Das Symbolfoto zeigt Cannabis.

Köln | In Köln wird gekifft und es gibt Headshops mit Utensilien für den Cannabis-Genuss. Die Beschaffung nach wie vor illegal, wie die Berichterstattung rund um den Ebertplatz zeigt. Die Bundesregierung und die Ampel-Parteien legen jetzt über das Bundesgesundheitsministerium ein Eckpunktepapier vor – keinen Gesetzesentwurf – zur Cannabis-Legalisierung. Es gibt Kritik und Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach verteidigt sein Eckpunktepapier. Hier zusammengefasst die Debatte und offene Fragen.

Das Eckpunktepapier

Es ist wichtig zu verstehen, dass Lauterbach und die Ampel keinen Gesetzesentwurf für die Legalisierung von Cannabis vorlegen. Das Eckpunktepapier der Ampel wird zunächst der EU-Kommission zugeleitet, die dieses prüfen solle. Sagt die EU-Kommission nein zu dem Eckpunktepapier wird die Bundesregierung daraus keinen Gesetzesentwurf erarbeiten. Damit wäre die Legalisierung zunächst wieder vom Tisch.

Das lässt die Bundesregierung jetzt von der EU-Kommission prüfen

  • • Cannabis und Tetrahydrocannabinol (THC) werden rechtlich nicht mehr als Betäubungsmittel eingestuft.
  • • Die Produktion, die Lieferung und der Vertrieb werden innerhalb eines lizenzierten und staatlich kontrollierten Rahmens zugelassen.
  • • Der Erwerb und der Besitz bis zu einer Höchstmenge von 20 bis 30 Gramm Genusscannabis zum Eigenkonsum im privaten und öffentlichen Raum werden straffrei ermöglicht.
  • • Privater Eigenanbau wird in begrenztem Umfang erlaubt. Etwa drei Pflanzen.
  • • Laufende Ermittlungs- und Strafverfahren sollen zu dann nicht mehr strafbaren Handlungen beendet werden.
  • • Der Vertrieb darf mit Alterskontrolle in lizenzierten Fachgeschäften und unter Umständen in Apotheken erfolgen. 
  • Werbung für Cannabisprodukte wird untersagt.
  • • Es werden Vorgaben festgelegt, um die Qualität und Reinheit sicherzustellen.
  • • Als Mindestaltersgrenze für Verkauf und Erwerb wird die Vollendung des 18. Lebensjahres festgelegt (unter Umständen mit einer Obergrenze für den THC-Gehalt bis zum 21. Lebensjahr)
  • • Es ist die Einführung einer besonderen Verbrauchssteuer („Cannabissteuer“) vorgesehen.
  • • Die cannabisbezogene Aufklärungs- und Präventionsarbeit sowie zielgruppenspezifische Beratungs- und Behandlungsangebote werden weiterentwickelt

Hilft das den Schwarzmarkt am Ebertplatz trocken zu legen?

Würde die Ampel grünes Licht aus Brüssel bekommen und das Eckpunktepapier in einen Gesetzentwurf packen, der dann auch noch den Bundestag und Bundesrat passiert, dann könnten Meldungen wie die vom 20. Juli der Kölner Polizei vielleicht der Vergangenheit angehören. Damals führten die Beamten eine Razzia auf dem Kölner Ebertplatz durch und fanden mit Hilfe von Diensthunden 85 Konsumeinheiten verschiedener Drogen darunter auch Cannabis. Ein 18-Jähriger führte damals auch Cannabis mit sich, das wäre dann wahrscheinlich legal gewesen. Offen ist allerdings auch, ob die Rechnung der Koalitionäre aufgeht oder der Schwarzmarkt mit Kampfpreisen auf die legal abgegebenen Produkte reagiert. Weitere Fragen werfen auch die Vertreter der Polizei auf, etwa wie sie illegal erworbenes Cannabis, um im Beispiel zu bleiben am Ebertplatz, von legal erworbenen unterscheiden sollen?

Der Verteidiger

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) verteidigt die Pläne zur Legalisierung von Cannabis. „Ich glaube, dass es richtig ist, dass wir mit dem arbeiten, was von Wissenschaft und Experten als bester Weg gesehen wird“, sagte er am Mittwoch in den ARD-Tagesthemen. Man werde es offensiv versuchen und nach drei oder vier Jahren die Ergebnisse auswerten.

„Wenn es nicht überzeugend funktioniert hat, dann muss man andere Wege gehen.“ Der Gesundheitsminister stimmt den Bedenken von Kinder- und Jugendärzten zu, sieht aber gerade deswegen die Pläne zur Legalisierung als den richtigen Weg. Ein unreguliertes Produkt, wie es derzeit auf dem Schwarzmarkt zu haben ist, mit einer teils toxischen Dosierung, habe nur Nachteile.

