Ein Leopard 1-Kampfpanzer der Bundeswehr, 1. Zug, 4. Kompanie, Panzerbataillon 153 (PzBtl 153) (gehörte zur Panzerbrigade 15, 5. Panzerdivision) auf einem Feldweg bei Effolderbach (Hessen) während des Manövers Confident Enterprise (deutsch: Vetrauensvolles Unternehmen) als Teil von REFORGER/AUTUMN FORGE '83

Köln | LIVEBERICHT wird ständig aktualisiert | red, dts | Die Ukraine erwartet „schwierige Wochen“ und in Deutschland geht die Debatte über Waffenlieferungen weiter. Polen will eine neue Gaspipeline durch die Ostsee bauen. Der Livebericht zu den Ereignissen rund um den Krieg in der Ukraine, die Situation der Flüchtlinge sowie politische Reaktionen weltweit.

Ex-Bundespräsident Gauck: Nicht von Russland einschüchtern lassen   

21:23 Uhr > Ex-Bundespräsident Joachim Gauck erwartet von der Bundesregierung, die Unterstützung für die Ukraine weiter zu verstärken und sich nicht durch Drohungen Russlands einschüchtern zu lassen. Das sagte er dem „Redaktionsnetzwerk Deutschland“ und der „Leipziger Volkszeitung“ (Freitagausgaben). „Deutschland hat eine besondere Neigung zur Ängstlichkeit und das äußert sich manchmal in einer Zurückhaltung, wo wir nicht zurückhaltend sein dürfen“, so Gauck.

„Und wenn Menschen Opfer von Gewalt werden, dann dürfen wir nicht zurückhaltend sein und müssen alle Möglichkeiten suchen, um diesen Menschen beizustehen“, hob er hervor. Die Aussagen des russischen Außenministers Sergej Lawrow über einen möglichen Atomkrieg seien eine „sehr bewusste eingesetzte Strategie“ Russlands zur Einschüchterung, die besonders in der Mitte Europas verfange, warnte Gauck. Man dürfe als Reaktion aber nicht „lieb gucken, damit der Täter nichts Böses mit uns veranstaltet“.

Tue man dies, habe man sich selber aufgegeben.


Deutsche bei Lieferung schwerer Waffen uneins   

21:22 Uhr > Der Ukraine-Krieg bestimmt derzeit die bundespolitische Agenda. Zum Regierungskurs im Ukraine-Krieg besteht in der Bevölkerung keine Einigkeit, ist das Ergebnis einer Infratest-Umfrage für den ARD-„Deutschlandtrend“. Demnach ist weiterhin für knapp vier von zehn (36 Prozent, -1 Punkte im Vgl. zu Anfang April) die Politik der Ampel-Koalition seit dem russischen Einmarsch angemessen, für 41 Prozent (-4) geht die Reaktion der Bundesregierung nicht weit genug, für jeden Siebten (15 Prozent, +4) geht sie bereits zu weit.

In dieser Frage bestehen unterschiedliche Bewertungen in den Reihen der Koalitionsparteien. Von den SPD-Anhängern (53 Prozent) hält über die Hälfte den derzeitigen Regierungskurs für angemessen. Unter den Wählern von Grünen (54 Prozent) und FDP (57 Prozent) überwiegt dagegen jeweils die Forderung nach weitergehenden Schritten.

Von den Unions-Anhängern favorisiert knapp die Hälfte (48 Prozent) eine stärkere Reaktion Deutschlands, während vier von zehn (39 Prozent) die Regierung mit ihrer Ukraine-Politik unterstützen. Jeder zweite AfD-Anhänger (47 Prozent) lehnt den Berliner Regierungskurs im Ukraine-Konflikt als überzogen ab. Wie die Bundesregierung mit Waffenlieferungen umgehen soll, dazu gibt es in der Bevölkerung kein eindeutiges Meinungsbild.

