Alice Schwarzer trägt sich auf Einladung von Kölns Oberbürgermeistern Henriette Reker am 5. Dezember ins Gästebuch der Stadt Köln ein. | Foto: Bopp

Köln | Alice Schwarzer wurde am 3. Dezember 80 Jahre alt. Kölns Oberbürgermeisterin Henriette Reker lud Schwarzer in den Muschelsaal des Historischen Rathauses ein und die trug sich ins Gästebuch der Stadt Köln ein. Eine Zusammenfassung der Reden des Nachmittags und auch der Enthüllungen.

Der Empfang im Muschelsaal des Historischen Rathauses zu Ehren von Alice Schwarzer. | Foto: Bopp

Reker lobte den Mut und die Hartnäckigkeit Schwarzers

Oberbürgermeisterin Henriette Reker kokettierte ein wenig damit, dass sie seit 7 Jahren als Frau der Stadt vorstehe und dass dies Alice Schwarzer gefallen müsse. Reker nannte die Gleichstellung der Geschlechter, der Emanzipation, der gesellschaftlichen Stellung von über 50 Prozent der Bevölkerung Deutschlands das Lebensthema von Alice Schwarzer. „Ihnen ist es gelungen den Feministinnen – zu denen ich mich auch zähle – seit den 1970er Jahren eine unüberhörbare Stimme zu geben. Das war und es ist immer noch wichtig.“

Reker stellte heraus, dass Schwarzer nicht nur als Journalistin oder Autorin, sondern auch als Aktivistin aktiv geworden sei, die bedeutende Kampagnen initiiert habe. Schwarzer sei einer breiten Bewegung vorausgegangen. Reker erinnerte an die Titelgeschichte des Magazins „Stern“ und deren Titel „Wir haben abgetrieben“. Reker lobte den Mut und die Hartnäckigkeit Schwarzers mit der diese immer wieder für die Gleichstellung gekämpft und dabei scharf argumentiert und sich streitbar gezeigt habe. Dies seien Attribute, die vor dem Wirken Schwarzers vornehmlich als Männlich galten.

„Mir wurde das bewusst bei einem Dokumentarfilm über Alice Schwarzer, den ich sehen durfte“, so Reker. Schwarzer habe sich in dem Film gegenauso benommen, wie ihr männliches Gegenüber als sie einander gegenüber saßen. Der sei verblüfft gewesen und dem sei nichts mehr eingefallen.

Schwarzer habe sich nie von ihrem Weg abbringen lassen und nie auf die Beliebtheitswerte geschaut. „Ihre Überzeugungen waren immer wichtiger“, lobt Reker. Für Ausdauer, wie sie Schwarzer repräsentiere, stehe auch die ‚Emma‘. „Ich darf sagen ich bin froh und stolz, dass die ‚Emma‘-Redaktion hier in Köln beheimatet ist und sich unsere Stadt als Hauptstadt des Feminismus bezeichnen kann.“

„Ihre Verdienste um die Befreiung der Frauen, vor allem meiner Generation sind unbestritten“, attestiert Reker. Reker outete sich, dass sie ihrem ersten Mann in den ersten vier Monaten ihrer Berufstätigkeit verheimlicht habe, dass sie arbeiten gehe. Ihre Schwiegermutter habe sie dabei unterstützt. In einem leidenschaftlichen Plädoyer machte Reker deutlich, dass Frauen alles werden können was sie wollen, wenn sie sich alles zutrauen. Und das dies so sei, sei auch ein Verdienst von Schwarzer. Reker wünscht sich eine Welt die sich nicht an der Kategorie Geschlecht, sondern Mensch orientiere.

Die Klimabewegung werde mehr von den jungen Frauen getragen, die Lasten der Pandemie schulterten die Frauen mehr und die Frauen kümmerten sich mehr um ihre Kinder, wer den sonst, stellte Reker fest.