25 Prozent in der Altersgruppe der 18- bis 25-Jährigen hätten im letzten Jahr gekifft, so Lauterbach. „Das kann uns nicht zufriedenstellen.“ Insofern sei eine Legalisierung von Cannabis mit einer niedrigen THC-Dosierung der bessere Weg im Vergleich zu einem vollständig unkontrollierten Handel wie gegenwärtig.

„Wenn wir die Abgabe kontrollieren, dann kann es uns gelingen, dafür zu sorgen, dass wir mehr Jugendschutz haben“, sagte der Gesundheitsminister. Restrisiken gebe es jedoch immer.

Die Kritiker

Bundesärztekammer positioniert sich gegen Cannabis-Legalisierung

Die Bundesärztekammer lehnt die von der Ampel-Koalition geplante Legalisierung von Cannabis ab. Es sei „erschreckend, dass sich ein Gesundheitsminister, der zugleich Arzt ist, für die Legalisierung einer Droge einsetzen muss“, sagte Klaus Reinhardt, Präsident der Bundesärztekammer, den Zeitungen der Funke-Mediengruppe (Donnerstagausgaben).

„Der Konsum von Cannabis ist nicht harmlos. Er kann Depressionen und Psychosen auslösen sowie zu Abhängigkeiten und Entwicklungsstörungen führen – gerade bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen.“ Dringend benötigt würden deshalb laut Reinhardt effektive Präventions- und Therapieprogramme für Konsumenten. „Die Bundesregierung bagatellisiert mit der Legalisierung die gesundheitlichen Gefahren des Cannabis-Konsums und konterkariert die präventiven Bemühungen im Suchtbereich“, so der Ärztevertreter.

Die Erwartung, dass durch die Regulierung, Legalisierung und Entkriminalisierung der Schaden verringert werde, den Drogen anrichten, sei nicht belegt, sagte Reinhardt den Funke-Zeitungen. Erfahrungen aus anderen Ländern, die diesen Weg bereits gegangen sind, würden zudem darauf hindeuten, dass ein erhöhter Konsum zu mehr cannabisbedingten Notaufnahmen und einem steigenden psychiatrischen Behandlungsbedarf führt. Auch müsse man nach der Freigabe mit mehr tödlichen Verkehrsunfällen unter Cannabis-Einfluss rechnen.

„Der Hinweis auf höhere Steuereinnahmen durch den legalen Cannabis-Verkauf ist in diesem Zusammenhang geradezu ein zynisches Argument“, so Reinhardt.

Cannabis-Eckpunkte stoßen in Opposition auf Kritik

Die Eckpunkte des Bundesgesundheitsministeriums zur Abgabe von Cannabis an Erwachsene sind in der Opposition auf Kritik gestoßen. „Die gravierenden gesundheitlichen Gefahren des Cannabis-Konsums werden in den Eckpunkten nur ungenügend berücksichtigt“, sagte Tino Sorge, gesundheitspolitischer Sprecher der Unionsfraktion, den Zeitungen der Funke-Mediengruppe (Donnerstagsausgaben). Irreversible Schäden würden billigend in Kauf genommen.

„Hier wird Ideologie vor Gesundheit gestellt.“ Auch beim Schutz von Kindern und Jugendlichen gebe es eklatante Lücken, so Sorge. Wie bei einem straffreien Eigenanbau zu Hause verhindert werden solle, dass Kinder Zugang zu den Cannabis-Pflanzen haben, bleibe völlig offen.

Die Linke äußerte sich deutlich positiver zu den Eckpunkten, forderte aber Nachbesserungen. „Eine Regelung zu sogenannten Cannabis-Social-Clubs fehlt in den Eckpunkten genauso wie Grenzwerte zur Fahrtüchtigkeit“, sagte Linken-Chef Martin Schirdewan. Der sogenannte Finanzierungsvorbehalt mache vor allem Sorge: „Insbesondere zur Prävention und Aufklärung muss Geld in die Hand genommen werden.“

Positiv bewertete Schirdewan den Rückzieher bei THC-Obergrenzen. Dies sei eine Voraussetzung, „um den Cannabis-Schwarzmarkt trockenlegen zu können“. Der Beauftragte der Bundesregierung für Sucht- und Drogenfragen, Burkhard Blienert, lobte unterdessen die Eckpunkte.