In der konkreten Frage zur Lieferung schwerer Waffen wie Panzer, wie sie vom Kabinett in dieser Woche angekündigt wurde, sind sich die Deutschen uneins. 45 Prozent sprechen sich aktuell dafür, 45 Prozent dagegen aus. Klare Fürsprecher finden sich allein in den Reihen von FDP (70:25 Prozent) und Grünen (67:25 Prozent).

Von den Unions-Anhängern äußert sich zwar gut die Hälfte zustimmend (53 Prozent), aber 42 Prozent melden dagegen Widerspruch an. Tief gespalten präsentieren sich die Anhänger der SPD (45:46 Prozent). Deutlich ablehnend äußern sich die Wähler der AfD (12:84 Prozent).

In der Entscheidung über Militärhilfen für die Ukraine sprechen sich zudem 52 Prozent der Deutschen eher für Entschlossenheit und Härte gegenüber Russland aus, aber vier von zehn (40 Prozent) wünschen sich eher Zurückhaltung, um Russland nicht zu provozieren. Mit Blick auf weitere Teilaspekte bewerten die Befragten die Aufnahme und Unterstützung ukrainischer Flüchtlinge in Deutschland mehrheitlich als angemessen (75 Prozent) und auch die finanziellen Hilfen für die Ukraine (59 Prozent). Weniger einig sind sich die Bundesbürger hinsichtlich der diplomatischen Anstrengungen Deutschlands zur Beilegung des Konflikts, die vier von zehn als angemessen betrachten (41 Prozent), ebenso viele (42 Prozent) jedoch als nicht ausreichend kritisieren.

Was Sanktionsmaßnahmen gegen Russland angeht, sind 45 Prozent der Befragten der Ansicht, dass diese nicht weit genug gehen, 34 Prozent empfinden sie als angemessen und für 14 Prozent gehen sie zu weit. Zugleich jedoch zeigen sich die Bundesbürger gegenüber schnellen Boykottschritten bei Öl- und Gas-Importen zurückhaltend. Einen sofortigen Importstopp von russischen Energieträgern unterstützt nur jeder Fünfte (22 Prozent), über die Hälfte (54 Prozent) spricht sich für eine schrittweise Beendigung von russischen Energie-Importen in den kommenden Jahren aus, jeder Fünfte (19 Prozent) möchte an ihnen sogar grundsätzlich festhalten, darunter etwa doppelt so viele Ost- wie Westdeutsche (32:15 Prozent).

Für die Erhebung befragte Infratest insgesamt 1.314 Personen vom 25. bis 27. April 2022.


Bundesnetzagentur: Gaszuflüsse nach Deutschland auf üblichem Niveau   

21:21 Uhr > Die Einstellung von russischen Gaslieferungen nach Polen und Bulgarien hat weiterhin keine Auswirkungen für Deutschland. Das teilte die Bundesnetzagentur am Donnerstag mit. Die Gaszuflüsse nach Deutschland lägen weiter „auf einem üblichen Niveau“, hieß es am Mittag.

Nach den vorliegenden Informationen sei die Versorgungslage auch in Polen und Bulgarien stabil, da beide Länder derzeit andere Versorgungsquellen nutzen könnten. Beide Länder rufen auch keine Frühwarnstufe aus, was ebenso aktuell für eine sichere Versorgungslage spreche. Auch „Solidaritätsmaßnahmen“ würden derzeit nicht angefragt.

„Die Bundesnetzagentur beobachtet die Lage sehr genau“, so die Behörde. Die aktuellen Füllstände der Speicher in Deutschland seien vergleichbar mit dem Jahr 2017 und mittlerweile deutlich höher als im Frühjahr 2015, 2018 sowie 2021. Das meiste Gas aus Russland, nämlich knapp unter 1.800 Gigawattstunden (GWh) pro Tag, kommt weiter über Nord Stream 1 nach Deutschland. Mit etwas Abstand und knapp unter 700 Gigawattstunden (GWh) pro Tag folgt Waidhaus an der Grenze zu Tschechien.

Über Mallnow in Brandenburg, wo die über Polen führende Pipeline aus Russland ankommt, fließt seit Monaten mit kurzen Unterbrechungen kein Gas mehr nach Deutschland.


