Das EU-Pressefoto zeigt die Präsidentin der EU-Kommission Ursula von der Leyen bei ihrer Rede vor dem europäischen Parlament am 6. April 2022. Foto: Christophe Licoppe/Europäische Union

Köln | Liveblog wird ständig aktualisiert | red, dts | Die russischen Streitkräfte haben den Norden der Ukraine vollständig geräumt. Die Kämpfe verlagern sich in den Osten und Süden. In Polen stieg EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen in einen Zug nach Kiew. Ukrainische Flüchtlinge sollen einen Anspruch auf Hartz IV erhalten. Über die Ereignisse in der Ukraine, die Situation der Flüchtlinge sowie politische Reaktionen berichtet report-K im Liveblog.

Das Symbolfoto zeigt einen Kampfjet F-35 der norwegischen Luftwaffe.

Airbus kritisiert Bundesregierung für Kauf von US-Kampfjets   

20:35 Uhr> Der europäische Luft-, Raumfahrt- und Rüstungskonzern Airbus kritisiert die Bundesregierung für ihren jüngsten Kauf von US-amerikanischen F-35-Kampfjets. „Es ist ein bedauerliches Signal, wenn Aufträge der europäischen Verteidigung an nichteuropäische Unternehmen vergeben werden“, sagte der Airbus-Vorstandsvorsitzende Guillaume Faury der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ (FAS).

„Diese strategischen Rüstungsinvestitionen sollten überwiegend europäischen Unternehmen zugutekommen, um die Autonomie Europas in seiner Verteidigungsfähigkeit zu stärken. Ich kann die deutsche Regierung nur ermutigen, hier langfristig zu denken und den Aufbau einer europäischen strategischen Autonomie zu fördern, insbesondere dann, wenn die Lösungen in Europa verfügbar sind“, sagte Faury weiter.

Er hofft auf Aufträge zum Ersatz der Tornado-Kampfflugzeuge der Luftwaffe. „Man sollte nicht vergessen, dass ein Großteil der Tornados – jene in der konventionellen Kampfbomber-Rolle – noch ersetzt werden muss. Hierfür sehen wir unseren Eurofighter bestens geeignet. Nur jene Tornados, die amerikanische Atomwaffen transportieren, werden durch F-35 ersetzt. Bedauerlicherweise ist für diese nukleare Teilhabe aktuell kein Eurofighter zertifiziert.“

Die Verhandlungen mit dem Wettbewerber Dassault über das künftige Kampfflugzeug-System FCAS sieht Faury trotz skeptischer Äußerungen kurz vor dem Abschluss. „Ein paar Wochen werden wir noch brauchen. Eine Einigung liegt im Interesse aller Parteien, und wir sind sehr nah dran.“

Die Rohstoffversorgung, vor allem beim wichtigen Titan, sieht er auch bei möglichen Sanktionen gegen Russland gesichert. Airbus bezieht rund 50 Prozent seines Titans aus Russland. „Wir haben die Lagerhaltung ausgebaut, um – wenn erforderlich – die Zeit zu überbrücken, bis wir andere Bezugsquellen nutzen können.“

Mit der Lagerhaltung könne man einen Lieferstopp kurz- und mittelfristig überbrücken. Faury warnte vor solchen Sanktionen. „Sie würden Russland kaum schaden, weil sie dort nur einen kleinen Teil der Exporterlöse ausmachten. Aber sie würden die ganze europäische Luftfahrtindustrie massiv schädigen.“ Faury bekräftigte auch die Ziele für 2022. Trotz Ukraine-Krieg peile Airbus weiter ein Ebit von 5,5 Milliarden Euro und die Auslieferung von 720 Flugzeugen an, ein Anstieg um 20 Prozent, so stark wie noch nie in der Firmengeschichte. Die Produktion des wichtigsten Produkts, der A320, werde bis Sommer 2023 auf 65 Maschinen im Monat steigen.

