Das Symbolbild zeigt einen Hafen

Köln | Einen Tag nach Pfingstmontag 2024 kommen schlechte Nachrichten aus der Industrie und Industrieführer mahnen. Der Auftragsbestand im März sank, die Wettbewerbsfähigkeit wird als gefährdet eingestuft und Wirtschaftsführer warnen vor einer De-Industrialisierung Deutschlands. Die Zusammenfassung der leider nicht so guten Nachrichten, Prognosen und Interpretationen.

Auftragsbestand der Industrie im März niedriger

Der preisbereinigte Auftragsbestand im Verarbeitenden Gewerbe in Deutschland ist im März 2024 gegenüber Februar saison- und kalenderbereinigt um 0,4 Prozent gesunken. Im Vergleich zum Vorjahresmonat lag der Auftragsbestand kalenderbereinigt 5,8 Prozent niedriger, teilte das Statistische Bundesamt (Destatis) nach vorläufigen Angaben am Dienstag mit.

Zum Rückgang des Auftragsbestands trug wie bereits in den Vormonaten auch im März 2024 hauptsächlich die Entwicklung in der Automobilindustrie bei. Mit saison- und kalenderbereinigt -2,4 Prozent im Vergleich zum Februar 2024 ging der Auftragsbestand hier bereits im 14. Monat in Folge zurück. Positiv auf den Auftragsbestand wirkte dagegen der Anstieg im Bereich sonstiger Fahrzeugbau (Flugzeuge, Schiffe, Züge; +0,9 Prozent), der den Rückgang in der Automobilindustrie fast ausglich. Zu diesem Anstieg trug ein Großauftrag im Bereich Flugzeugbau bei.

Die offenen Aufträge aus dem Inland sanken im März 2024 gegenüber Februar 2024 um 1,1 Prozent, der Bestand an Aufträgen aus dem Ausland sank um 0,1 Prozent. Bei den Herstellern von Investitionsgütern verringerte sich der Auftragsbestand um 0,3 Prozent und im Bereich der Vorleistungsgüter sank er um 1,0 Prozent. Der Auftragsbestand im Bereich der Konsumgüter stieg um 0,4 Prozent.

Die Reichweite des Auftragsbestands stieg im März im Vormonatsvergleich auf 7,2 Monate (Februar 2024: 7,1 Monate). Bei den Herstellern von Investitionsgütern legte sie auf 9,8 Monate (Februar 2024: 9,7 Monate) zu und bei den Herstellern von Vorleistungsgütern stieg sie auf 4,1 Monate (Februar 2024: 4,0 Monate). Die Reichweite bei den Herstellern von Konsumgütern blieb unverändert bei 3,5 Monaten.

Deutsche Industrie sieht Wettbewerbsfähigkeit gefährdet

Die Wettbewerbsposition der deutschen Industrie innerhalb der EU und auf den Weltmärkten verschlechtert sich seit zwei Jahren. Das geht aus Auswertungen der monatlichen Ifo-Umfrage hervor, wie das Institut am Dienstag mitteilte.

Innerhalb der EU berichten die Unternehmen demnach seit dem dritten Quartal 2022, dass sie bei der Wettbewerbsposition zurückfallen. Ähnliches gilt auf den Weltmärkten (ohne EU), wo diese Entwicklung schon im ersten Quartal 2022 begonnen hatte. „Für die deutsche Industrie wird es schwieriger, sich im Wettbewerb zu behaupten“, sagte Klaus Wohlrabe, Leiter der Ifo-Umfragen.

Nahezu alle Branchen in der Industrie berichten, dass sich ihre Wettbewerbsposition im ersten Quartal 2024 gegenüber dem vierten Quartal 2023 verschlechtert hat. Eine Ausnahme bilden hier die Pharmaindustrie sowie die Hersteller von Holzwaren (ohne Möbel). Mit Blick auf die Märkte außerhalb der EU meldeten alle Branchen außer der Getränkeindustrie eine schlechtere Wettbewerbsposition als im letzten Quartal.

Auch im Inland sehen sich mehr und mehr deutsche Unternehmen unter Druck. Bis Ende 2022 gab es nahezu immer eine Tendenz, dass die Unternehmen sich mehrheitlich gut auf dem Inlandsmarkt behaupten konnten. Dies änderte sich vor einem Jahr.

