report-K präsentiert ausgewählte Beiträge aus dem Newsletter des Kölner Presseclub, den Sie hier abonnieren können. Für die redaktionellen Inhalte ist der Kölner Presseclub verantwortlich. Der Autor Peter Pauls ist Vorsitzender des Kölner Presseclubs. Zuvor war er lange Jahre Chefredakteur der Tageszeitung Kölner Stadt-Anzeiger.
Ein mächtiger Gegner beschert dem deutschen Staat sinkende Einnahmen – Geht die Stadt Köln nicht sorgfältig mit ihrem Eigentum um?
Der deutsche Staat hat einen mächtigen Gegner, der ihm Ansehensverlust und sinkende Einnahmen beschert. Der Gegner strapaziert die Bürger, indem er ihnen Lasten aufbürdet, die er sich selbst im Traum nicht zumuten würde. Und wehe, diese Bürger nähmen sich an dem Gegner ein Beispiel. Sie würden des Staates ganze Härte zu spüren bekommen. Dabei geht es nicht um Clans oder Cum-Ex-Betrüger. Wer dieser mächtige Gegner ist? Der deutsche Staat selbst. Er vernachlässigt, was ihm anvertraut ist: Brücken, Straßen, Schienenstränge, Flüsse und deren Verlauf, Schulen, Museen, Theater und Verwaltungsgebäude.
Das tut er schon lange. Warum ich dann jetzt erst mit dem Thema komme? Weil Corona und der Ukraine-Krieg schärfer konturiert haben, was sonst nur knapp über die Wahrnehmungsschwelle gerutscht ist. Erst durch die Pandemie erfuhr auch die breite Öffentlichkeit von der miserablen Ausstattung der Schulen. Von Fenstern, die zum Lüften nicht geöffnet werden konnten, blockierenden Türen, feuchten Klassenräumen.
Corona ließ Menschen wieder auf den Pkw umsteigen, weil sie fürchteten, sich im Nahverkehr anzustecken. Das fiel leicht, da dieser wenig Komfort bietet. Der Ukraine-Krieg deckte mittelbar auf, wie überfordert unsere Verkehrsinfrastruktur ist und welche unmittelbaren Folgen Niedrigwasser für unsere Versorgung haben kann. Damit sind wir schon beim Klimawandel, dem dritten großen Faktor, der unser Leben verändert. Bundeswehr und Bahn lassen wir außen vor.
Wie ein Elefant besonders große Dunghaufen hinterlässt, hat auch Köln im Bereich Vernachlässigung große Beispiele hervorgebracht. Für mich vorne steht das RGM, das Römisch-Germanische Museum. Seit Ende 2017 ist es zu, die Betriebserlaubnis seit 2018 „erloschen“. Eine milde Formulierung. Die Bauaufsicht wurde tätig und schloss die Einrichtung zur Gefahrenabwehr, 46 Jahre, nachdem sie eröffnet worden war. 2026, nach acht Jahren, soll der Publikumsmagnet, wie das Haus in städtischen Mitteilungen heißt, saniert wieder eröffnet werden zu Kosten von dann €91,2 Millionen.
Ob Köln nicht bauen oder erneuern könne, habe ich Stefanie Ruffen gefragt. Die Architektin ist baupolitische Sprecherin der FDP und sie kann Sätze wie fürs Lehrbuch formulieren. „Im öffentlichen Sektor werden Gebäude solange nicht gepflegt, bis ein Abriss die einzig wirtschaftliche Lösung ist“, sagt sie und begründet das rechnerisch mit Jahresabschreibungen, in denen der Bau zu zehn Prozent der Gesamtkosten verkümmert.
Im Fall des RGM aber schlug das fehl. Es wurde unter Denkmalsschutz gestellt, somit war ein Abriss unmöglich. Im Lauf dieser Recherche war ich andererseits mehrmals froh, nicht im Bauamt arbeiten zu müssen. Die Stadt selbst hat im Internet den Sachstand zum RGM zusammengefasst. Ein Irrgarten von Regeln, Beschlüssen, Sonderaufgaben, die vom Denkmalsschutzamt zurück auf Null gestellt wurden.
