger werdende Wartezeiten ein. Achten Sie auf Ihre persönliche Hygiene und schützen Sie vor allem die besonders anfälligen Zielgruppen.

Autor: Andi Goral