Polizeikräfte auf der Zülpicher Straße an Weiberfastnacht 2024 gegen 10.50 Uhr | Foto. Grümer

Köln | KOMMENTAR | Über Sinn und Unsinn von Einsatzbilanzen der Polizei und städtischen Ordnungsbehörden lässt sich trefflich streiten. Gleichwohl werden diese vor allem nach Tagen wie Weiberfastnacht produziert, veröffentlicht und von allen, die eine digitale oder analoge Plattform nutzen oder betreiben, schnellstmöglich publiziert und kommentiert. Wo eine Nachfrage ist, wird diese befriedigt, auch wenn die Aussagekraft gegen Null tendiert. Ein Kommentar von Andi Goral

Die Stadt Köln und die Polizei Köln haben gestern sogenannte Zwischenbilanzen zu Auffälligkeiten im Rahmen der Feiern zu Weiberfastnacht veröffentlicht und an Medien aller Art herumgeschickt.  Dies ist gelebte Praxis. Direkt nach der Veröffentlichung entwickelte sich die Publikationswelle und die Copy- und Paste Tasten glühten. Ohne nachzudenken wird dann der amtliche Content in die eigenen Kanäle von Liveticker, Blog, Social Media eingerührt. Das ist so, weil es erstens nichts mehr zu berichten gibt als Menschen feiern betrunken in bunten Kostümen, zweitens die Gier des Publikums nach Sensation und somit das Suchvolumen groß ist und drittens der polizeiliche Content nichts kostet. Der Informationswert dieser Bilanzen oder Zwischenbilanzen ist in der Regel gering bis gegen Null und sie sind statistisch wertlos.

Die Learnings

Die Polizei Köln stellt um 20.19 Uhr fest:  Es regnete. Es sind „vergleichsweise“ weniger Menschen unterwegs. Warum nutzt die Polizei das Wort „vergleichsweise“ und was vergleicht sie hier? Um etwas zu vergleichen und nicht zu einem Apfel-Birne-Vergleich zu kommen braucht es feste Parameter. Diese könnten Zeit, Ort, Fläche sein. Ein Parameter ist Weiberfastnacht. Aber selbst da wird es schon schwierig. Denn Weiberfastnacht ist nicht immer am gleichen Tag, im gleichen Monat, sondern variiert. Welchen Zeitraum umfasst der Polizeivergleich? Wo waren weniger Menschen unterwegs: Ganz Köln, Alter Markt, Zülpicher Straße, Ringe, Südstadt oder in Neubrück? Würde sich die polizeiliche Bilanz nur aufs Zülpicher Viertel beschränken, dann haben sich selbst dort Parameter durch die zusätzliche Fläche auf dem Hohenstaufenring verändert.

Statt einordenbarer Fakten Emotionen

Eigentlich müsste die Polizei und die sie kopierenden Blogs, Medien etc. schreiben, dass einzelne Polizeibeamte das Gefühl vermitteln, dass weniger Menschen als im Vorjahr unterwegs waren, wenn das Wort „vergleichsweise“ das meint. Aber vielleicht meint es auch den Elften im Elften? Dann ist aber die Voraussetzung, dass die gleichen Beamtinnen oder Beamten das Zählgefühl entwickelten. Oder hat die Polizei die Zahl der Feiernden one by one gezählt? Nein, hat sie nicht und es ist auch keine Erbsenzählerei, einzuordnen, dass es sich bei der Bilanz gar nicht um eine Bilanz handeln kann und Vergleiche hapern.

Auf der Basis was Polizei und Stadt Köln vorlegen, kann nicht bilanziert werden. Der Zusammenhang Regen und weniger Feiernde ist übrigens auch nicht belegt, sondern ebenfalls ein Gefühl.

Zahlen ohne Aussage

Die Polizei Köln meldet dann, dass sich am frühen Nachmittag Streitigkeiten und Schlägereien häuften. Nun das könnte sie belegen, tut sie aber nicht. Dann stellt sie um 20.19 Uhr fest, dass 10 Personen in Gewahrsam genommen worden seien und 21 Strafanzeigen wegen 18 Körperverletzungsdelikten, einmal Raub, einmal Widerstand und einmal wegen eines Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz erfasst wurden. In vier Fällen seien Frauen begrapscht worden und es sei zu einer exhibitionistischen Handlung gekommen. Wie kamen diese Zahlen zustande und waren mehr Einsatzkräfte oder weniger Einsatzkräfte der Polizei im Einsatz? Und nun? Warum berichtet eine Zeitung aus Stuttgart über diese Zahlen? Warum ein Portal, das normalerweise seichte Themen bearbeitet? Ok, Clickbait. Was fangen Leserinnen und Leser mit diesen Zahlen an? Ist das viel, ist das wenig? Diese Frage kann nicht beantwortet werden, weil die Vergleichbarkeit nicht herzustellen ist. Kommentierend zu sagen ist: Billiger amtlicher Ramsch-Content wird hier millionenfach verbreitet und macht Angst oder Sorgen, weil wer Angst und Sorgen macht gewinnt das Clickbait-Rennen. Da können die verkleideten oder nicht verkleideten Angsthasen oder die Angsthasenverbreiter jetzt wieder ihren Standardsatz fallen lassen: Wird ja immer schlimmer, nee…

Die Polizei listet auch Einzelfälle auf. Immerhin. Denn jede Straftat oder jedes Verbrechen muss einzeln betrachtet werden. Da fallen am 8. Februar 2024 den Beamten auf: Ein Verstoß gegen die Waffenverbotszone und das Waffengesetz bei einer Taschenkontrolle, ein Verkehrsunfall und ein Drogenfund bei einer Verkehrskontrolle einer jungen Frau auf der Venloer Straße/Innere Kanalstraße.

Eine weitere Einzeltat fand auf dem Hohenzollernring statt. Dort befindet sich die polizeiliche Videobeobachtung. Hier soll ein 25-Jähriger gegen den Kopf getreten worden und zwei Tatverdächtige flüchtig sein.

Spannend: Wie viele KfZ wurden abgeschleppt?

Die Stadt Köln veröffentlicht auch in jedem Jahr die sogenannten „vorläufigen Einsatzbilanzen zu Weiberfastnacht“, die statistisch mindestens genauso hanebüchen sind. Immerhin gibt die Stadt an, wie viele Kräfte im Einsatz waren. Aber auch hier Zahlen über Zahlen mit null Aussagekraft und vergleichbar sind sie ebenfalls nicht. Es gab 30 hilflose betrunkene Personen im Zülpicher Viertel. Und was ist jetzt die Erkenntnis oder Folge? Alkoholverbot durch den Kölner Stadtrat? Dann gibt es noch eine Abschleppbilanz, nein nicht von Menschen, sondern KfZ und die wunderbaren Zahlen: „Der Regelrettungsdienst der Stadt Köln wurde seit heute Morgen zu 345 Einsätzen alarmiert. Die Feuerwehr absolvierte in diesem Zeitraum 28 Feuerwehreinsätze und 17 technische Hilfeleistungen.“ Ja und wo ist jetzt der Bezug zu Karneval?

Aber gut, dass wir darüber gesprochen haben und Content produzierten.