Feierlichkeiten zum 1. Mai 1933 in Berlin. Das Foto zeigt Hitlerjugend, die den Hitlergruß zeigt. | Foto: IMAGO / UIG

Köln | Wenn morgen die zentrale Maikundgebung des Deutschen Gewerkschaftsbundes in Köln stattfindet, lohnt der Blick zurück in die Geschichte. Denn es waren ausgerechnet die Nationalsozialisten, die den 1. Mai als „Tag der nationalen Arbeit“ im Jahr der Machtergreifung zum gesetzlichen Staatsfeiertag machten. Einen Tag später am 2. Mai 1933 begann die Zerschlagung der Gewerkschaften. Köln bildete dabei keine Ausnahme.

Heute am 1. Mai 2023 findet in Köln die zentrale Maikundgebung des DGB statt:

Der 1. Mai hat seinen Ursprung in den USA. Dort war der 1. Mai ein sogenannter „Moving Day“. Ein Stichtag, an dem unter anderem Arbeitsverträge aufgehoben oder abgeschlossen wurden. Am 1. Mai 1886 streikten rund 400.000 Arbeiter in den USA für die Einführung eines Achtstunden-Tages, denn sie schufteten oft 13 Stunden am Tag. Vier Jahre später fand am 1. Mai 1890 zum ersten Mal der „Feiertag der Arbeiter“ in Deutschland statt. An diesem beteiligten sich deutschlandweit rund 100.000 Arbeiter, streikten, demonstrierten oder trafen sich zu Maispaziergängen. Auf dem Parteitag der Sozialdemokratischen Partei (SPD) 1890 in Halle beschloss diese den 1. Mai dauerhaft als „Feiertag der Arbeiter“ etablieren zu wollen. Aber selbst in der Weimarer Republik gelang es dem Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbundes (ADGB) und der SPD nicht, den 1. Mai als Feiertag zu etablieren.

Ausgerechnet die Nationalsozialisten machen den 1. Mai zum nationalen Feiertag

Am 30. Januar 1933 ernennt Reichspräsident Paul von Hindenburg Adolf Hitler zum Reichskanzler. Es folgten die Monate der Machtergreifung mit der Reichstagsbrandverordnung und dem Ermächtigungsgesetz. Das Land wurde zur Diktatur. Unter den Arbeitern hatten die neuen Machthaber weit weniger Anhänger, als in anderen Berufsgruppen. Die waren in der Regel sozialdemokratisch oder kommunistisch orientiert. Das Ziel der NS-Führung war es deshalb die Arbeiter in das neue Regime einzubinden und die Gewerkschaften zu entmachten.

Das Naheliegende setzte das NS-Regime um: Der 1. Mai 1933 wurde zum „Tag der nationalen Arbeit“ und zum gesetzlichen Feiertag erklärt, bei voller Lohnfortzahlung. Kommunikativ okkupierten die NS-Propagandisten den Tag und titelten perfide populistisch auf einem Bildheft zur 1-Mai-Feier 1933 in Berlin: „Der erste deutsche Mai“. Schon da fehlt das Wort „Arbeit“ und das NS-Regime begann den Tag umzudeuten. Bildlich zu sehen: Hakenkreuzfahnen und fröhliche Menschen, die den Hitlergruß zeigen. Anstatt auf Konfrontationskurs mit dem NS-Regime zu gehen, beteiligte sich der ADGB an den Maifeiern 1933. Die Nationalsozialisten vereinnahmten den 1. Mai für ihre Zwecke, wie schon der Titel des Bildhefts zeigt und inszenierten Massenaufmärsche und Kundgebungen und suggerierten Arbeiterfreundlichkeit.

