15:30 Uhr > NRW-Innenminister Jäger entschuldigt sich bei Angehörigen
Die Landesregierung führte heute eine aktuelle Stunde zu den Anschlägen der "Zwickauer Zelle" durch. In seiner Rede betonte Innenminister Ralph Jäger, dass die Terrorserie ein Anschlag gegen die Freiheit und Demokratie sein. "Es ist ein Terroranschlag gegen Deutschland", so Jäger. Zugleich entschuldigte sich der Innenminister im Namen der Sicherheitsbehörden bei den Angehörigen, dass sie im Zuge der Ermittlungen selbst verdächtigt wurden.

Die Polizei NRW hat inzwischen auch offiziell Ermittlungen zu dem Bombenanschlag in der Probsteigasse am 19. Januar 2011 in Köln aufgenommen. Dabei war eine 19-jährige Deutsch-Iranerin schwer verletzt worden. Ermittelt wird auch wegen des Anschlags 2004 in der Keupstraße in Köln sowie wegen der Ermordung eines türkischen Kioskbetreiber am 4. April 2006 in Dortmund. Auch der Verfassungsschutz NRW habe intensive Überprüfungen aufgenommen. Er prüfe, ob Personen der neonazistischen Szene in NRW Bezüge zu der terroristischen Vereinigung "NSU" haben. Bekannt sei, dass die Szene bundesweit vernetzt ist. Bislang gäbe es jedoch keine Hinweise, dass es Verbindungen zwischen der Neonazi-Szene in NRW und den Mitgliedern der "NSU" gebe.

Kein Schutz für Verfassungsschützer
Eine lückenlose Aufklärung forderte Jäger bei der Frage zu einer möglichen Verbindung der Verfassungsschutzbehörden zu den Terroristen. Auch wenn der Verfassungsschutz den Auftrag hätte, verdeckt zu agieren, müsse er sich an den rechtsstaatlichen Rahmen halten- "Er darf nicht vor Strafe geschützt, sondern muss verurteilt werden", so Jäger. Morgen wollen sich nun die Innen- und Justizminister des Bundes und der Länder treffen, um zu besprechen, auf welchem Weg der Informationsaustausch über gewaltbereite Personen zwischen den Sicherheitsbehörden optimiert werden kann.

"Bild": Verfassungsschützer führte V-Mann beim Thüringer Heimatschutz
Ein mittlerweile versetzter ehemaliger Verfassungsschützer aus Hessen soll jahrelang einen V-Mann beim Thüringer Heimatschutz geführt haben. Das berichtet die Onlineausgabe der "Bild"-Zeitung unter Berufung auf parlamentarische Kreise. Aus dem Heimatschutz war die "Zwickauer Terrorzelle" entstanden, die für zehn Morde verantwortlich sein soll. Der V-Mann habe dazu auch ein Mitglied der rechtsextremen türkischen "Grauen Wölfe" geführt. Der ehemalige Verfassungsschützer soll sich beim letzten Mord der sogenannten "Döner-Mord"-Serie unmittelbar vor den tödlichen Schüssen am Tatort in einem Internet-Café in Kassel aufgehalten haben. In einem Ermittlungsverfahren gegen den Mann waren damals bei einer Hausdurchsuchung neben rechtsradikalen Schriften auch Waffen gefunden worden. Laut "bild.de" habe die Polizei auch verbotene Munition sichergestellt.

Konfliktforscher sieht Rechtsextremismus als längst etabliert an
Nach Ansicht des Bielefelder Konfliktforschers Andreas Zick ist der Rechtsextremismus in Deutschland längst etabliert. "Wir haben seit Jahren eine immer härtere Form rechter Gewalt. Dass sich dann eine Terrorzelle bilden kann, lag nahe, war absehbar",  sagte der Wissenschaftler der Zeitung "Westfalen-Blatt". In der Vergangenheit sei "bei Straftaten mit rechtsradikalem Hintergrund nicht so genau hingeguckt" worden. "Der Rechtsextremismus ist sehr stark etabliert. Das sind nicht nur rechtsextreme Parteien, die in Parlamenten agieren. Die gewaltbereiten Rechten, die jederzeit zuschlagen könnten, werden auf 5.000 bis 6.000 Personen geschätzt. "Nicht nur der Verfassungsschutz hat Fehler gemacht. Viele Bürger haben die Gardinen zugezogen, um das Problem nicht sehen zu müssen", so Zick. Ein Lösungsansatz sei es, Aussteigern aus der rechten Szene zu helfen. "Dazu braucht es mehr Geld für Aussteigerprogramme wie `Exit` oder die Plattform `Netz gegen Nazis`. Sie sind unterbesetzt und nur für wenige Jahre finanziert, danach verschwinden sie." Hier müsse nun investiert werden, sagte Zick.

10:10 Uhr > Gauck lehnt Staatsakt für die Opfer des rechten Terrors ab
Der SPD-Innenpolitiker Dieter Wiefelspütz hat die einseitige Orientierung der Sicherheitspolitik am islamistischen Terrorismus beklagt und sich bei dieser Kritik auch selbst einbezogen. Der Bürgerrechtler und evangelische Pastor Joachim Gauck hat einen Staatsakt für die Opfer der rechtsextremistischen Terroristen aus Zwickau abgelehnt. "Von dem Vorschlag, für die Opfer der gerade bekannt gewordenen Mordserie von Neonazis einen Staatsakt zu veranstalten, halte ich nichts", sagte er der "Welt". Ein Trauergottesdienst oder ein staatlicher Trauerakt schienen ihm nicht "die richtige Form zu sein, um Toter zu gedenken, deren Ermordung schon so lange zurückliegt". Ein Staatsakt könne nur eine unmittelbare Reaktion auf ein Ereignis sein. Gauck forderte eine wehrhafte Demokratie, die sowohl vom Staat als auch den Bürgern ausgehe: "Überall im Land gibt es breite Bürgerbündnisse, wenn sich Rechtsextremisten zusammenrotten." Diese Bürger müssten ermutigt werden. "Das erscheint mir wichtiger, als erneut nach dem Verbot der NPD zu rufen", sagte Gauck.

10:00 Uhr > SPD-Innenpolitiker Wiefelspütz gibt Fehler in Sicherheitspolitik zu
Der SPD-Innenpolitiker Dieter Wiefelspütz hat die einseitige Orientierung der Sicherheitspolitik am islamistischen Terrorismus beklagt und sich bei dieser Kritik auch selbst einbezogen. "Die Schwerpunkte sind in den letzten Jahren falsch gesetzt worden", sagte er der "Mitteldeutschen Zeitung". "Wir müssen sie in Zukunft anders setzen." Unter anderem müsse man "intensiver reden über Rechtsextremismus in der Mitte unserer Gesellschaft. Ich habe das Gefühl, dass sich das verfestigt." Wiefelspütz fügte hinzu: "Wenn Sie mich vor zehn Tagen gefragt hätten, ob es in Deutschland Terrorismus gibt, dann hätte ich gesagt: Ja, wir haben islamistischen Terrorismus. Wir haben aber keinen Linksterrorismus und keinen Rechtsterrorismus. Offenbar ist die Antwort falsch gewesen. Insoweit haben wir uns alle selbstkritisch zu prüfen." Ausschlaggebend seien die Anschläge des 11. September 2001 in New York und Washington gewesen. "Es sicherlich so, dass der Verfassungsschutz stark umgebaut worden ist in Richtung islamistischen Terrorismus", so Wiefelspütz. "Damals sind die Schwerpunkte anders gesetzt worden." Das müsse man nun korrigieren.

[dts]