Berlin | aktualisiert | Der Fahrgast-Verband Pro Bahn hat die neue Streikankündigung der Lokführergewerkschaft GDL kritisiert und eine Schlichtung gefordert, gleichzeitig aber Verständnis für die Forderungen der Lokführer gezeigt. Im Tarifkonflikt mit der Deutschen Bahn sieht GdL-Chef Claus Weselsky aktuell keine Verhandlungsgrundlage.
„Ein Streik über das Wochenende ist für die Fahrgäste eine sehr große Belastung“, sagte Pro-Bahn-Sprecher Detlef Neuß dem „Redaktionsnetzwerk Deutschland“ (Dienstagsausgaben). „Angesichts dieser sechs Tage muss man sich wirklich fragen, ob die GDL noch angemessen agiert.“
Insbesondere für Fernpendler werde es schwierig, so Neuss weiter. „Wenn nur noch 20 Prozent der Züge fahren und die Arbeitnehmer nach Feierabend noch zwei Stunden oder noch länger warten müssen, dann ist das keine Alternative. Zumal man morgens auch wieder rechtzeitig zur Arbeit kommen muss. Das ist nicht zumutbar.“
Inhaltlich zeigte Neuß allerdings Verständnis für die Forderungen der Lokführer. „Klar ist: Am Ende muss eine Arbeitszeitverkürzung herauskommen. Denn die Arbeitnehmer der Bahn leiden genauso wie die Fahrgäste unter der maroden Situation des Verkehrsnetzes.“
„Wenn ein Zug abends eine oder zwei Stunden zu spät am Zielort ankommt, dann wissen auch die Mitarbeiter der DB AG nicht, wie sie weiterkommen sollen. Deshalb habe ich ein gewisses Verständnis für die Forderung nach einer Arbeitszeitverkürzung.“
Neuß zweifelt daran, dass Bahn und GDL in der Lage sind, ohne Vermittlung eine Lösung im festgefahrenen Tarifstreit zu finden. „In diesem Streik schaukeln sich beide Seiten aus meiner Sicht gegenseitig hoch“, sagte er. „Eine Schlichtung wäre sicherlich sinnvoll – wenn eine dritte Person versucht, die Kuh vom Eis zu holen und die Argumente beider Seiten kritisch analysiert.“
GdL-Chef Weselsky sieht aktuell keine Verhandlungsgrundlage mit DB
Im Tarifkonflikt mit der Deutschen Bahn sieht GdL-Chef Claus Weselsky aktuell keine Verhandlungsgrundlage. „Der rote Riese, wie man ihn oftmals nennt oder die Deutsche Bahn AG, hat ein störrisches Management“, sagte Weselsky am Montag dem ZDF-„heute journal“.
Denn 10.000 Eisenbahner anderer Bahngesellschaften hätten bereits Tarifverträge mit einer abgesenkten Wochenarbeitszeit abgeschlossen.
Die Deutsche Bahn dagegen „versuche zum wiederholten Mal das Rad neu zu erfinden und uns unsere grundrechtlichen Errungenschaften abspenstig zu machen“, so der Chef der Gewerkschaft der Lokomotivführer.
Das Bahnmanagement habe zwar angeboten, die Arbeitszeit um eine Stunde zu senken. Allerdings nur, wenn genügend Personal an Bord sei. Die Bahn halte sich damit „ein Hintertürchen offen und das ist keine Verhandlungsgrundlage“, erklärte Weselsky auf die Frage, warum die GdL auf das neue Angebot nicht eingeht.
Auf den Vorwurf von Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) verantwortungslos zu handeln, antwortete Weselsky: „Herr Minister kümmern Sie sich um Ihr Eigentum. Sie lassen es momentan zu, dass dieses Management Steuermillionen verbrennt in einer sinnlosen Auseinandersetzung.“
Die GdL werde an den Verhandlungstisch kommen, „wenn das Angebot es wert ist, keine Einschränkungen beinhaltet und die Deutsche Bahn AG anbietet über alle unsere Elemente zu verhandeln“, ergänzte Weselsky.
Die Lokführergewerkschaft GDL will die Bahn im schwelenden Tarifkonflikt ab Mittwochmorgen 136 Stunden lang komplett bestreiken.
Bereits ab Dienstagabend, 18 Uhr, soll der Güterverkehr lahmgelegt werden, wie aus einer Mitteilung der Gewerkschaft hervorgeht, die kurz nach 2 Uhr in der Nacht auf Montag verschickt wurde.
Danach folgen dann ab Mittwoch, 2 Uhr, sämtliche Unternehmen der Deutschen Bahn, „inklusive der Infrastruktur“, wie es hieß. Der Streik soll erst am Montag, dem 29. Januar, um 18 Uhr enden.
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Linnemann findet GdL-Streik „nicht verhältnismäßig“
CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann kritisiert den erneuten Bahn-Streik der GdL. „Es hat kaum noch jemand Verständnis für die Streiks“, sagte er am Dienstag den Sendern RTL und ntv.
„Der Arbeitgeber kommt mit einem Angebot und Herr Weselsky sagt, ich schaue mir das gar nicht an, beziehungsweise ich setze mich nicht an den Tisch. Stattdessen wird zum vierten Mal gestreikt. Das ist nicht verhältnismäßig.“ Wenn beide Seiten nicht an den Verhandlungstisch zurückkehren, müsse darüber nachgedacht werden, inwieweit Schlichter hinzugezogen werden müssen, so Linnemann.
Zur „ganzen Wahrheit“ gehöre bei dem Streit aber auch, dass sich die Bahn zuletzt „auch nicht mit Ruhm bekleckert hat“, ergänzte der CDU-Generalsekretär. „Sich in diesen Zeiten einen Bonus von über einer Million zu leisten, ist auch völlig realitätsfremd.“
Darüber hinaus lobte Linnemann die bundesweiten Demos gegen rechts. „Ich finde das richtig klasse, dass so viele gegen Rechtsextremismus auf die Straße gehen.“ Entscheidend sei aber, dass jetzt auch die Politik handele, „und nicht wie die Ampel, über die Köpfe der Menschen hinweg entscheidet.“
Laut Linnemann habe die AfD vor allem von den Unsicherheiten rund um das Heizungsgesetz der Ampel profitiert. „Mittlerweile macht die Ampel in fast allen Bereichen Politik gegen die Mehrheit der Bevölkerung. Da muss man sich nicht wundern, wenn man solche Umfragewerte der AfD sieht.“ Linnemann verwies dabei darauf, dass jeder zweite AfD-Wähler ein Protestwähler sei.
Auf Nachfrage sagte Linnemann, dass sich aber auch die Union nicht aus der Verantwortung ziehen könne. „Es ist auch unsere Aufgabe. Wir müssen auch als Union sagen, was wir besser machen als die Ampel, und das haben wir in unserem Programm neu aufgeschrieben.“ Entscheidend sei aber, dass die gesamte Politik umdenkt und bei sich selbst anfängt: „Die Ministerialbürokratie geht nach oben, immer mehr Beamte, wir haben über 40 Regierungsbeauftragte, der Bundestag wird größer, das Kanzleramt wird erweitert – wenn wir nicht selbst bei uns anfangen, müssen wir uns nicht wundern, wenn es so eine Stimmung gibt wie in diesem Land.“