Zeitzeugenprogramm stärkt Demokratie
Bürgermeisterin Angela Spizig empfing gestern die Mitglieder der Zeitzeugengruppe im Hansasaal des Kölner Rathauses, die vom 16.5.bis 30.5.2010 Köln besuchen. Spizig machte deutlich wie wichtig gerade für die Jugend die Begegnung mit Zeitzeugen sei. Denn gerade mit dem persönlichen Gespräch über die Schrecken, die die Deutschen über die Menschen gebracht haben, könne man zu den Jugendlichen durchdringen und so erreichen, dass sie sich für Demokratie einsetzen. Sie sei immer wieder stark beeindruckt, wie sich Menschen, bei denen durch die Zeitzeugengespräche alte Wunden aufgerissen werden und die sich so an schmerzhafte Zeiten erinnern müssten, für die Zukunft engagieren. Spizig machte aber auch deutlich, dass es auch in Köln wieder rechtsradikale Gruppen gäbe, aber auch der Widerstand gegen diese groß sei. Das es diesen Widerstand gegen Neonazis gebe, sei auch der Auseinandersetzung mit dem Naziterror im letzten Jahrhundert zu verdanken.

Versöhnliche Worte fand der 80-jährige Andrzej Korczak-Branecki, der 1945 im Konzentrationslager Dachau auf einem Todesmarsch befreit wurde und diesen nur knapp überlebte. Heute sagt er, dass wären die Amerikaner nur einen Tag später gekommen, hätte er diesen Marsch nicht überlebt. Auf die Frage ob er Haß gegen die Deutschen empfinde, antworte er immer: „Es ist so lange her, so viele Generationen und der spüre, dass die jetzigen Deutschen ihre Meinung geändert haben“. Für ihn sei wichtig der Jugend etwas mitzugeben, dass sie das nie erleben, was wir machen mussten, die diesen furchtbaren Krieg erleben mussten.

Die Willkür des Systems ist erschreckend
Gisela Multhaupt, die für das Maximilian-Kolbe-Werk das Zeitzeugenprogramm in Köln organisiert, erklärt, das die Nachfrage nach Zeitzeugen in den Kölner Schulen riesig sei. Die Jugendlichen wären vor allem auch immer wieder betroffen, wie willkürlich das Nazisystem mit Menschen umgegangen sei. So besuchte einer Zeitzeugen zufällig einen Freund, als der von der Gestapo festgenommen wurde und wurde gleich mitverhaftet, eine junge Frau wurde 1944 einfach von der Straße weg verhaftet und musste im KZ Munition herstellen. Frauen die sich 1944 am Warschauer Aufstand beteiligten kamen nach Ravensbrück, andere lernten gemeinsam was den Polen verboten war und wurden deshalb verhaftet. Denn Polen durften nur vier Jahre insgesamt zur Schule gehen, denn sie sollten später nur den Herrenmenschen der Nazis dienen. Ein anderer erzählt, dass er schon mit 15 Jahren ins KZ Stutthof kam und dieses mit aufbauen musste. Stutthof gilt als eines der ersten Konzentrationslager außerhalb Deutschlands und lag in der Nähe von Danzig. Das Schlimmste war die Menschen mit Menschen umgehen, erzählt er den Schülern, so Gisela Multhaupt. Einmal musste er beobachten, wie ein Deutscher Offizier grundlos einen anderen Menschen einfach totprügelte. Bei einem Appell wurde er selbst völlig grundlos aus der Reihe herausgenommen und zum Pfahlhängen gebracht, ein anderes Mal im einfach die Pistole auf die Brust gesetzt. Heute ist er überzeugt davon diesen Tag nur überlebt zu haben, weil er Deutsch konnte und fragte „Warum tun sie das“.

Die polnischen Zeitzeugen trafen sich unter anderem mit Schülerinnen und Schülern der Hauptschule Großer Griechenmarkt, der Liebfrauenschule, der Europaschule oder der Realschule im Hasental. Das Maximilian-Kolbe-Werk ist ein Hilfswerk für die Überlebenden nationalsozialistischer Konzentrationslager und Ghettos. Mit seiner Arbeit will es zur Versöhnung mit Polen und anderen Ländern Mittel- und Osteuropas beitragen.

[ag]