Damit war aber schon einen Tag später Schluss. Gut vorbereitet durch Robert Ley begann am 2. Mai die Gleichschaltung der Gewerkschaften. Mitglieder der Sturmabtleilung (SA) und der Nationalsozialistischen Betriebszellenorganisation (NSBO) besetzten die Räume der im ADGB organisierten Freien Gewerkschaften. Führende Gewerkschafter wurden in „Schutzhaft“ genommen und das Gewerkschaftsvermögen beschlagnahmt. Bis Ende Juni 1933 war die Gleichschaltung der Gewerkschaften abgeschlossen: Auch der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) und der Hirsch-Dunckersche Gewerkverein waren in die Deutsche Arbeitsfront eingegliedert.

Ein Jahr später wurde der 1. Mai umbenannt

Das NS-Regime verdrängte die Bedeutung als wichtiger Tag der internationalen Arbeiterschaft sofort. 1934 wurde der 1. Mai in Deutschland als „Nationaler Feiertag des deutschen Volkes“ begangen. Der Tag wurde umgedeutet und in den Kontext heidnischen germanischen Brauchtums gestellt als Festtag zum Frühlingsbeginn. Übernommen wurde die Tradition der Maibäume und die Feiern wurden mit Hakenkreuzfahnen, den Symbolen der Deutschen Arbeitsfront oder der Freizeitorganisation Kraft durch Freude inszeniert.

Daneben wurden die Städte und Ortschaften geschmückt, es gab ein „Mai Einsingen“ und neben Frühlingsliedern wurden Lieder mit politischem Charakter gesungen. Am 1. Mai fanden Festumzüge statt an denen Wehrmacht, Sturmabteilung (SA), Schutzstaffel (SS) und die Hitlerjugend mitmarschierte. Alle NS-Organisationen waren eingebunden in Vorbereitung und Inszenierung des Tages. Der zentrale Staatsakt mit über einer Million Teilnehmer war in Berlin. Hitlers Rede wurde im Rundfunk übertragen. Bei der ersten Maifeier pflanzte Hitler 1933 auf dem Tempelhofer Feld eine sogenannte „Hindenburg-Eiche“. An anderen Orten in Deutschland wurden „Hitler-Eichen“ gepflanzt. Die Nationalsozialisten machten aus dem 1. Mai, dem Feiertag der Arbeiter eine pathetische Inszenierung von Massenauftritten und perfektionierten die Ästhetisierung der politischen Macht.

Der DGB spricht heute von einer tragischen Fehleinschätzung

Der DGB stellt heute fest, dass die damaligen Gewerkschaftsfunktionäre einer tragischen Fehleinschätzung unterlagen. So seien die Gewerkschaften in einer internen Lageeinschätzung zu Beginn der Herrschaft des NS-Regimes davon ausgegangen, dass sie sich als unpolitische berufsständische Organisationen durchlavieren könnten. Zudem gingen sie davon aus, dass das NS-Regime nicht allzu lange an der Macht bleiben könnte. Wie sich schon am 2. Mai 1933 zeigte eine völlig falsche Einschätzung. Bereits im Sommer 1933 wurde von Unbekannten die „Hindenburg-Eiche“ auf dem Tempelhofer Feld bereits wieder gefällt und bis 1945 starteten Oppositionelle Aktionen rund um den 1. Mai.

Der 1. Mai in Ost und West nach dem Zweiten Weltkrieg

Nach dem Zweiten Weltkrieg war es der Alliierte Kontrollrat, der im Jahr 1946 den 1. Mai im Westen als gesetzlichen Feiertag bestätigte. 13 Jahre nach der Okkupation des 1. Mai durch die Nationalsozialisten gehörte der 1. Mai wieder den Gewerkschaften und Arbeitern. Nach der Gründung des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) im Jahr 1949 zeichnet dieser für die zentrale Maifeiern in Westdeutschland verantwortlich. In der ehemaligen DDR, war der 1. Mai ebenfalls ein staatlich garantierter Feiertag aber auch staatlich verordnetes Ritual, anders als im Westen. Zu Zeiten des Kalten Krieges gab es in Ostberlin sogar eine Militärparade nach sowjetischem Vorbild zu den Maifeierlichkeiten.