SPD-Fraktionschef verteidigt Warnungen vor drittem Weltkrieg   

12:15 Uhr > SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich hat im Kontext der Lieferung schwerer Waffen an die Ukraine erneut vor dem Szenario eines dritten Weltkriegs gewarnt. Die „Eskalations-Dominanz“ liege weiterhin in Moskau, sagte er den Sendern RTL und ntv. Deswegen sei es gut, „wenn wir auch wieder versuchen, mit den Möglichkeiten, die uns zusätzlich zur Verfügung stehen, auch diplomatische Mittel zu verwenden“.

Waffen würden es eben nicht richten, so Mützenich. „Die Warnungen vor einem dritten Weltkrieg sind berechtigt. Diese Sorgen müssen wir jeden Tag immer wieder neu bedenken.“


Bundestag unterstützt Lieferung schwerer Waffen an Ukraine   

11:19 Uhr > Der Bundestag hat sich für die Lieferung schwerer Waffen an die Ukraine ausgesprochen. Ein gemeinsamer Antrag von SPD, Grünen, FDP und Union mit dem Titel „Frieden und Freiheit in Europa verteidigen – Umfassende Unterstützung für die Ukraine“ wurde am Donnerstag mit großer Mehrheit beschlossen. In namentlicher Abstimmung stimmten 586 Abgeordnete dafür und 100 dagegen.

Zudem gab es sieben Enthaltungen. In dem Antrag wird sich unter anderem für die „Intensivierung und Beschleunigung der Lieferung wirksamer, auch schwerer, Waffen und komplexer Systeme“ durch Deutschland in enger Abstimmung mit den Partnern in NATO, EU und der Welt ausgesprochen. Neben der umfassenden ökonomischen Isolierung und Abkoppelung Russlands von den internationalen Märkten sei dies „das wichtigste und wirksamste Mittel“, um den russischen Vormarsch zu stoppen.

Der Bundestag forderte die Bundesregierung zudem auf, „alle Bemühungen der ukrainischen Regierung, in direkten Verhandlungen mit der russischen Führung einen Waffenstillstand zu erzielen, zu unterstützten“. Dabei müsse klar sein, dass es keine Verhandlungen über die Köpfe der Ukrainer hinweg geben dürfe. „Falls es zum Abschluss eines Abkommens kommt, muss Deutschland gemeinsam mit den USA, Kanada und anderen NATO- und EU-Partnern bereit sein, aktiv dazu beitragen, seine Einhaltung zu gewährleisten“, heißt es in dem Papier weiter.

Zudem müsse die Regierung die Lieferung benötigter Ausrüstung an die Ukraine fortsetzen und wo möglich beschleunigen. Dabei müsse man auch die Lieferung auf schwere Waffen und komplexe Systeme etwa im Rahmen des Ringtausches erweitern, „ohne die Fähigkeiten Deutschlands zur Bündnisverteidigung zu gefährden“. Ausrüstungslücken bei der Bundeswehr, die durch die Abgabe an die Ukraine entstanden sind, müssten schnellstmöglich geschlossen werden, heißt es in dem Antrag.

Trotz der gemeinsamen Initiative der Ampel-Fraktionen und der Union verlief die Debatte zu dem Tagesordnungspunkt hitzig. CDU-Chef Friedrich Merz nutze seine Rede vor allem für Kritik an Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD). Er warf ihm unter anderem eine „miserable Kommunikation“ vor.

Der Kanzler zeige „Schwäche und Unsicherheit“. Der SPD-Vorsitzende Lars Klingbeil unterstellte dem CDU-Chef unterdessen, nur Parteipolitik zu betreiben. Dafür sei in der aktuellen Lage kein Platz.

Er frage sich, was aus der Union von Angela Merkel geworden sei, so Klingbeil.


