Poller Bürger kümmern sich am 9. November 2023 um Stolpersteine, die in ihrem Veedel verlegt sind. | Foto: Bopp

Köln | In der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 war in Deutschland Reichspogromnacht. Das war vor 85 Jahren. Dieses Datum nehmen Poller Bürger die im Netzwerk Poller Vereine und des Poller Heimatmuseums engagiert sind zum Anlass sich um die Stolpersteine in ihrem Veedel zu kümmern.

Poller Bürger beim Reinigen von Stolpersteinen am 9. November 2023. | Foto: Bopp

Sie wollen mit ihren Blumen und dem Polieren von Stolpersteinen an die Reichskristallnacht, den Poller Mob erinnern und sich gegen Rassismus und Antisemitismus stellen. Aus Sicherheitsgründen baten sie darum den Termin nicht vorab zu veröffentlichen. Die Poller nennen es Erinnerungsgang. An 18 Stolpersteinen in Poll werden sie Tafeln legen mit der Mahnung gegen Mord, Rassismus, Fremdenhass, Antisemitismus und Gewalt. Und Rosen.

Erinnerungsgang von Poller Bürgern am 9. November 2023. | Foto: Bopp

Am späten Nachmittag des 9. November 1938 machten sich laut des mittlerweile verstorbenen Zeitzeugen Hans Türk Jugendliche der Hitlerjugend auf den Weg durchs Veedel. Der begann auf er Siegburgerstraße. Türk schildert die Situation so: „Vor der Haltestelle Poll sah ich bereits die Verwüstung bei dem Juden Scheye. Jugendliche in HJ-Uniform zertrümmerten die Möbel und warfen diese auf den Hof. SA-Leute beaufsichtigten sie dabei. Neben dem Haus der Fam Scheye war damals ein Kiosk. Der Sohn des Kioskbesitzers, der selber SA-Mann war, wollte die Zerstörung aufhalten, aber er wurde scharf angegriffen. Nachdem dort alles zertrümmert war, machten sich die Unholde 30 Meter weiter an den Geleisen der Hafenbahn die Taschen voll Steine und gingen die Salmstraße entlang zum Futtermittelhändler Marx. Von dem Frisörgeschäft auf der gegenüberliegenden Seite der Straße warfen die mit den Steinen die Fensterscheiben ein. Bevor ich nun. nach Hause lief, sah ich noch den Zusteller vom ‚Westdeutschen Beobachter‘ kommen, sicher auch ein Parteigenosse, dem war das auch zu viel, er wollte Einhalt gebieten, aber er wurde überstimmt. Polizisten sah man nirgends.“

Die Schilderung von Türk zeigt eindringlich, dass Köln eben nicht der vielzitierte Ort des Widerstands war, sondern in vielen Veedeln die Aktionen der Nationalsozialisten beklatscht wurden und die Behörden mitmachten. So auch in Ehrenfeld, wo die Kölner Feuerwehr 1938 lediglich verhinderte, dass die Flammen der brennenden Synagoge auf die anderen Häuser übergriffen. Den Brand in der Synagoge löschte die Kölner Wehr nicht.

Den Erinnerungsgang bestreiten in diesem Jahr Albert Ackermann, Werner Alt, Helmut Brosius, Hans Burgwinkel, Marlies Meurer vom Netzwerk Poller Vereine. Neben der Erinnerung an die Pogrome der Reichskristallnacht wird auch an den Rassismus gegen Aus- und Übersiedler sowie Flüchtlinge aus Jugoslawien in den Jahren 1990 und 2012 erinnert.

ag