Höcke-Prozess in Halle (Saale) am 18.04.2024 | Foto: via dts Nachrichtenagentur

Halle (Saale) | aktualisiert | Im Prozess gegen Thüringens AfD-Landeschef Björn Höcke vor dem Landgericht Halle (Saale) hat es am Donnerstag noch keine Entscheidung gegeben. Die Verhandlung wurde auf den nächsten vorgesehenen Termin am kommenden Dienstag vertagt. Dann will sich auch Höcke selbst äußern.

Der erste Prozesstag am Donnerstag war von mehreren Verzögerungen geprägt. Höckes Verteidiger reagierten immer wieder mit Unterbrechungen auf abgelehnte Anträge. So wurde die Anklageschrift erst nach einer Mittagspause ab 13 Uhr verlesen. Die Staatsanwaltschaft kritisierte das Verhalten als „Verzögerungstaktik“.

Höckes Anwälte mit Antrag

Zu Beginn des Prozesses hatten Höckes Anwälte einen Antrag gestellt, die Hauptverhandlung vollständig durch eigene und offizielle Tonaufnahmen zu dokumentieren. Nach dem Verhandlungstag sollten diese zu den Akten gelegt und als Transkription den Beteiligten zur Verfügung gestellt werden. Das Anliegen wurde abgelehnt, da Anträge erst ab zehn Verhandlungstagen gestellt werden dürften.

Weiter zog die Verteidigung Parallelen zu den Gerichtsverfahren gegen den ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump. Bei den Trump-Prozessen erscheine es zweifelhaft, ob eine Jury gefunden werden könne, die „aufgrund der intensiven Berichterstattung nicht befangen“ sei, so Höckes Anwälte. Es bestehe die Befürchtung, dass es sich um einen „politischen Prozess mit öffentlichen Vorverurteilungen“ handele, hieß es weiter. Die Berichterstattung sei „vorverurteilend und aufgeheizt“.

Der Vorwurf der Staatsanwaltschaft gegen Höcke

Die Staatsanwaltschaft wirft Höcke das Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger und terroristischer Organisationen vor. Demnach soll der AfD-Politiker am 29. Mai 2021 in Merseburg auf einer Wahlkampfveranstaltung der Partei seine ca. 22 Minuten lange Rede mit der Formel „Alles für unsere Heimat, alles für Sachsen-Anhalt, alles für Deutschland“ beendet haben, wobei er gewusst haben soll, dass es sich bei dem letzten Teil dieser Formel um eine verbotene Losung der Sturmabteilung (SA) der NSDAP handelt.

Die Anklage war wenigen Wochen vor Prozessbeginn noch erweitert worden. Laut Staatsanwaltschaft soll Höcke die verbotene Losung in „Kenntnis des gegen ihn wegen des Verwendens dieser Losung anhängigen Strafverfahrens und im sicheren Wissen um deren Strafbarkeit“ als Redner bei einer Veranstaltung der AfD in Gera am 12. Dezember 2023 erneut verwendet haben. Er habe den ersten Teil der Losung – „Alles für“ – selbst ausgesprochen, und anschließend das Publikum durch Gesten dazu animiert, den zweiten Teil – „Deutschland“ – zu rufen, so der Vorwurf der Behörde.

Am Donnerstagmorgen wurde der Vorfall in Gera aber wieder von der ersten Anklage getrennt. Als Grund wurde eine Änderung bei Höckes Verteidigern angeführt. Der AfD-Politiker brachte zum Auftakt kurzfristig einen dritten Verteidiger aus München mit. Das Gericht erfuhr erst am Verhandlungstag von der Maßnahme. Die Staatsanwaltschaft beantragte im Prozessverlauf, beide Vorfälle wieder zu verbinden. Die Äußerung in Gera könne sich „strafschärfend ausüben“, hieß es zur Begründung. Außerdem sorge das nicht für eine Verlängerung des Prozesses, da das Video vom Auftritt ohnehin gesichtet werden müsse.

Bosbach zweifelt an Schaden für Höcke durch Prozess um NS-Parole 

Der CDU-Politiker Wolfgang Bosbach, der die Union in den Wahlkämpfen in Thüringen, Sachsen und Brandenburg unterstützen soll, glaubt nicht, dass der Prozess von Halle dem thüringischen AfD-Landeschef Björn Höcke schaden wird. „Die einen werden sagen: `Nee, geht doch nicht` und die anderen werden sagen: `Na und? Ich wähle die AfD nicht trotz Herrn Höcke, sondern wegen Herrn Höcke`“, sagte Bosbach dem Nachrichtensender „Welt“.