Derzeit sind es 45. „Der Krieg ändert nicht, dass die Menschen wieder reisen wollen und es auch werden, wenn Quarantänen, Einreisekontrollen und die Unsicherheit verschwinden“, sagte Faury. „Wir dürften bei Kurz- und Mittelstreckenflügen 2023 wieder das Vorkrisenniveau erreichen, bei Langstrecken etwa 2025.“


Scholz und Johnson wollen schnellere Unabhängigkeit von Russland   

20:33 Uhr > Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und sein britischer Amtskollege Boris Johnson haben am Freitag bei einer gemeinsamen Pressekonferenz im Rahmen von Scholz` Antrittsbesuch in London betont, schneller unabhängig von russischen Energieimporten werden zu wollen. „Wir müssen jeden Teil der russischen Volkswirtschaft attackieren. Wir müssen uns freimachen vom russischen Öl und Gas“, sagte Johnson mit Blick auf den russischen Angriffskrieg in der Ukraine.

„Wir tun das Beste, um unabhängig zu werden und wir werden erfolgreich sein“, sagte Scholz. Den Angriff auf den Bahnhof der ostukrainischen Stadt Kramatorsk, bei dem am Freitag mindestens 39 Menschen getötet worden sind, verurteilte Scholz. „Die Tötung von Zivilisten ist ein Kriegsverbrechen“, sagte er.

Auch Johnson zeigte sich entsetzt von dem Angriff: „Es ist ein Kriegsverbrechen, einfach Zivilisten anzugreifen und die Verbrechen werden geahndet werden.“ Derweil sicherte Johnson der Ukraine weitere Unterstützung in Form von Waffenlieferungen zu. „Großbritannien und Deutschland müssen sich zusammentun, um die Ukraine mit militärischen Gerät zu unterstützen. Wir werden weitere Militärgüter schicken, auch Luftabwehr“, sagte Johnson.


Auch Deutschland gibt Teil der Öl-Reserven frei   

20:32 Uhr > Auch Deutschland gibt einen Teil seiner Öl-Reserven frei. Die Bundesregierung beteilige sich „zeitlich gestuft über die kommenden 6 Monate“ an einer weiteren Ölfreigabe der Internationalen Energieagentur (IEA), teilte das Wirtschaftsministerium am Freitagabend mit. In der Sondersitzung des IEA-Verwaltungsrates auf Ministerebene am 1. April hatten alle Mitgliedstaaten den von den USA initiierten und eingebrachten Beschluss über die Freigabe von Ölreserven im Umfang von 120 Millionen Barrel grundsätzlich mitgetragen.

„Deutschland leistet erneut seinen Beitrag entsprechend dem deutschen Anteil von 5,4 Prozent am Mineralölverbrauch der IEA-Länder“, hieß es dazu am Freitag aus dem Ministerium. „Der in der IEA abgestimmte Schritt soll auch zur Beruhigung der Märkte und Stabilisierung der Preise dienen“: sagte Staatssekretär Patrick Graichen. Der Erdölbevorratungsverband soll in Absprache mit dem Ministerium die entsprechenden Mineralölvorräte den Unternehmen der Mineralölwirtschaft zum Kauf zu Marktpreisen anbieten.

Aktuell sei die Versorgung gesichert und es gebe in Deutschland keine Einschränkung bei der Versorgung mit Rohöl und Mineralölprodukten. Der deutsche Anteil von 5,4 Prozent umfasse rund 6,5 Millionen Barrel. Das entspreche rund 4 Prozent der deutschen Mineralölreserve, hieß es aus dem Wirtschaftsministerium.

Nach einer Freigabe dieser Menge würde das die Reichweite der strategischen Reserven nur um rund 3,5 Tage reduzieren.


Von der Leyen besucht Ukraine – Viele Tote bei Angriff auf Bahnhof   

20:31 Uhr > EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat am Freitag in der Ukraine die Hauptstadt Kiew und den Vorort Butscha besucht. Dort waren nach dem Rückzug russischer Truppen Leichen von getöteten Zivilisten auf den Straßen gefunden worden. Bei einem Gespräch mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj überreichte von der Leyen symbolisch einen Fragebogen, der mögliche EU-Beitrittsverhandlungen vorbereiten soll.