Ukraine erwartet „sehr schwierige Wochen“

11:10 Uhr > Der ukrainische Verteidigungsminister Oleksij Resnikow hat die Bürger seines Landes auf einige „sehr schwierige Wochen“ eingestellt. Die praktische Umsetzung von zuletzt getroffenen Vereinbarungen und militärischen Schulungen sowie die Logistik von Waffenlieferungen brauchten Zeit, schrieb er bei Facebook. „Und Russland hat seine Kräfte bereits für eine groß angelegte Offensive in der Ostukraine gebündelt.“

Die Hilfe für die Ukraine werde zunehmen, aber in den kommenden Tagen müsse man die eigene Widerstandsfähigkeit unter Beweis stellen. Russland sei sich seiner „strategischen Niederlage“ bereits voll bewusst, fügte der Verteidigungsminister hinzu. Moskau werde aber dennoch versuchen, der Ukraine „so viel Schaden wie möglich“ zuzufügen.

Es werde weitere „Zerstörungen und schmerzhafte Opfer“ geben, so Resnikow.


Bund plant weiteren Ringtausch mit Tschechien

Die Bundesregierung plant einen weiteren Ringtausch, um die Ukraine mit Waffen zu beliefern. Nach Slowenien ist nun auch Tschechien ein entsprechender Vorschlag unterbreitet worden, berichtet die „Welt“ (Donnerstagausgabe) unter Berufung auf ein vertrauliches Papier aus dem Verteidigungsministerium. Es sei eine „Liste mit möglichen für einen Ringtausch infrage kommenden Waffenmaterial“ an Tschechien übergeben worden, heißt es in dem Dokument.

Bei dem Ringtausch mit Slowenien sollen sowjetische Kampfpanzer aus den Beständen des osteuropäischen Landes an die Ukraine geliefert werden, die dann aus Beständen der Bundeswehr mit Schützen- und Transportpanzern ersetzt werden. Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) hatte bei dem Treffen von rund 40 Verteidigungsministern am Dienstag in Ramstein deutlich gemacht, dass die Bundesregierung dieses Modell ausweiten will. Der Vorsitzende des Deutschen Bundeswehrverbandes, Oberst André Wüstner, warnte die Regierung allerdings davor, weiteres Gerät aus Beständen der deutschen Streitkräfte abzugeben.

„Die militärischen Optionen, die die Bundeswehr der Politik anbieten kann, sind erschöpft“, sagte Wüstner der Zeitung. „Eine weitere Kannibalisierung ist nicht zu verantworten. Im Klartext: Deutschland kann kein Großgerät aus Beständen der Bundeswehr an die Ukraine abgeben. Das wäre mit Blick auf die Einsatzbereitschaftslage absolut unverantwortlich.“ Wüstner forderte einen Rüstungsgipfel im Kanzleramt, um die künftigen Waffenlieferungen an die Ukraine und die Beschaffung für die Bundeswehr aus dem geplanten Sondervermögen zu koordinieren. „Wir brauchen dringend einen strategischen Rüstungsdialog inklusive klarer Zielvereinbarungen im Kanzleramt“, sagte der Verbandschef.

„Es geht darum, Zuläufe im Bereich der Landsysteme so zu realisieren, dass wir bis 2025 die avisierte Division aus sich heraus einsatz- und führungsfähig haben – und parallel dazu die Ukraine weiter im Kampf gegen Russland zu unterstützen.“ Schon heute sei absehbar, „dass die Ukraine auch bei Lieferungen von bekannten Waffensystemen im Rahmen des angestrebten Ringtausches aufgrund von Verschleiß und Verlust im Herbst weiteren Bedarf an Waffen haben wird“, so der Oberst. „Die Planungen hierfür müssen umgehend in Angriff genommen werden, zudem müssen ein Logistik- und ein Ausbildungskonzept entwickelt werden. Wir müssen vom Reagieren zum Agieren kommen.“ Die Bundesregierung müsse nun endlich vor die Welle kommen, sagte Wüstner: „Aktuell wirkt sie, der Kanzler allen voran, passiv, reaktiv und getrieben. Gute Kommunikation als Grundlage von Glaubwürdigkeit und Vertrauen findet praktisch nicht statt. Das gilt für die Zeitenwende ebenso wie für die Unterstützung der Ukraine: Nirgends ist eine Strategie, ein Plan oder ein Konzept erkennbar, geschweige denn durchkommuniziert. Das muss sich dringend ändern.“


