Kiew/Berlin | aktualisiert |  In der ukrainischen Hauptstadt Kiew ist es am Mittwoch zu gewaltsamen Zusammenstößen zwischen Sicherheitskräften und der protestierenden Menge gekommen. Hunderte Polizisten setzten vor dem von den Demonstranten seit Sonntag besetzten Rathaus der Stadt Schlagstöcke gegen die Menschenmenge ein, berichten örtliche Medien. Die Demonstranten wehrten sich ihrerseits mit Knüppeln und sprühten aus dem Rathaus heraus mit Feuerlösch-Spritzen.

Zuvor waren in der Nacht Spezialeinheiten der Polizei auf den zentralen Unabhängigkeitsplatz vorgerückt und hatten von den Demonstranten errichtete Barrikaden geräumt und Zelte der dort ausharrenden Menschen abgerissen. Nach Angaben der Opposition wurden mehrere Demonstranten verletzt, mindestens elf seien festgenommen worden.

Chef der ukrainischen Caritas: Unabhängigkeitsplatz nicht geräumt

Der Chef der Caritas in der Ukraine, Andrij Waskowycz, hat Berichten widersprochen, wonach der Maidan, der zentrale Unabhängigkeitsplatz in Kiew, von der Polizei geräumt worden sei. „Es ist noch keine Räumung. Die Polizei hat um 1:00 Uhr begonnen, die Zufahrtsstraßen und die Barrikaden auf den Zufahrtsstraßen zum Maidan zu räumen. Das ist der Polizei nicht gelungen“, sagte Waskowycz, der zur Opposition zählt, am Mittwoch in hr-Info. Weiter sagte Waskowycz, dass die Fernsehbilder der versuchten Räumung sogar dazu geführt hätten, dass sich die Zahl der Demonstranten auf dem Platz vervielfacht hätte: „Auf dem Unabhängigkeitsplatz waren um 1:00 Uhr nachts in etwa 3.000 bis 5.000 Leute. Jetzt, als ich den Platz verließ, waren ungefähr 30.000 Menschen auf dem Platz und sie halten die Position gegen die vorangerückten Sonderkommandos der Polizei.“

Keine Erklärung hatte Waskowycz in hr-Info für den Zeitpunkt der versuchten Räumung: „Kein Mensch versteht, was der Sinn dieser ganzen Aktion ist. Man wundert sich, denn zum einen sind die Demonstranten fest entschlossen weiter zu machen, zum anderen hat der Präsident beim gestrigen Runden Tisch durchblicken lassen, dass möglicherweise auf Bedingungen der Demonstranten eingegangen wird.“

Oppositionsführer Klitschko kündigt Proteste bis ins neue Jahr an

Der ukrainische Oppositionsführer und Boxweltmeister Vitali Klitschko hat Proteste in Kiew bis ins neue Jahr angekündigt. „Jetzt sind wir hier schon seit 18 Tagen und die Regierung setzt wohl immer noch darauf, dass wir irgendwann schon gehen werden. Aber wir werden nicht gehen. Wir werden, wenn es notwendig ist, hier auch bis ins neue Jahr bleiben. Und wir lassen uns erst recht nicht mit brutalen Aktionen einschüchtern“, schreibt Klitschko in einem Beitrag für die „Bild-Zeitung“ (Mittwochausgabe). Der Oppositionsführer erneuerte in dem Beitrag seine scharfe Kritik an der ukrainischen Regierung.

„Präsident Janukowytsch hat seinen Kredit längst verspielt, aber er will es nicht einsehen. Er kann das Volk nicht mehr einen, er ist kein Präsident des Volkes mehr. Wir werden uns so lange nicht mit ihm an einen Tisch setzen, bis Janukowytsch unsere Forderungen erfüllt hat: Rücktritt der Regierung, Freilassung der Demonstranten, Bestrafung brutaler Sicherheitskräfte. Dann wird es eine neue Ukraine mit einem neuen EU-Abkommen geben.“ Klitschko schreibt in dem Beitrag in der „Bild-Zeitung“ auch über seinen Bruder Wladimir, der sich am Montag bei den Protesten schützend vor Demonstranten gestellt hatte: „Wladimir hat sich vor die Menschen gestellt mit seinen 1,98 Metern und die Polizei davon abgehalten, auf die Demonstranten los zu gehen. Es ist toll von meinem Bruder, wie er unsere Bewegung unterstützt. Aber man muss sich das mal vorstellen: Die Regierung will uns mit Bulldozern platt machen! Es ist eine unglaubliche Aggression und Gewalt, die von den Sicherheitskräften ausgeht. Dabei wollen wir nur friedlich demonstrieren.“ Er selbst werde in diesen Tagen immer wieder gefragt, ob er als Oppositionsführer in der Ukraine auch selbst Angst um sein Leben habe: „Es sind ernst gemeinte Fragen, denn alle wissen, was mit Julia Timoschenko passierte, die immer noch im Gefängnis sitzt. Oder mit dem früheren Oppositionsführer Wiktor Juschtschenko, der mit Dioxin vergiftet wurde. Auch wenn mich diese Vorfälle bewegen, antworte ich immer das Gleiche: Ich habe keine Angst um mein Leben, ich habe Angst um mein Land“, so Klitschko in seinem Beitrag für die „Bild-Zeitung“ weiter.

Autor: dts