Köln | Im Spätherbst des Jahres 2008 wurde der Masterplan Köln vorgestellt und wenige Wochen später vom Kölner Stadtrat als Regelwerk für die zukünftige Stadtentwicklung beschlossen. Die Vertreter des Auftraggebers haben am heutigen Freitag ein eher ernüchterndes Fazit gezogen. Vieles blieb liegen, nur wenige Projekte sind realisiert und andere haben sich als überholt erwiesen. Zeit für einen „Relaunch“.

Der Ausgangspunkt für die Initiatoren war eine tiefe Unzufriedenheit über das Erscheinungsbild der Domstadt. „In Köln fehlt ein Stadtbaumeister. Statt konzeptionellem Denken war die Kölner Stadtentwicklung geprägt von Stückwerk“, beschreibt Paul Bauwens-Adenauer, vor zehn Jahren Präsident der Industrie- und Handelskammer und damals Vorsitzender des Vereins Unternehmer für die Region Köln e.V.. Nach zehn Jahren Vorverhandlungen wurde schließlich das renommierte Frankfurter Stadtplanungsbüro von Prof. Dr. Albert Speer mit der Durchführung dieses Anliegens beauftragt. Nach rund einem Jahr stand das Regelwerk in Form eines sperrigen, 150 Seiten umfassenden Katalogs mit Interventionsräumen und konkreten Projekten.

Dr. Ulrich Soénius (links) und Paul Bauwens-Adenauer haben die Hoffnung für mehr Aufenthaltsqualität in Köln nicht verloren. Die Kritik aber überwog.

Während seiner Entstehung war der Masterplan zugleich auch ein Stück Beteiligungsprozess, nicht nur in Richtung Bürgerschaft, die in acht großen öffentlichen Innenstadtforen in die Überlegungen einbezogen wurden und mitdiskutieren dürften. Auch die Ratspolitiker und die Verwaltung, nach der Verfassung die maßgeblichen Akteure der kommunalen Selbstverwaltung, mussten integriert und überzeugt werden. „So wurden aus zunächst zwölf anvisierten insgesamt 110 Ämterrunden“, ergänzt Dr. Ulrich Soénius, heute stellvertretender Hauptgeschäftsführer der IHK und seit zehn Jahren Adenauers Vize im Verein. Drei Werkstattgespräche zur Abstimmung aller beteiligten Akteure (darunter auch Experten aus verschiedenen Bereichen) rundeten das Prozessdesign zum Masterplan ab.

Umsetzung kommt (zu) langsam voran

Auch wenn der damalige Beschluss und die Erstellung des Masterplans aus Sicht der Auftraggeber, die immerhin eine halbe Million Euro zur Finanzierung des Vorhabens einsammelten, durchaus als beachtenswerter Erfolg angesehen werden kann, die Umsetzung lässt an vielen Stellen weiter auf sich warten. Positive Beispiele gibt es nur wenige. So ist auf der rechten Rheinseite mit dem Ottoplatz ein ansehnliches Stück Stadtraum entstanden. Auch das inzwischen fertiggestellte Mülheimer Rheinufer mit den Plänen für einen Grünzug gehört zu den guten Projekten. Aber schon das Beispiel Breslauer Platz ließ durchblicken, dass selbst innerhalb der Initiatoren durchaus unterschiedliche Meinungen bestehen. So ist der Masterplan vor allem als Regiebuch zu verstehen, der Orientierung geben soll, ohne allzu sehr ins Detail zu gehen.

Der Ebertplatz bleibt trotz wieder ertüchtigtem Wasserspiel ein Beispiel für mangelnden Umsetzungswillen, nicht das einzige.