Bericht: Union und Bund einigen sich auf Waffenlieferungs-Antrag

Der tagelange politische Kampf von Regierung und Opposition um die Lieferung von Waffen an die Ukraine ist offenbar endgültig beigelegt. Das berichtet das Portal „Business Insider“ unter Berufung auf Bundestagskreise. Nach den versöhnlichen Tönen von CDU/CSU am Dienstag hat sich die Regierungskoalition am Mittwoch demnach mit der Union auf einen gemeinsamen Antrag für die Lieferung unter anderem von schweren Waffen geeinigt.

Details wollen die Fraktionsspitzen den Abgeordneten der jeweiligen Fraktionen im Bundestag am Abend erläutern, heißt es. Die Union etwa hat für 19:30 Uhr eine außerplanmäßige Fraktionssitzung angesetzt. Im Kern wird die Ampel-Koalition aus SPD, Grünen und FDP gemeinsam mit CDU und CSU beschließen, dass der Bundestag begrüßt, dass die Bundesregierung über den sogenannten Ringtausch Lieferungen von schweren Waffen an die Ukraine über Drittländer unterstützt.

Es soll zudem weitere Lieferungen geben. Der Beschluss hat in der Praxis zwar keine Auswirkung, ist aber von hoher politischer Bedeutung. Nicht mitstimmen wird die Union aber bei einem Passus zum geplanten 100 Milliarden schweren Sondervermögen für die Bundeswehr, weil es hier noch Erklärungsbedarf sieht, schreibt das Portal.

Die Zustimmung der Union wäre für die Umsetzung nötig, da damit das Grundgesetz geändert werden muss.


Unionsfraktionsvize: Bund muss weitere Schritte bei Panzern gehen

Unionsfraktionsvize Johann Wadephul (CDU) hat moniert, dass im ersten Schritt ausgerechnet der „Gepard“-Flugabwehrpanzer von Deutschland an die Ukraine geliefert würde und nicht der „Leopard 1“-Kampfpanzer. „Der wäre sehr viel wichtiger gewesen“, sagte er der RTL/ntv-Redaktion. „Der Gepard ist das komplexeste Waffensystem, das wir im Heer hatten.“

Es dauere mindestens ein halbes Jahr, um die Soldaten daran auszubilden. „Das heißt: Der hilft jetzt kurzfristig der Ukraine relativ wenig.“ Leopard- oder Marder-Panzer wären „viel wirkungsvoller und nötiger“ gewesen.

Wadephul sagte zudem: „Deswegen ist die klare Aufforderung an die Bundesregierung, jetzt auch weitere Schritte zu gehen.“


Lindner: Entscheidungen vergleichbar mit NATO-Doppelbeschluss

In der Debatte um das Sondervermögen für die Bundeswehr und Energiesparpakete der Bundesregierung hat Finanzminister Christian Lindner (FDP) eigene Schritte eingeräumt. Er habe „als Finanzminister den Etat der Bundeswehr auch außerhalb des Sondervermögens angehoben“, sagte er den ARD-Tagesthemen. Mit den „Planungen der früheren CDU-geführten Bundesregierung wäre das in den nächsten Jahren nach unten gegangen“.

Lindner sagte, die Regierung werde mit der Union darüber sprechen, „wie das 2 Prozent-Ziel der NATO erreicht wird“. Der FDP-Chef hob hervor, „die jetzigen Entscheidungen sind vergleich bar mit dem NATO-Doppelbeschluss Anfang der 80er Jahre“. Da müsse sich jeder „seiner staatspolitischen Verantwortung bewusst sein“.

Zum Sondervermögen für die Bundeswehr sagte Lindner, dieses stehe neben der Schuldenbremse. Die Alternativen wären gewesen, die Steuern zu erhöhen. „Das mache ich nicht“, sagte der Liberale.

