Köln | aktualisiert | Seit den Morgenstunden sammelten sich mehrere tausend Kurden am Ebertplatz. Eigentlich sollte der Demonstrationszug gegen 11 Uhr starten, aber es verspäteten sich Busse mit Demonstrationsteilnehmern und die Polizei sah zunächst die von ihr verfügten Auflagen nicht erfüllt. Um 12:30 Uhr startete die Demonstration und zog über die Ringe in die Magnusstraße. Dort löste die Polizei die friedliche Versammlung um 14:39 Uhr auf. Der Grund: Die Teilnehmer zeigten das Abbild Abdullah Öcalans. Zu der Demonstration hatte die Nav Dem unter dem Motto „Die Alternative lebt! Überall ist Afrin– überall ist Widerstand!“ aufgerufen.
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Fotostrecke: Kurden demonstrieren für Frieden in Afrin in Köln >
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Klare Sprache gegen Erdogan

Schon bei der Aufstellung des Demonstrationszuges forderte die Polizei immer wieder mit Nachdruck die Veranstalter auf, das Zeigen von Fahnen mit dem Abbild Öcalans zu unterbinden. Kurz bevor der Demonstrationszug sich auf den Weg machte, waren auch nur noch vereinzelt „Öcalan“-Fahnen zu sehen. Lange Zeit war unklar, ob die Polizei den Zug überhaupt starten lassen werde. Zu dieser Verunsicherung trug bei, dass die Polizei kurzfristig Beamte und Fahrzeuge so platzierte, dass es aussah als wolle sie einen Kessel bilden. Mit lautstarken Sprechchören warfen die Demonstrationsteilnehmer dem türkischen Präsidenten Erdogan vor, Kinder und Frauen zu ermorden und dass er, wie ein Diktator handele. In den Wortbeiträgen gab es viel Kritik an Bundesaußenminister Siegmar Gabriel und den Waffenexporten der Bundesregierung und den Einsatz von Panzern aus deutscher Produktion gegen die Kurden in Nordsyrien. Die Kritik wurde aber nicht nur mündlich, sondern auch auf vielen Transparenten deutlich gemacht. Da wird Erdogan in der Uniform eines SA-Mannes dargestellt und Plakate mit der Aufschrift „Erdogans Krieg stoppen“ hochgehalten. Manche Demonstrationsteilnehmer haben auch Olivenzweige dabei, denn die Türkei gab ihrer Militäroffensive den Titel „Operation Olivenzweig“.

Die Kurden sind aus ganz Deutschland angereist. Die Zahlen der Demonstrationsteilnehmer variieren zwischen 15. bis 20.000 Menschen. Sie demonstrieretn friedlich, argumentierten und diskutierten. Gar kein Verständis zeigten sie dafür, dass sie das Bild Öcalans nicht zeigen dürfen, den sie wie eine Vaterfigur verehren. Gerüchte wonach die Polizei vereinzelt Busse angehalten habe und diese nicht zur Demonstration durchließ, dementiert die Kölner Polizei. Rund um den Ebertplatz und auf der Demoroute kam es nicht, wie im Vorfeld von der Polizei befürchtet, zum Aufeinandertreffen nationalistisch gesinnter Türken und Kurden. Schon kurz nach dem Start der Demonstration entrollten die Demonstranten ein riesiges Erdogan-Transparent. Die Polizei intervenierte kurz, aber der Zug konnte weiterlaufen.


Plötzlich waren hunderte Fahnen mit dem Porträt Öcalans im Demonstrationszug

Fahnen weitergereicht – in Gewahrsam

Zwei Personen sollen im Laufe der Demonstration an der Straße im Klapperhof Fahnen an die Teilnehmer herausgegeben haben. Diese wurden von der Kölner Polizei in Gewahrsam genommen. Auf der Magnusstraße kurz nachdem die Spitze des Demonstrationszuges den Römerturm erreichte, stoppte die Polizei die Demonstration und kesselte die Spitze ein. Dort war es mittlerweile ein Fahnenmeer an Öcalan-Flaggen. Die Polizei bat die Versammlungsteilnehmer die Fahnen niederzulegen, dann könne auch der Demonstrationszug weiterlaufen. Dies geschah nicht. Wasserwerfer fuhren auf. Um 14:39 Uhr löste die Polizei die Versammlung auf. Die Versammlungsteilnehmer entfernten sich durch eine Polizeischleuse.

Geste an die türkische Regierung?

Die PKK ist in Deutschland seit November 1993 verboten. Damit dürfen auch die Symbole, Logos und Kennzeichen der kurdischen Arbeiterpartei nicht gezeigt werden. Das PKK Verbot ist von Anbeginn an nicht unumstritten. Vor allem Linke kritisieren es. In einigen Prozessen war daher die Fahne mit dem Abbild Öcalans Thema und die Richter entschieden uneinheitlich. Daher konkretisierte Bundesinnenminister de Maiziere die verbotenen Zeichen und verfügte, dass das Zeigen des Öcalan Bildes auf gelbem Grund dazugehöre.