Bosbach weiter: „Es gibt ja nicht nur Leute, die sagen `Oh, der steht vor Gericht, dann ist er für mich nicht wählbar`. Es gibt auch Leute, die sagen: `Was ist denn an dem Satz Alles für Deutschland so schlimm`. Bei denen unterstelle ich sogar, jedenfalls größtenteils, dass sie gar nicht wissen, dass es sich hier um eine Losung der Sturmabteilung der Nationalsozialisten handelt und dass dieser Satz eine Straftat darstellt“, so Bosbach. „Aber es wird auch genügend Menschen geben, die um die strafrechtliche Relevanz des Satzes wissen, die sich aber gar nicht daran stören.“

Selbst die „permanente“ negative Berichterstattung würde Höcke nicht schaden, vermutet Bosbach. „Man muss sich von dem Gedanken verabschieden, dass auch die negativen Kritiken, die er ja völlig zu Recht bekommt, Herrn Höcke schaden. Es gibt ja nicht nur Menschen, die die AfD wählen trotz Herrn Höcke, sondern auch wegen Herrn Höcke.“ Die öffentliche Berichterstattung würde Höcke „noch bekannter machen“, glaubt Bosbach. „Durchaus möglich, dass ihm das nutzt.“ Bosbach plädiert für weniger mediale Aufmerksamkeit.

Es sei schwer, Höcke „mit nüchternen Argumenten entgegenzutreten“, findet Bosbach. „Denn Höcke ist der klassische Vertreter der Fraktion, die sich nicht scheut, Halb- oder Unwahrheiten zu verbreiten. Wenn es ihm peinlich wird, dann kann er sich an nichts mehr erinnern. Oder Zitate, die absurd sind, sind plötzlich aus dem Zusammenhang gerissen. Da ist er hemmungslos.“ Bosbach selbst glaubt nicht daran, dass Höcke die SA-Parole ohne tiefere Absicht benutzt hat: „Ich halte es für mehr als unwahrscheinlich, dass ein Geschichtslehrer nicht weiß, dass der Satz `Alles für Deutschland` eine nationalsozialistische Losung ist, genauer gesagt eine Losung der SA. Aber diesen Vorsatz, deshalb diesen Satz genutzt zu haben, den muss man ihm nachweisen. Und das ist die Problematik des Strafprozesses.“

Dem juristischen Urteil im anhängigen Verfahren will Bosbach nicht vorgreifen, aber politisch ziele Höcke ganz grundsätzlich auf eine ganz bestimmte Zielgruppe: „Tatsache ist, dass er ein bestimmtes Klientel in der Bevölkerung bedient, aufstachelt – und dass er natürlich die nationalsozialistische Schreckensherrschaft relativiert. Darin besteht die eigentliche Gefahr für unsere Demokratie, die ja aufgebaut wurde auf den Trümmern der Nazibarbarei, auf den Trümmern des Zweiten Weltkriegs.“

Ob die AfD eine demokratisch legitimierte Partei ist oder nicht, spielt für Bosbach eine untergeordnete Rolle. Entscheidend sei, dass die Inhalte oft antidemokratisch seien. „Es gibt ja nicht wenige, die sagen: `Was soll das? Die AfD ist doch demokratisch gewählt.` Darauf kommt es überhaupt nicht an, sondern ob ihre Politik auch demokratischen Grundsätzen entspricht. Und da liegt ja die eigentliche Problematik, dass die Politik der AfD mit den Werten des Grundgesetzes überhaupt nichts zu tun hat.“ Aber da helfe eben nur Aufklärung, so Bosbach.

Politikberater hält Höckes Rhetorik für Kalkül

Politikberater Johannes Hillje geht davon aus, dass AfD-Politiker Björn Höcke bewusst NS-Vokabular einsetzt. „Es ist vollkommen unglaubwürdig und unvorstellbar, dass ein Geschichtslehrer nicht weiß, was eine zentrale SA-Parole ist und was nicht“, sagte Hillje der „Rheinischen Post“ (Freitagausgabe).

„Wir reden nicht über irgendeine Parole der Nazis, sondern über einen der wichtigsten Slogans der Sturmabteilung. Die Verwendung dieser SA-Parole ist deshalb sehr bewusst und ist ein Teil seiner Strategie, die Sagbarkeitsgrenzen zu verschieben“, so der AfD-Experte. „Das ist eine Strategie, die Björn Höcke schon öfter in Vorträgen oder Texten ausgeführt hat: Es geht darum, Unsagbares so oft zu wiederholen, dass es wieder sagbarer wird und langsam normal erscheint“, erklärte Hillje.

Zugleich versuche Höcke, den Aspekt der Meinungsfreiheit einzubringen. „Er behauptet also, ein gesunder Patriotismus werde mit dem Strafrecht bekämpft – als wäre der Nazi-Slogan eine patriotische Aussage, die von der Meinungsfreiheit gedeckt ist“, so der Politikberater.