Gesamtmetall-Präsident sieht „beginnende De-Industrialisierung“

Der Präsident des Arbeitgeberverbands Gesamtmetall warnt angesichts von Standortnachteilen und der derzeitigen Wachstumsschwäche der deutschen Wirtschaft vor gewaltigen Verwerfungen. „Ich sehe bereits eine beginnende De-Industrialisierung“, sagte Gesamtmetall-Präsident Stefan Wolf den Zeitungen der Funke-Mediengruppe (Dienstagausgaben). „Es finden viele Verlagerungen statt – überall hin.“

Besonders betroffen seien Wolf zufolge derzeit Unternehmen aus der Automobil- und Zulieferindustrie. „Viele Firmen sind sehr zurückhaltend. Es wird viel weniger investiert. Wegen der schlechten Rahmenbedingungen hier in Deutschland fließt stattdessen derzeit sehr viel Geld ins Ausland. Uns sind damit über 300 Milliarden Euro an Investitionen verloren gegangen“, sagte Wolf und nannte diese Zahl „dramatisch“.

Werde hier nicht investiert, leide langfristig die Produktivität, was dann zu noch weniger Wettbewerbsfähigkeit führe, so der Manager, der seit November 2020 Präsident des Arbeitgeberverbands Gesamtmetall ist. Auch erste Anzeichen für größere Entlassungen sieht Wolf. „Größere Automobilzulieferer haben doch bereits Entlassungen angekündigt. Und ich befürchte, dass das eine richtige Dynamik entwickelt. Wenn sich nicht schnell etwas ändert, werden wir einen Abbau von Arbeitsplätzen, gerade bei den eher einfachen Tätigkeiten wie etwa in der Produktion, sehen“, sagte er weiter.

Er bezifferte den möglichen Stellenverlust in den nächsten drei bis vier Jahren auf 40.000 bis 50.000 Arbeitsplätze. Deshalb müsse sich strukturell dringend etwas ändern. „Was nicht hilft, ist zu beschwichtigen, und die Lage als konjunkturelle Delle abzutun“, so Wolf.

Wacker-Chemie-Chef warnt vor Deindustrialisierung Deutschlands

Wacker-Chemie-Chef Christian Hartel warnt vor einer schrittweisen Deindustrialisierung Deutschlands. „Ich mache mir Sorgen um den Standort Deutschland“, sagte der Manager der „Süddeutschen Zeitung“.

„Die Energiepreise sind eine Herausforderung, die starke Regulierung in Deutschland und aus der EU auch.“ Viele „kleine und mittelständische Firmen“ hätten „zu kämpfen“. Vor allem der Mittelstand leide unter der Bürokratie, zum Beispiel unter „den EU-Berichtspflichten über die Nachhaltigkeit seines Geschäfts“.

Wacker Chemie stelle dann „fünf Mitarbeiter dafür ein und BASF vielleicht zwei Dutzend, und die Sache ist damit für uns abgehakt. Aber was machen die Kleinen, die Mittelständler?“ Deutschland verliere so immer mehr Wettbewerbskraft.

„Ich möchte nicht, dass Deutschland und Europa 2040 oder 2050 lediglich zum Magneten für Touristen aus Asien werden“, so Hartel. „Die dann hierherkommen und ihr Geld ausgeben, weil die Landschaften und Kulturen hier so vielfältig und schön sind – eine Art Disney-Land für reiche Touristen aus Asien“.

Der Manager verteidigte die Geschäfte der deutschen Wirtschaft mit China. Es sei „nicht immer alles verkehrt in China“. Dass Deutschland auch von dem Land profitiere, werde „viel zu wenig gesehen“, so Hartel. „Allein schon wegen der schieren Mengen können wir Technologien und Produkte zu günstigen Preisen beziehen, das ist positiv“.

In der Öffentlichkeit überwiege oftmals ein Bild, wonach „die Chinesen einen Masterplan haben, um die Welt zu beherrschen, so wie in einem James-Bond-Film“. Dass „alles nach so einem festen Plan“ laufe, halte er „für übertrieben“.