Die augenscheinlichsten Flops sind nach Meinung von Bauwens-Adenauer und Soénius das größtenteils unveränderte Erscheinungsbild der Ringe mit ihren zentralen Plätzen (Ebertplatz, Barbarossaplatz und Rudolfplatz) sowie die wohl größte Narbe im Stadtbild, die Nord-Süd-Fahrt. Und genau hier liegt der zentrale Kritikpunkt der beiden Initiatoren. „Wir haben nach wie vor das Problem: Wo geht man mit auswärtigen Gästen hin? An vielen Stellen wird unverändert rumgebrozelt“, bemerkte Bauwens-Adenauer. „2012 hatten wir ein Werkstattverfahren zur Aufwertung der Ringe, passiert ist seither nichts. Auch hier wird rumgefrickelt“, ergänzte Soénius. Nicht mal ein Gestaltungshandbuch, dass dem „Ring-Boulevard“ rund um die historische Altstadt einen großstädtischen Flair geben sollte, habe man umgesetzt. So findet man nachwievor verschiedene Bodenbeläge und andere Stadtmöbel, die kein einheitliches und durchgängiges Erscheinungsbild bieten und an vielen Stellen offensichtliche Verschleißerscheinungen zeigen.

Katastrophal auch das Erscheinungsbild rund um den Dom. Hier wird demnächst das Römisch-Germanische Museum um eine neue „Historische Mitte“ ergänzt, eine Dauerbaustelle für viele Jahre. Zudem befindet sich unter der so genannten „Domplatte“ ein Parkhaus, das ebenfalls nicht zu den städtebaulichen Perlen gehöre, um die Kritik wohlfeil zu umschreiben. Zuletzt bietet der Anblick des altehrwürdigen Domhotels mit seinen Stützbauten ein Bild des Gruselns. „Alles abgetötet. Man kann nicht das ganze Jahr einen Weihnachtsmarkt veranstalten“, so der wenig schmeichelhafte Kommentar von Bauwens-Adenauer. Immerhin habe man das östliche Domumfeld zum Rhein hin von Angsträumen und verwahrlosten Ecken bereinigen können. Die Domtreppe zum Bahnhofsvorplatz war bereits 2005 zum Weltjugendtag realisiert worden. Auch hier habe man nicht wirklich anknüpfen können.

Hoffnung ruhen auf den Verantwortlichen und einigen Leitprojekten

Hohes Lob hatten die beiden jedoch für den neuen Baudezernenten Markus Greitemann übrig. Der sei ein „Umsetzer“ und ein vehementer Unterstützer des Kerngedankens des Masterplans. Das hat sicher auch mit seiner beruflichen Laufbahn zu tun, hat er doch als Baudezernent der Kölner Universität selbst einige von Speer ins Spiel gebrachte Bauprojekte der Uni (Studierendenhaus, Institut für Optoelektronik u.a.) umsetzen können. Ihn im Speziellen müsse man nicht mehr an den Masterplan erinnern, so die beiden Initiatoren weiter.

Trotz geänderter Verkehrsführung. Die Ost-West-Achse lässt viel Luft nach Oben.

Jüngste Beschlüsse zum Deutzer Hafen, zur Parkstadt-Süd oder zur Ost-West-Achse machen ebenfalls Hoffnung. Bei Letzterem forderten Soénius und Bauwens-Adenauer aber erneut mehr Mut zur Größe. „Alle innerstädtischen Stadtbahnen müssen unter die Erde“, begründeten beide die große Lösung für eine Untertunnelung des Stadtbahnverkehrs von Deutz bis zum Aachener Weiher. Auch hier schimmerte wieder die Kritik am „Gemurkse“ der Stadtpolitik durch. Andere Vorhaben wie die beiden erstgenannten seien aber zumindest auf dem Weg und in zehn Jahren voraussichtlich in der Realisierung. In Sachen Nord-Süd-Fahrt zeichnet sich jedoch unverändert keine durchgreifende Verbesserung ab, hier wirkt nach, dass sich Auftraggeber und Stadtplaner schon vor zehn Jahren nicht einig waren. Während der Auftraggeber sich auch hier eine „große Lösung“ gewünscht hatte, beließ es Speer bei eher kosmetischen Änderungen in seinen Handlungsempfehlungen. Positiv betrachtet ist dies jedoch auch der Nachweis, dass Speer „kein Gefälligkeitsgutachten“ gemacht habe, merkte Soénius an.

