17:25 Uhr > Ermittler haben weitere Verdächtige im Visier
Im Fall der rechtsterroristischen "Zwickauer Zelle" sind die Ermittler offenbar weiteren Verdächtigen auf der Spur. Wie Generalbundesanwalt Harald Range nach dem Gipfel zum Rechtsextremismus in Berlin erklärte, gebe es mindestens vier weitere mögliche Mitglieder. Gegen zwei der vier Personen liege mehr vor, sie würden bereits als Beschuldigte geführt, so Range weiter. Zudem würden bereits Überwachungsmaßnahmen laufen. Bisher galten zwei Männer, die sich am 4. November in Eisenach selbst getötet hatten, sowie eine Frau, die sich am 8. November der Polizei stellte, als Mitglieder der "Zwickauer Terrorzelle". Als mutmaßlicher Helfer wurde zudem ein 37-jährige Mann am 13. November in Niedersachsen festgenommen.

Neonazi-Trio sollte offenbar schon 1999 festgenommen werden
Das Thüringer Neonazi-Trio sollte offenbar schon 1999 festgenommen werden. Wie der MDR berichtet, soll eine bereits angelaufene Aktion in letzter Minute gestoppt worden sein. Ein Spezialeinsatzkommando des Landeskriminalamtes (LKA) habe die Verdächtigen zwischen 1998 und 1999 in Chemnitz aufgespürt und einen entsprechenden Einsatzplan gehabt, der anschließend aus bisher ungeklärten Gründen zurückgezogen worden sei. Angeblich habe das LKA auch die Zielfahnder zurückgerufen. Weiterhin ist unklar, wer den Abbruch anordnete. Vor dem Hintergrund der Ermittlungen wollte das Innenministerium in Erfurt bisher keine Aussagen zu dem Vorfall treffen. Das Neonazi-Trio war der Polizei als mutmaßliche Bombenbauer ins Visier geraten. Bei einer Razzia Anfang 1998 fanden die Ermittler eine Werkstatt mit Rohrbomben und Sprengstoff. Anschließend tauchten diese unter. Indessen haben die Ermittler vier weitere Verdächtige im Visier.

Bund und Länder einigen sich auf zentrale Datei
Bei dem Krisengipfel in Berlin einigten sich die Justiz- und Innenminister von Bund und Ländern auf die Einführung einer zentralen Datei für Ermittlungen gegen Rechtsextremisten. Einzelheiten soll eine Arbeitsgruppe festlegen. Nach dem heutigen Sondergipfel forderte NRW-Innenminister Ralf Jäger ein bundesweites Anti-Terrorzentrum auch für den Rechtsterrorismus. Außerdem forderte Jäger die Bundesregierung auf, so schnell wie möglich die Rechtsgrundlage für eine dringend benötigte Speicherung von Strukturen und Netzwerken in der gewaltbereiten rechtsextremistischen Szene und deren Umfeld vorzulegen. Jäger verlangte ein schnelles Handeln der Bundesregierung. Eine Megabehörde des Verfassungsschutzes helfe jedoch nicht weiter. Sie sei von den Problemen viel zu weit entfernt. Eine effektive Terrorismusbekämpfung brauche auch regionale und örtliche Kenntnisse. „Wer jetzt eine Strukturdebatte anfängt, hat nicht begriffen, dass es eine Vertrauenskrise gegenüber den Verfassungsschutzbehörden gibt. Die Menschen wollen aber, dass der Rechtsterrorismus und dessen Nährboden schnell und wirkungsvoll bekämpft werden“, betonte der NRWInnenminister.

10:25 Uhr > Innen- und Justizminister von Bund und Ländern tagen heute
Heute findet eine Konferenz der Innen- und Justizminister von Bund und Ländern zur Bekämpfung des Rechtsterrorismus statt. Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) hat die Länder dazu gedrängt, ihre Verfassungsschutzämter zusammenzulegen. Statt über 16 Landesämter "könnte man auch über drei oder vier nachdenken", sagte Leutheusser-Schnarrenberger der "Süddeutschen Zeitung". Als "unfassbar" bezeichnete es Leutheusser-Schnarrenberger, dass die Zwickauer Zelle mehr als zehn Jahre morden konnte: Die Politik habe "die Dimension des Rechtsextremismus unterschätzt". Die Verfassungsschutzberichte seien "offensichtlich unzureichend" gewesen. Auch der Präsident des Bundeskriminalamts, Jörg Ziercke, forderte, Polizei- und Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder müssten "enger verzahnt werden", so Ziercke im Interview der Tageszeitung "Die Welt" (E-Tag: 18. November 2011).