Alice Schwarzer: „Köln muss versuchen seine Seele zu schützen“

Das ist ja eine fantastische Geschichte, die kann „Emma“ sich ja nicht so ausdenken, freute sich Alice Schwarzer über den Empfang von Oberbürgermeisterin Henriette Reker und meinte damit das Outing der OB zu ihrer ersten Arbeitsstelle. Dann sprach Schwarzer über ihren Bezug zu Köln. Sie sei Wuppertalerin und aus Elberfeld und diese Stadt als protestantische Stadt keine Hochburg des Karnevals. Schwarzer erzählte von ihrer Großmutter, die eine frenetische Rheinländerin gewesen sei und der Großvater sei aus Schlesien. Schwarzer wuchs bei ihren Großeltern auf.

„Alice Schwarzer – eine stolze Wahl-Kölnerin“

schrieb Alice Schwarzer ins Gästebuch der Stadt Köln

„Woher dieses Karnevalsgen in mich eingeschlüpft ist, das kann ich nicht belegen“, so Schwarzer. „Aber dieser arme Großvater aus Schlesien wurde ab meinem circa achten Lebensjahr gezwungen mit mir nach Köln zu fahren. Und dann stürmte ich mehr oder weniger wild kostümiert – manchmal auch als Prinzessin mit Tüllrock – stürmte ich raus. Und mein Liebstes war es, daran erinnere ich mich, wenn ich draußen einen Polizisten stehen sah, schrie ich Do steht ene Schutzmann“. In meinen Erinnerungen fanden die das überwiegend nicht ganz so lustig.“ So habe ihre Liebe zu Köln begonnen.

„25 Jahre später bin ich nachdem ich allerhand Umwege gemacht habe, hier wieder gelandet. Ich kam aus Berlin. Und wenn man dann wieder hier ist kann einem nur das Herz aufgehen.“

Schwarzer sagte auch, dass damals „alle“ damit rechneten, dass sie nach Hamburg gehen würde. Sie sei nach Köln gekommen unter dem rationalen Vorwand, dass sie hier besonders viele potentielle Kolleginnen finden würde. Schwarzer nennt exemplarisch den „WDR“. Schwarzer: „Da wurde dann nix draus. Ich bin mir dann selber irgendwann auf die Schliche gekommen. Als zweiten Grund für Köln hatte ich mir innerlich gesagt: Das ist so nah an Paris.“ Sie sei aber auch nach Köln gekommen, da dies ein Stück Heimat sei. Köln könne sie gar nicht so ärgern, dass sie es nicht mehr lieb habe.

Sie schätze es sehr, dass das Stadtoberhaupt weiblich sei. Sie durfte 12 Menschen eingeladen, habe aber 14 gewählt. Diese seien für sie repräsentativ für Köln. Es seien Kollegen, ein Arzt, die Dombaumeisterin oder der Intendant des Schauspielhauses. Köln sei eine Stadt der Charaktere und Persönlichkeiten, wertet Schwarzer. Köln sei eine emotionale Stadt. „Ich habe das von Anfang an gespürt als ich herkam. Da ging ich zum ersten Mal in eine Brasserie – ich glaube es war Päffgen – da fiel mir auf, dass dort Frauen alleine sassen und ihr Kölsch tranken, auch kleine Grüppchen. Die Kölner selbst werden das gar nicht merken. Die gelassene Präsenz von Frauen, auch von älteren Frauen ist in dieser Stadt auffallend, wenn man von außen kommt.“

Sie denke gerne an die frühen Jahre von „Emma“, als diese am Kolpingplatz war, zurück. Am Heumarkt seien viele Frauen mit Handtaschen gewesen, die man so zuknöpfte und am Arm hängen hatte. Diese hätte ihren Klosterfrau Melissengeist oder Jägermeister herausgeholt. Das sei schön gewesen und sei ein bischen in Gefahr. Köln müsse versuchen seine Seele zu schützen, wünscht sich Schwarzer. Als Bewohnerin der Altstadt wisse sie, diese sei gefährdet schwer gefährdet. Da müsse richtig was passieren. Sie wisse nicht, wer der oder die Seelenbeauftragte in der Stadt sei. „Wenn ich dazu beitragen kann als Bürgerin oder ehrenamtlich, tue ich das gerne“.

ag