„Den füllen wir innerhalb einer Woche aus“, sagte Selenskyj. Unterdessen kamen bei einem Angriff auf einen Bahnhof in Kramatorsk im Osten des Landes nach ukrainischen Angaben mindestens 50 Menschen ums Leben. Angeblich sollen dort nur Zivilisten und keinerlei Soldaten gewesen sein.

Von diesem Bahnhof versuchen regelmäßig viele Menschen, in den Westen des Landes zu flüchten. Russland bestritt eine Verantwortung für den Raketenangriff.



EU fürchtet russische Auftragsmorde   

13:11 Uhr > Der EU-Antiterrorbeauftragte Ilkka Salmi warnt davor, dass durch den Ukrainekrieg auch die Sicherheit innerhalb der Europäischen Union bedroht werden könnte. Bei einem Treffen der EU-Innenminister Ende März sprach der Finne laut Teilnehmern von möglichen Vergeltungsmaßnahmen Russlands durch Cyberangriffe, wie der „Spiegel“ berichtet. Auch von Russland angestiftete politische Morde in der EU könnten nicht ausgeschlossen werden, sagte Salmi.

Bedenklich sei auch, so berichtete er demnach in Brüssel, dass Rechtsextremisten aus der EU zum Kämpfen in die Ukraine gereist seien. Für die russische Seite kämpfen dort laut Salmi Ultranationalisten aus Serbien und Bosnien. Auch die vielen Waffen, die nun in der Ukraine im Umlauf seien, könnten zum Problem werden, warnte er.

„Die große Verbreitung von Schusswaffen kann auf lange Sicht zu einem erheblichen Risiko für die EU werden“, sagte der Finne dem „Spiegel“ auf Nachfrage. „Terroristen und Kriminelle könnten das Kriegschaos ausnutzen, um Waffen zu stehlen oder weiterzuverkaufen.“ Er sei auch besorgt über ein zwar unwahrscheinliches, aber folgenschweres Szenario, wonach „chemische und nukleare Stoffe in den falschen Händen landen“ könnten.



ÖPNV fordert wegen Ukrainekrieg 1,5 Milliarden Euro vom Bund    

13:09 Uhr > Der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) fordert zusätzlich 1,5 Milliarden Euro vom Bund, um Mehrkosten auszugleichen, die wegen des Ukrainekriegs auf den ÖPNV zukommen. Das berichtet der „Spiegel“ in seiner neuen Ausgabe. Bei den Energiekosten drohten „weitere dramatische Steigerungen“, die sich nicht durch die beschlossenen Steuersenkungen kompensieren ließen, heißt es in einem Schreiben des VDV an Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) vom 5. April.

Die Lage sei schwierig, weil die ohnehin steigenden Personal-, Energie- und Infrastrukturkosten nicht durch den ÖPNV-Rettungsschirm abgedeckt seien; eingeplante Ticket-Mehreinnahmen seien pandemiebedingt ausgeblieben. Die Ampel aber habe durch ihre Beschlüsse zum 9-Euro-Ticket Anreize für mehr Fahrgastaufkommen gesetzt. „Es drohen Einschränkungen im ÖPNV-Angebot“, heißt es.

Der VDV erwarte bei der anstehenden Novellierung des Regionalisierungsgesetzes einen Mehrkostenausgleich von 1,5 Milliarden Euro.



Lindner: Bundesregierung einigt sich auf Hilfspaket für Firmen   

10:24 Uhr > Die Bundesregierung hat sich offenbar auf ein Hilfspaket für Unternehmen geeinigt, die unter den Folgen des Ukraine-Krieges leiden. Finanzminister Christian Lindner (FDP) sagte am Freitag im Bundestag, er werde am Mittag zusammen mit Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) bekanntgeben, „welche zusätzlichen Unternehmenshilfen“ geplant seien. „Nichtstun ist in dieser Lage keine Option“, sagte Lindner.

Die Bundesregierung werde „geschlossen handeln“, und anders als in der Corona-Pandemie „gezielt“, sagte Lindner. Unternehmen, die bislang rege mit Russland Handel treiben, sind von den verschiedenen Sanktionspaketen betroffen. Seit über sechs Wochen führt Russland einen Angriffskrieg in der Ukraine, viele Tausend Menschen kamen dabei schon ums Leben.