Das Zeigen von Öcalan-Fahnen ist in Deutschland verboten seit Bundesinnenminister de Maiziere dies im März 2017 verfügte. Politische Kommentatoren werteten diesen Erlass als Geste an die türkische Regierung und die Recep Tayyip Erdogan. Denn die türkische Regierung kritisierte die Bundesregierung wiederholt und sprach von einer laschen Haltung gegenüber der PKK in Deutschland. Dies dementierte das Bundesinnenministerium damals. Aus diesem Grund hatte die Kölner Polizei, nachdem es bei einer Demonstration im Herbst 2017, zu Unklarheiten gekommen war, die Auflage erteilt, dass kein Bild des Kurdenführers Öcalan gezeigt werden dürfe. Dagegen haben die Demonstrationsteilnehmer zu großen Teilen verstoßen.


Am Ebertplatz fuhr die Polizei noch einmal mit Wasserwerfern vor

Böller am Ebertplatz

Nach der Auflösung verstreuten sich die kurdischen Demonstrationsteilnehmer sehr schnell. Kurze Zeit später kam es zu Böllern die gezündet wurden und vereinzelten Plastikflaschenwürfen in Richtung Polizei. Die Kölner Polizei spricht davon, dass auch Steine und Fahnenstöccke in Richtung der Beamten geworfen wurden. Auch hier fuhr die Kölner Polizei mehrere Wasserwerfer auf, die aber nach aktuellen Erkenntnissen nicht eingesetzt wurden. Nach Angaben der Polizei wollte die Anmelder der Demonstration nach deren Auflösung um 14:39 Uhr in der Zeughausstraße eine weitere Versammlung am Ebertplatz anmelden. Diese Anmeldung akzeptierte die Kölner Polizei aber nicht, da die Anmelder schon zuvor nicht in der Lage gewesen sei, Rechtsverstösse einzudämmen und zu verhindern, so ein Sprecher der Kölner Polizei.

Kritik am Vorgehen der Polizei

Petra Kipping, Bundesvorsitzende der Partei Die Linke, nannte das Polizei-Vorgehen in einem Pressegespräch unangemessen. Hier sei offensichtlich Druck von oben aus der Politik erfolgt. Kipping sollte ursprünglich auf der Schlusskundgebung reden. Sie forderte, dass die deutsche Politik statt Panzer für die Türkei nachzurüsten die Kurden unterstützen müsse, die als einzige Partei im syrischen Bürgerkrieg Religionsfreiheit und die Gleichstellung der Frau umsetzten. Die Frage, ob das Mitführen der Öcalan-Fahnen nicht vom eigentlichen Ziel der Protestaktion ablenke, beantwortete sie nicht. Ayten Kaplan nach der Auflösung auf dem Ebertplatz: „So habe ich mir diese Veranstaltung nicht vorgestellt. Ich wusste nicht, dass ein Bild von Öcalan so erschrecken kann.“

In einer Mitteilung der Nav Dem heißt es: „Unsere heutige Großdemonstration in Köln für ein Ende des türkischen Angriffskrieges auf Afrin wurde aufgrund von Polizeirepressionen vorzeitig gestoppt und für beendet erklärt. Das Vorgehen der Kölner Polizei hat nochmals unter Beweis gestellt, wie unser Recht auf Versammlungsfreiheit in Deutschland derzeit eingeschränkt wird. Die Polizei hat wegen dem Zeigen von vermeintlich verbotenen Symbolen eine absolut friedliche Großdemonstration vielfach unterbrochen, schließlich durch das Heranziehen von Wasserwerfern sowie die Einkesselung von rund tausend Demonstranten völlig gestoppt und für augelöst erklärt. Von Seiten der Polizei war letztlich keinerlei Dialogbereitschaft mehr zu erkennen. Die Haltung der Polizei ist völlig unverhältnismäßig und unverantwortungsvoll. Innerhalb des eingekesselten Teils der Demonstration befinden sich Kinder und ältere Menschen. Zehntausende Menschen sind heute nach Köln gereist, um gegen einen Krieg zu demonstrieren, der auch mit deutschen Waffen geführt wird. Allerdings wurde ihnen heute dieses Grundrecht genommen.“

So entschied die Kölner Polizei

Die Kölner Polizei erläuterte im Nachgang noch einmal ausführlich ihre Entscheidungen. Die Demonstration sei aufgelöst worden, weil es fortlaufend massive Verstöße gegen das Versammlungsgesetz und die Auflagen gegeben habe. Die Versammlungsteilnehmer trugen Fahnen, Westen und T-Shirts mit einem aufgedruckten Abbild von Abdullah Öcalan. Die Polizei stellt fest, dass man bereits im Vorfeld der Demonstration angekündigt habe in einem solchen Fall gegen die Rechtsverstöße vorzugehen.

Die Kölner Polizei: „Die Versammlungsleiterin und ihre Ordner konnten ein weiteres flächendeckendes Zeigen von verbotenen Symbolen nicht verhindern. Um die fortwährenden Rechtsverstöße zu beenden löste der Polizeiführer schließlich die Versammlung auf.“

Autor: Andi Goral, ehu