Gewalt darf nicht zum Mittel werden
„Es gibt eine neue Qualität rechter Gewalt. Rechtsextremisten schrecken heute selbst vor selbst gebastelten Sprengkörpern nicht zurück“, warnte Innenminister Ralf Jäger heute anlässlich der Vorstellung des Verfassungsschutzberichtes für das erste Halbjahr 2010. Insgesamt würde der Verfassungsschutz beobachten, dass die Gewalt-Hemmschwelle sinke. Das gelte jedoch auch für linksextremistische Strömungen. „Ich unterstütze den Protest gegen Rechtsextremismus. Aber ich erwarte auch eine klare und ausdrückliche Distanz zu linksextremistischen Gewalttätern“, so der Minister.

Jäger plädierte dafür, auf Demonstrationen bei zu erwartender Gewaltanwendung entsprechend zu reagieren. „Wenn die Polizei konkrete Gefahren für Leib und Leben erkennt und es nicht anders geht, muss die Veranstaltung verboten werden können“, sagte er. Gewalt dürfe kein zulässiges Mittel in der politischen Auseinandersetzung werden. Daher will Jäger nun Präventionsarbeit verstärken, um Jugendliche frühzeitig über Extremismus aufzuklären.

Die Statistik des Verfassungsschutzberichtes
Die „Politisch motivierte Kriminalität“ (PMK) in Nordrhein-Westfalen ist im 1. Halbjahr 2010 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum zurückgegangen. Für das 1. Halbjahr 2010 wurden insgesamt 2.476 (1. Halbjahr 2009:2.718) politisch motivierte Straftaten bekannt. Dies entspricht einem Rückgang um knapp neun Prozent und unterbricht den Trend der Vorjahre. Während die Zahl der Propagandadelikte mit 1.092 Fällen leicht im Vergleich zum Vorjahreszeitraum (1.Halbjahr 2009: 1.185) sank, stieg die Anzahl der Gewaltdelikte um gut 14 Prozent auf insgesamt 214 Straftaten an (1. Halbjahr 2009: 187). Von den gesamten Straftaten rechnet der Verfassungsschutz etwa 1.475 Delikte dem rechten Milieu zu, 545 Straftaten seien links motiviert gewesen und 153 wurden von Ausländern verübt. Etwa 300 Straftaten konnten keinem Phänomenbereich eindeutig zugewiesen werden.

Das linke Milieu verübte dabei insbesondere Sachbeschädigungen (243 Delikte), Gewaltdelikte (109 Straftaten) und Verstöße gegen das Versammlungsgesetz (68 Delikte). Mehr als die Hälfte der Gewaltdelikte (62 von 109 Straftaten) wurde bei demonstrativen Ereignissen verübt. Die Gewaltstraftaten richteten sich dabei vor allem gegen „rechte“ Wahlhelfer im Rahmen der Landtagswahl 2009 oder gegen Polizeibeamte. Rechtsmotivierte Kriminalität bestand zu fast 80 Prozent aus Propagandadelikten und Volksverhetzungen (1.172 Straftaten). Bei 133 Delikten handelte es sich um Sachbeschädigungen und 80 Straftaten um Gewaltdelikte – insbesondere Körperverletzung. Ausländer verübten insbesondere Verstöße gegen das Vereinsgesetz (82 Straftaten) und nur 12 Gewaltdelikte.  

Salafismus – Gottesstaat statt Volksrepublik
Der Innenminister betrachtet ein weiteres Thema des Zwischenberichts mit Sorge: den Salafismus. Der nordrhein-westfälische Verfassungsschutz richtet derzeit ein besonderes Augenmerk auf diese radikalislamistische Strömung, da sie sich entgegen der Verfassung stelle. So propagiere der Salafismus etwa die Unterdrückung der Frau. Dabei verfolge die Strömung das Ziel, einen Gottesstaat zu errichten und die Volkssouveränität abzuschaffen. In letzter Konsequenz lehnten die Salafisten den bewaffneten Jihad zur Erreichung ihrer Ziele nicht grundsätzlich ab, so der Zwischenbericht.

Bei der Verbreitung salafistischer Propaganda spiele insbesondere das Internet eine zentrale Rolle. Schriften, Videos und Audios salafistischer „Gelehrter“ würden in Chats und Foren ausgetauscht. Die Internetseiten richteten sich überwiegend an junge Muslime und Konvertiten. Sie seien mehrsprachig, multimedial und grafisch aufwändig gestaltet und gäben bewusst einfache Antworten auf alle Fragen des Lebens. Gerade dadurch seien sie für junge Menschen besonders verführerisch. Der Minister warnte in diesem Zusammenhang aber auch vor der Ausbreitung extremistischer und ausländerfeindlicher Einstellungen in der Gesellschaft: „Rechtsextremisten nutzten die öffentliche Diskussion über den Salafismus, um Islamisierungsängste zu schüren und für ihre Zwecke zu instrumentalisieren. Politik und Gesellschaft sind gleichermaßen gefordert, dem entgegen zu wirken“, appellierte Jäger in einer Stellungnahme. Er forderte muslimische Verbände dazu auf, sich von radikalislamistischen Strömungen klar abzugrenzen.

„Pro NRW“
Die aus der als rechtsextrem geltenden Bürgerbewegung „Pro Köln“ herausgegangene Partei „Pro NRW“ erreichte bei der Landtagswahl 2009 0,9 Prozent der Erst- und 1,4 Prozent der Zweitstimmen. Die höchsten Ergebnisse auf Landesebene erzielte ‚pro NRW*’ in Gelsenkirchen I (4,3% der Erst- und 4,0% Zweitstimmen) und in Duisburg IV (4,6% Erst- und 5,2% Zweitstimmen). Während die Partei bei der Landtagswahl in NRW vor allem auf das Thema „drohende Islamisierung“ setzte, erweitere sie ihr Programm nun um andere Themenfelder – etwa die Krise in Griechenland. So versuche „Pro NRW“ in die Mitte der Gesellschaft vorzudringen, betont der Verfassungsschutzbericht.

Die Linke NRW
Landesweit erzielte die „DIE LINKE.NRW“ 5,4 Prozent (414.906) der Erst- und 5,6 Prozent (434.846) der Zweitstimmen bei der Landtagswahl 2010. Damit erreichte die Partei ihr erstes Ziel: in den Landtag einzuziehen.

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