Finnischer Präsident bestätigt Pläne für NATO-Beitrittsantrag   

8:23 Uhr > Der finnische Präsident Sauli Niinistö rechnet mit einem Parlamentsmandat für einen baldigen Antrag seines Landes auf NATO-Mitgliedschaft. In einem Gespräch mit deutschen Journalisten in Helsinki sagte Niinistö, er schätze, es werde eine „gewaltige parlamentarische Mehrheit“ für einen möglichen Beitrittsantrag geben, wie die „Süddeutsche Zeitung“ berichtet. Im Falle eines Antrags, sagte Niinistö, rechne er mit einer „zügigen“ Entscheidung seitens der NATO. Finnland teilt eine mehr als 1.300 Kilometer lange Grenze mit Russland und blickt ebenso wie der Nachbar Schweden auf eine lange Tradition der Bündnisfreiheit zurück.

Ein NATO-Beitritt wäre ein historischer Kurswechsel des Landes. Die Entscheidung über den Beitrittsantrag soll der finnischen Premierministerin Sanna Marin zufolge noch in diesem Frühjahr fallen, vor dem NATO-Gipfel in Madrid im Juni. Das Parlament wird nach Ostern zusammentreten, um darüber zu beraten.

Zuletzt hatten sich in Umfragen des öffentlich-rechtlichen Senders YLE mehr als 60 Prozent der befragten Finnen für einen NATO-Beitritt aus ausgesprochen. Am Freitag empfängt Niinistö seinen deutschen Amtskollegen Frank-Walter Steinmeier in Helsinki. Die beiden werden sich nach ihrem Gespräch in Niinistös Amtssitz ins finnische Parlament begeben, um dort gemeinsam an einer Videokonferenz mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenskij teilzunehmen.



Russische Truppen aus gesamter Nord-Ukraine abgezogen

7:58 Uhr > Die russischen Truppen haben sich sechs Wochen nach Beginn des Angriffs offenbar aus dem gesamten Norden der Ukraine wieder zurückgezogen. Das teilte das britische Verteidigungsministerium in seinem täglichen Lagebericht am Freitagmorgen mit, der sich auf Geheimdiensterkenntnisse stützt. Zumindest ein Teil dieser zurückgezogenen Truppen würden in den Osten verlegt, um in der Donbas-Region eingesetzt zu werden.

„Viele dieser Streitkräfte müssen erheblich aufgestockt werden, bevor sie weiter östlich stationiert werden können, wobei jede Massenverlegung aus dem Norden wahrscheinlich mindestens eine Woche dauern wird“, heißt es in dem Bericht. Der russische Beschuss im Osten und Süden der Ukraine gehe unterdessen weiter und die russischen Streitkräfte seien von der strategisch wichtigen ostukrainischen Stadt Isjum, die noch immer unter ihrer Kontrolle ist, weiter nach Süden vorgedrungen.


Lage in Borodjanka übler als in Butscha – Von der Leyen in Kiew erwartet

In der ukrainischen Stadt Borodjanka soll die Lage wohl noch schlimmer sein als in Butscha, von wo aus nach dem Rückzug russischer Truppen Bilder von auf den Straßen herumliegenden getöteten Zivilisten um die Welt gingen. Das sagte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj. In der ukrainischen Hauptstadt wird am Freitag EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen erwartet.

Die stieg in Polen in einen Zug nach Kiew, zusammen mit einer Delegation, zu der auch der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell, der slowakische Ministerpräsident Eduard Heger und mehrere EU-Parlamentarier gehören. Russland konzentriert sich bei seinen Kampfhandlungen wohl jetzt hauptsächlich auf die Ostukraine, nachdem es seine Streitkräfte aus dem Gebiet um Kiew im Norden abgezogen hatte. In Mariupol ist die Lage unübersichtlich: Russland behauptet, das Zentrum eingenommen zu haben, aber die ukrainischen Streitkräfte haben wohl noch immer die Kontrolle über den Hafen der Stadt.

Russland bereitet wohl auch eine große Offensive gegen die Ostukraine in der Donbass-Region vor. Dafür wurden Truppen aus dem Norden umgeleitet, sagen Militärexperten.