Auch über das Kölner Justizzentrum sprach ich mit Stefanie Ruffen. Es ist erst 42 Jahre alt, 105 Meter hoch, hat 24 Stockwerke, umgerechnet €64 Millionen gekostet und soll nun abgerissen werden. In einem früheren Newsletter habe ich den Bau des Landes NRW deshalb provokant „Wegwerfhaus“ genannt. Die Ratsfrau relativierte meinen Ärger. Da sich Teile der Fassade lösen, das Gebäude neu gedämmt werden müsse und man nicht wisse, welche Schadstoffe im Inneren verbaut seien, sollte ein Abriss nicht ausgeschlossen werden, da die Sanierungskosten ins Unermessliche steigen könnten. So geschah es mit dem Deutsche-Welle-Hochhaus in Raderberg, das wirtschaftlich nicht zu sanieren war. Die Losung „Kein Abriss“ sei zu einfach. Eine Faustregel formulierte Stefanie Ruffen dennoch: „Bauen ist nie nachhaltig. Nachhaltig ist nur Nicht-Bauen.“ Schließlich trägt der Bausektor mit acht Prozent zu den deutschen Treibhausgas-Emissionen bei.
Eigentlich müssten da in Köln die Alarmglocken klingen, denn die Stadt hat den „Klimanotstand“ ausgerufen. Bisher aber wird er eher wie ein Joker genutzt, um lästige Debatten abzuschneiden. Wie etwa: Wortbruch gegenüber dem 1. FC Köln? Klimanotstand! Verkehrsberuhigung mit der Brechstange? Klimanotstand! Ford nicht mehr Standard-Dienstwagen? Klimanotstand!
Welche Pflichten legt dieser Notstand aber der Stadt Köln auf? Kann der Abriss der 1979 eröffneten Zentralbibliothek vor diesem Hintergrund noch ernsthaft diskutiert werden? Welchen Plan hat die Stadt, ihre Liegenschaften so zu ertüchtigen, dass sie nicht abgerissen werden müssen. Wegen eben dieses Klimanotstands? Oder ist sie außen vor?
Eigentümerin der städtischen Gebäude sei eben diese Stadt Köln, sagt die Architektin Ruffen. Die Politik müsse sich auf den ordnungsgemäßen Umgang der Stadt mit ihrem Eigentum verlassen können. Ganz nimmt sie die Politik aber nicht aus der Haftung: Für Folge- und Unterhaltungskosten gebe es keinen öffentlichen Applaus. Neue Projekte hingegen seien viel attraktiver und verführerischer. Aber eine Trennungslinie zur Verwaltung zu ziehen, vermag Stefanie Ruffen nicht – wie viele andere auch. „Die Verwaltung in Köln ist politisch. Die Politik kann beschließen so viel sie will – die Verwaltung entscheidet, was sie umsetzt.“ So komme es, dass Politiker sich im Gegenzug im Verwalten versuchen.
Um der Ausgewogenheit willen muss ich sagen, dass Köln nur naheliegende und daher eindringliche Beispiele liefert. Die Last der maroden Gebäude- und Infrastruktur hingegen liegt über dem ganzen Land. Bundesweites Fanal ist die Autobahnbrücke Rahmede, die wegen Mikro-Rissen gesperrt ist. Sie steht allein für rund 4000 Brücken, die bundesweit in einem so schlechten Zustand sind, dass Sanierung oder Neubau anstehen. Alle leiden unter Alter, Vernachlässigung und Überbelastung.
Wie die Brücke Rahmede. 1968 wurde sie fertiggestellt. Das 453 Meter lange und 75 Meter hohe Bauwerk war für einen prognostizierten Verkehr von circa 25.000 Fahrzeugen ausgelegt. Tatsächlich nutzten 2021 rund 64.000 Fahrzeuge täglich die Strecke, die als Lebensader des Sauerlandes gilt. Heute zwängt sich der Verkehr notgedrungen durch Nadelöhre. Allein 6000 Lastwagen kriechen täglich durch Lüdenscheid.
Merke: Köln ist eigentlich überall. Diese Erkenntnis hilft uns nicht. Doch sie bietet ein wenig Trost in grauen Tagen.
Möge der Himmel aufreißen und blau werden.