Geänderte Vorzeichen und die wichtige Rolle urbaner Mobilität

Andere Aspekte wie beispielsweise die Verkehrsbeziehungen haben sich in den vergangenen derart drastisch geändert, dass man auch über eine Weiterentwicklung des Masterplan reden müsse. Entsprechende Vorgespräche mit dem zuständigen Beigeordneten verliefen hoffnungsvoll, verrieten die beiden.Tatsächlich habe der Radverkehr enorm zugenommen und werde in vielen Teilen der Stadt noch immer über enge oder gar keine Radwege geführt. Die Einrichtung von Radstreifen auf den Ringen wurde als Positivbeispiel erst gar nicht erwähnt, zu groß die Erwartungen an die Aufwertung der Ringe. Hier überwog die Kritik.

Auf der Ost-West-Achse ließe sich jedoch der große Wurf erreichen. Würde die „große Tunnellösung“ realisiert, spräche nichts gegen eine zwölf Meter breite „Radautobahn“, die auch über die Deutzer Brücke führen könnte. Dass diese Lösung jedoch mit einem Verkehrswert von deutlich unter „1“ wegkam und voraussichtlich nicht berücksichtigt werden soll, war für Soénius und Bauwens-Adenauer ein weiterer Kritikpunkt. Andere Forderungen wie die Realisierung eines Kölner S-Bahn-Rings liegen nicht alleine in städtischer Hand, würden aber ihren Teil zu einer effizienteren urbanen Mobilität beitragen.

Den Verkehr aufrechterhalten und das Stadtbild attraktivieren. In Köln tut man sich trotz Masterplan schwer damit.

Überhaupt spielt der Verkehr eine zentrale Rolle im konzeptionelles Denken, stammt der Impuls doch ursprünglich aus den Reihen der Kölner Wirtschaft. Ein zentraler Kritikpunkt ist der so genannte „ruhende Verkehrs“, ein besonders in Köln ausgeprägtes Unding. Auch dieses Phänomen verschandele das Stadtbild, engt es den ohnehin eng bemessenen Raum für Fußgänger an vielen Stellen zusätzlich ein. Das am gestrigen Donnerstag beschlossene Konzept für Quartiersgaragen könnte auch in diesem Kritikpunkt ein erster Schritt in die richtige Richtung sein. Kurzfristig aber mangelt es auch hier am Gestaltungswillen. Ausgerechnet der von SPD und Linken eingebrachte Vorschlag die Abstellflächen für Kfz zu „Mobilitätshäusern“ weiterzuentwickeln, wurde zurückgewiesen.

Weitere Aspekte und ein Plädoyer für den Masterplan 2.0

Sogar bisher „Heilige Kühe“ wie etwa das vor Jahren beschlossene Hochhauskonzept für die Kölner Innenstadt prangerten die beiden an. „In allen Großstädten sind sechsgeschossige Gebäude der Standard. Die Bebauung in Köln, auch in der bevölkerten Kölner Innenstadt ist zu niedrig“, bemängelte Bauwens-Adenauer. Andere Vorschläge des Masterplans und seines Urhebers aber seien durch die Entwicklung seither überholt. Insbesondere die Betonung des Rheins als „verbindendes Element“ der beiden Stadthälften und die hier von Speer vorgeschlagenen Maßnahmen eines „Rhein-Rundgangs“ und rheinnaher Museumsbauten seien wenig nutzstiftend, so Soénius, der seit mehr als einem Jahrzehnt als sachkundiger Einwohner Mitglied im Stadtentwicklungsausschuss ist.

Ausgehend von den geänderten Vorzeichen sprachen sich beide für eine Fortschreibung und Weiterentwicklung des Masterplans aus. Neben der Wiederbelebung der Lenkungsgruppe, die nach der Reduzierung von vier auf zwei Treffen pro Jahr eher ein Schattendasein fristet, schwebt den beiden ein erneuter Anlauf für eine Generaldebatte vor. Die sollte auch von auswärtigen Experten, gerne auch aus dem europäischen Ausland, begleitet werden, um die in Köln virulenten Befindlichkeiten ein wenig auszubremsen. „Vielleicht könnte man ein Milliönchen vom Opernbetrag abzwacken, um das zu realisieren. Das zehnjährige Jubiläum wäre ein guter Anlass“, so Bauwens-Adenauer abschließend.

Autor: Ralph Kruppa
Foto: Köln und seine Baustellen. Auch zehn Jahre nach dem Masterplan für die Innenstadt hat sich wenig zum Besseren gewendet.