„Das wäre nicht fair angesichts der Inflation.“ Er mache keine dauerhafte Aufweichung der Schuldenbremse für die jährlichen Haushalte. Zum Energiesparpaket der Bundesregierung sagte der FDP-Vorsitzende, es sei heute ein Ergänzungshaushalt vorgelegt worden, der auf die Krise reagiere.

„Der ist als Stoßdämpfer gedacht“. Er mache als liberaler Finanzminister „nicht leichtfertig neue Schulden“, so Lindner. „Es ist eine Maßnahme in Krieg und Krise, nicht auf Dauer.“


Hofreiter warnt vor russischer „Angstpropaganda“

Anton Hofreiter hält eine Eskalation des Krieges in der Ukraine zu einer Auseinandersetzung mit Nuklearwaffen für unwahrscheinlich. Er gehe nicht davon aus, „dass im Kreml lauter Selbstmordattentäter sitzen“, sagte der Grünen-Politiker und Vorsitzendes des Bundestags-Europaausschusses dem „Spiegel“. Hofreiter appellierte, die „Angstpropaganda des Kremls“ nicht zu übernehmen.

Die russische Regierung verstärke gezielt westliche Ängste vor einem Atomangriff. Bundeskanzler Olaf Scholz hatte vor einer direkten militärischen Konfrontation zwischen NATO und Russland gewarnt: „Es darf keinen Atomkrieg geben“, sagte er dem „Spiegel“. Hofreiter warnte, die größere Gefahr einer weiteren Eskalation bestehe, wenn die Ukraine in die Defensive gerate.

Dann sei es „nur noch eine Frage der Zeit“, dass Russland eine weitere Invasion starte – erste Anzeichen dafür gebe es in der Republik Moldau. „Wenn der Aggressor siegt, dann werden Angriffskriege wieder möglich“, sagte der Außenpolitiker.


Polen plant Pipeline-Projekt durch die Ostsee

Polens Vizeaußenminister Szymon Szynkowski vel Sek kündigt als Reaktion auf den durch Russland verhängten Lieferstopp für Erdgas die Fertigstellung einer neuen Pipeline durch die Ostsee an, die norwegisches Gas nach Polen bringen wird. Der Gas-Lieferstopp habe nicht überrascht, sagte er dem „Redaktionsnetzwerk Deutschland“ (Donnerstagausgaben).

„Wir haben uns schon seit Jahren gut auf dieses Szenario vorbereitet und schon seit 2015 schrittweise unsere Abhängigkeit von russischem Erdgas um etwa 20 Prozent zurückgefahren“, so der polnische Politiker.

Polen habe eine Idee des ehemaligen Präsidenten Lech Kaczyñski realisiert, ein Terminal für Flüssiggas (LNG) zu bauen. „Wir produzieren inzwischen etwa 20 Prozent unseres Gasbedarfs selbst“, sagte Szynkowski vel Sek. „Wir haben eine klare Perspektive und einen klaren Plan, wie wir mit der Sache umgehen“, so der Politiker.

Die aktuelle Versorgung sei gesichert, weil Polens Gasspeicher Füllstände bis zu 80 Prozent aufweisen. Der EU-Durchschnitt betrage derzeit nur 30 Prozent. Im Mai erwartet Polen neue Lieferungen aus Litauen über ein dort befindliches neues Terminal für Flüssiggas (LNG).

„Dadurch bekommen wir mehr als zwei Milliarden Kubikmeter Gas zusätzlich“, sagte vel Sek. Und im Sommer werde es zusätzliche Lieferungen über Kapazitäten aus der Slowakei geben. Dem größten Befreiungsschlag sieht Polen jedoch im Herbst entgegen.

Dann wird eine neue Gaspipeline durch die Ostsee in Betrieb gehen, die Baltic Pipe. Sie bringt norwegisches Erdgas nach Polen, zunächst bis Jahresende rund drei Milliarden Kubikmeter. „Im Jahr 2023 werden es zehn Milliarden Kubikmeter sein, und das wird uns enorm helfen, uns völlig von Russlands Gas unabhängig zu machen“, sagte der Vizeaußenminister.