Die DGB Vorsitzende Yasmin Fahimi nach ihrer Rede auf dem Kölner Heumarkt am 1. Mai 2023. | Foto: Bopp

Köln | Seit 90 Jahren ist der 1. Mai ein gesetzlicher Feiertag in Deutschland. Heute findet in Köln die zentrale Maifeier des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) statt. Das Motto: „Ungebrochen Solidarisch“. Der DGB richtet die zentrale Maikundgebung seit 1949 am „Tag der Arbeit“ aus.

Politik und Festivität am „Tag der Arbeit“ in Köln 2023

Seit 12 Uhr bewegt sich eine Demonstration vom Hans-Böckler-Platz zum Kölner Heumarkt. Dort reden unter anderem die DGB-Vorsitzende Yasmin Fahimi auf der zentralen Mai-Kundgebung des DGB. Nach den politischen Reden treten Bands wie Brings auf. Auf dem Heumarkt fanden sich unter anderem Gesundheitsminister Karl Lauterbach, SPD,  Matthias Birkwald, MdB, die Linke oder der SPD-Fraktionsvorsitzende im Kölner Rat Christian Joisten ein. Auf den Plakaten fanden sich Forderungen wie „Freiheit für Assange“ oder „Nein zu Putin und Nein zur Nato“ sowie „Löhne rauf“. Die DGB-Jugend forderte eine „Ausbildungsgarantie ohne Wenn und Aber“ und dass NRW nachlegen müsse auf einem Transparent.

„Gier-Inflation“

Der Vorsitzende der DGB-Region Köln Bonn Witich Rossmann erinnerte an die Proteste in Köln vor 175 Jahren und den Kölner Armenarzt Andreas Gottschalk, der unter anderem mit Handwerkern zum Kölner Gürzenich zog, dort Forderungen vortrug. Diese historischen Proteste fanden etwa auch schon vor dem Hintergrund steigender Mieten in Köln statt. Den Pariser Demonstranten, die gegen die „unsoziale Rentenreform“ im Nachbarland Frankreich auf die Straße gehen, gelte die Solidarität der Demonstrant:innen auf dem Kölner Heumarkt. Solidarisch sei Köln zudem mit den Stahlarbeitern, die heute in Duisburg für eine 4 Tage Woche demonstrierten. Rossmann nannte die aktuelle Inflation „Gier-Inflation“ statt „Lohn-Preisspirale“. Eine Aufgabe für die Gewerkschaften sieht Rossmann in Zukunft darin auch die jungen Kapitalist:innen zu Tarifverträgen zu bringen. Rossmann stellte sich zudem entschieden gegen Rechts und erinnerte an die Gleichschaltung der Gewerkschaften durch die Nationalsozialisten vor 90 Jahren.

„Krisen solidarisch bewältigen“

Mit „Krisen solidarisch bewältigen“ ordnete die DGB-Vorsitzende Yasmin Fahimi in Köln ein, warum Solidarität der Gegenentwurf gegen Ausbeutung, gegen Rechts und gegen Populismus ist. Starke Gewerkschaften seien wichtig für die Transformation der Wirtschaft und die hohen Lohnabschlüsse seien gerecht.

Wer von den Arbeitgebern und Politik auf die Idee komme das Streikrecht einzuschränken, sägt an den Grundfesten der Demokratie, so Fahimi. Dies gelte auch, wenn man das nur auf einige Branchen beschränken wolle unter dem Denkmäntelchen von Systemrelevanz. Alle Arbeit sei systemrelevant stellte Fahimi fest. Streiken ist Grundrecht und wer dies einschränken wolle, müsse mit der Gegenwehr der gesamten Gewerkschaftsbewegung rechnen, zeigte sich Fahimi kämpferisch.