Auf die umstrittenen V-Leute will Leutheusser-Schnarrenberger dagegen nicht verzichten. Sie forderte jedoch, den Einsatz von Informanten rechtlich neu zu regeln. Wir können nicht beides haben: V-Leute und ein NPD-Verbot", erinnerte die Ministerin an die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts. Der Vorsitzende des Bundestags-Innenausschusses, Wolfgang Bosbach (CDU), will am Einsatz der V-Leute im rechtsextremen Milieu festhalten. Dagegen sprechen sich die Jungsozialisten für eine Abschaffung des Verfassungsschutzes in Bund und Ländern aus. "Ich plädiere dafür, den Verfassungsschutz dann lieber abzuschaffen. Er schadet unserer Demokratie inzwischen mehr als dass er sie stützt", so der Juso-Vorsitzende Sascha Vogt der Tageszeitung "Die Welt" (Freitag-Ausgabe).

Zentralrat der Muslime will Einsicht in rechte "Todeslisten"
Der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime, Aiman Mazyek, beklagt, dass die Sicherheitsbehörden keine Auskunft darüber erteilen, wer auf den bei den Rechtsterroristen entdeckten Listen mit Namen von Migrantenvertretern und Politikern steht. "Wir fordern lückenlose Aufklärung", sagte er der "Mitteldeutschen Zeitung". "Es gibt zum Beispiel diese ominöse Liste mit möglichen prominenten Opfern von Anschlägen. Wir haben bei den Sicherheitsbehörden angefragt. Aber wir haben keine Informationen bekommen. Es wäre sinnvoll, wenn es hier mehr Transparenz gäbe. Das ist auch für die Einschätzung der eigenen Gefährdung ganz wichtig." Mazyek fügte hinzu: "Im Übrigen müssen die ungeklärten Fälle neu aufgerollt werden. Ich denke an die vielen Anschläge auf Moscheen und türkische Wohnhäuser. Und schließlich sehen wir eine geänderte Bedrohungslage für muslimische Einrichtungen und ihre Repräsentanten insgesamt. Wir rechnen hier fest damit, dass der Staat seine muslimischen Bürger schützt." Auch der Vorsitzende der Türkischen Gemeine in Deutschland, Kenan Kolat, beklagte gegenüber dem Blatt mangelnde Auskunft. "Es ist alles so heimlich", erklärte er. "Ich verstehe das nicht." Kolat erfuhr bisher nichts.

Genscher und Scheel fordern Staatsakt für Opfer der Neonazi-Mordserie
In einem gemeinsamen Aufruf haben Altbundespräsident Walter Scheel und der frühere Außenminister Hans-Dietrich Genscher einen Staatsakt für die Opfer der Mordserie gefordert. "Es wird viel über die rechtsextreme Gewalt geredet und auch debattiert. Das ist notwendig und richtig. Aber das Land muss aufgerüttelt werden", sagten die beiden Liberalen der in Berlin erscheidenden Tageszeitung "Die Welt" (E-Tag: 18. November 2011). "Ein Staatsakt für die Opfer wäre angemessen. Die deutsche Geschichte lehrt uns: Wehret den Anfängen." Gestern hatte Joachim Gauck einen derartigen Staatsakt abgelehnt.

Hamburgs Ex-Innensenator Nagel hegt "erhebliche Zweifel" an Selbstmord der Nazi-Terroristen
Hamburgs ehemaliger Innensenator und Ex-Polizeipräsident Udo Nagel hat nach dem Tod zweier Rechtsterroristen aus Thüringen "erhebliche Zweifel" an der Selbstmordtheorie der Ermittlungsbehörden geäußert. Gegenüber der "Bild"-Zeitung (Freitagausgabe) erklärte Nagel: "Solche Tätertypen bringen sich in der Regel nicht selbst um. Ich gehe eher davon aus, dass es innerhalb der Gruppe Stress gab." Das hätten auch Augenzeugen berichtet.

[cs, dts]