Es gebe zu viel Tarifflucht in Deutschland. Tarifflucht führe zu Lohndumping und dies zu einem Verlust von Kaufkraft und Wohlstand. Dies begründe die Forderung der Gewerkschaften an die Bundesregierung für nationalen Aktionsplan, um wieder 80 Prozent Tarifbindung zu erzielen.  50 Milliarden Euro gebe die öffentliche Hand Jahr für Jahr aus, und diese Milliarden dürften nicht an Unternehmen gehen, die Tarifflucht begehen.

Es stehen Zeiten der Krisen und großen Umbrüche vor den Menschen. Private Haushalte, so fordert es die DGB-Vorsitzende, müssten von staatlicher Seite entlastet werden, denn alleine mit den Mitteln der Tarifverträge, seien die anstehenden Transformationen für die Menschen nicht zu schaffen. In Bezug auf die Tarifverträge und die aktuellen Abschlüsse zählte Fahimi die Erfolge der Gewerkschaften auf. Auch der betrieblichen Mitbestimmung widmete sich Fahimi. Diese müsse gestärkt werden. Als Beispiel führte sie den Autobauer Ford in Köln an. Hätte es dort keine Mitbestimmung gegeben gäbe es, trotz Verlagerung von Arbeitsplätzen in die USA, heute nicht die Einigung mit dem Management, dass 10 Jahre keine betriebsbedingten Kündigungen ausgesprochen werden dürfen. Es brauche echte Mitbestimmung in den Betriebsräten und Aufsichtsräten und Arbeit braucht mehr Mitbestimmung, so die Folgerung des DGB. Fahimi: „Union Busting ist kein Kavaliersdelikt, sondern eine Straftat und muss genau so beantwortet werden.“

Fahimi sieht den Staat in der Verantwortung bezahlbaren Wohnraum zur Verfügung zu stellen und verwies darauf, dass es in Köln nicht gelinge pro Jahr 6.000 Wohnungen zu bauen. Sie forderte einen „Mietenstopp“ – also ein Einfrieren der aktuellen Mieten – für mindestens drei Jahre. Auch die industrielle Basis der Volkswirtschaft dürfe nicht wegschmelzen und daher brauche es einen Industriestrompreis. Fahimi stellte die Frage, wer dies alles bezahlen solle und hatte eine Antwort parat: „Wir brauchen eine Vermögenssteuer und Erbschaftssteuer, die ihren Namen verdient.“

Die Frauen im Iran und Afghanistan brauchen die ungebrochene Solidarität sehr dringend. Fahimi forderte die dortigen Regime auf, ihren Terror gegen Frauen und Mädchen unverzüglich zu beenden und stellte unter dem Jubel der Tausenden auf dem Kölner Heumarkt fest: „ihr Kampf ist unser Kampf“.

Bildungssystem in NRW kaputtgespart

Für die Bildungsgewerkschaft GEW NRW forderte deren Vorsitzende Ayla Çelik im nordrhein-westfälischen Gelsenkirchen einen Aufbruch und mutige Investitionen in das Bildungssystem: „Das Bildungssystem wurde an allen Enden kaputtgespart: Putz fällt von der Decke, Waschbecken tropfen und Toiletten sind zum Teil nicht begehbar. Ich kann euch von Kindern berichten, die während der Schule nicht auf die Toilette gehen und bis zum Unterrichtsschluss einhalten! Wo sind wir denn gelandet, dass unser Bildungssystem so desolat ist?“ Ein Fokus ihrer Rede lag auf der Kinderarmut, die Çelik plastisch werden ließ. Denn Kinderarmut heiße nicht mitspielen zu können, oft kein anständiges Frühstück vor der Schule oder eine Internetverbindung oder Tablet für Schulaufgaben zu haben. Çelik: „Eine jährliche Schulabbrecherquote von 6,2 Prozent dürfen wir uns nicht leisten. Das kann und darf kann so nicht bleiben! Wir erwarten ganz klar: Die Kindergrundsicherung muss kommen!“

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