„Wir sind mit dem heutigen Tag der kontrollierten Abgabe von Cannabis an Erwachsene einen wichtigen Schritt näher gekommen“, sagte er der „Rheinischen Post“ (Donnerstagsausgabe). Als Sucht- und Drogenbeauftragter gehe es ihm in erster Linie um den Gesundheitsschutz der Konsumenten. „Gleichauf mit dem Jugendschutz, dem wir durch ein absolutes Werbeverbot, den Ausbau von Aufklärungs- und Präventionsarbeit und einer weiterhin verbotenen Abgabe an Minderjährige gerecht werden.“

Man wolle gerade bei der Werbung nicht die gleichen Fehler wie bei Alkohol und Tabak machen, denn Kinder und Jugendliche reagierten am stärksten auf die Reize und Versprechungen der Werbeindustrie. Ziel sei ein „Neuanfang in der hiesigen Drogenpolitik“. Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hatte die Eckpunkte zur legalen Abgabe von Cannabis zu Genusszwecken an Erwachsene am Mittwochmittag vorgestellt. Das Projekt wurde bereits im Koalitionsvertrag avisiert.

Kinderärzte warnen vor geplanter Cannabis-Legalisierung

Der Chef des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte, Thomas Fischbach, hat vor der geplanten Cannabis-Legalisierung gewarnt und Änderungen an den vorgelegten Eckpunkten angemahnt. „Uns als Kinder- und Jugendärzte wäre es lieber, wenn die Cannabis-Legalisierung nicht kommt. Sollte die Bundesregierung aber eine Lösung für die europarechtlichen Hürden finden, braucht es zwingend Nachbesserungen der vorgelegten Pläne“, sagte Fischbach der „Rheinischen Post“ (Donnerstag), nachdem Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) die Eckpunkte am Mittwoch vorgestellt hatte.

Allen voran könne es nicht sein, dass bereits 18-Jährige Cannabis ohne THC-Obergrenze kaufen könnten, sagte Fischbach. „Die vorgesehene Prüfung einer solchen Obergrenze käme hoffentlich zu dem Ergebnis, dass es eine Staffelung nach Alter braucht“, sagte der Verbandschef. Das menschliche Hirn sei bis zum 25. Lebensjahr noch nicht vollständig ausgereift.

„Regelmäßiger Cannabiskonsum kann bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen irreparable Hirnschäden verursachen, bis hin zu einer dauerhaften Einschränkung der intellektuellen Leistungsfähigkeit und der sozialen Kompetenz.“ Die Schutzmaßnahmen für unter 21-Jährige müssten deutlich strenger sein als für ältere Erwachsene. „Zudem ist noch keine Lösung erkennbar, wie die Weitergabe von legal erworbenem Cannabis an Jugendliche unter 18 unterbunden werden kann. Mit einer Legalisierung würde das viel häufiger passieren, mit dramatischen Folgen für die Gesundheit der Jugendlichen“, warnte Fischbach. Außerdem käme eine Evaluierung nach vier Jahren viel zu spät, es brauche fortlaufende Untersuchungen der gesellschaftlichen Folgen.

Kriminalbeamte haben viele Fragen zu Cannabis-Legalisierung

Der Bund Deutscher Kriminalbeamter (BDK) sieht bei den Plänen der Bundesregierung für eine Legalisierung von Cannabis noch unbeantwortete Fragen. „Wir befürworten grundsätzlich eine Entkriminalisierung“, sagte Dirk Peglow, Bundesvorsitzender des BDK, den Zeitungen der Funke-Mediengruppe (Donnerstagausgaben) in Bezug auf Konsumenten aller Betäubungsmittel. Wenn Kollegen zum Beispiel bei einer Kontrolle Cannabis finden, könnten sie aber kaum wissen, ob das legal gekauft wurde, sagte Peglow.

„Was ist, wenn Eltern Cannabis-Pflanzen im Haus haben – wie wird sichergestellt, dass Kinder und Jugendliche dazu keinen Zugang haben? Wie wird generell Jugendschutz garantiert?“ Illegale Händler würden sich zunehmend auf Jugendliche als Kunden konzentrieren, wenn Erwachsene legal kaufen könnten, so der BDK-Chef. „Das sind Dinge, die geklärt werden müssen, bevor ein Gesetz verabschiedet wird.“ Offen sei auch, ob eine Abgabe zu Genusszwecken mit dem Europarecht vereinbar ist.

Der BDK plädiert zudem für mehr Investitionen in Prävention. Mögliche Steuereinnahmen aus dem Verkauf von Cannabis sollten in bundesweite, unbefristete Aufklärungs- und Präventionskampagnen fließen, sagte Peglow. Lehrer müssten in die Lage versetzt werden, nachhaltige Prävention in den Schulen durchzuführen.

Polizeiliche Ressourcen, die durch eine Legalisierung frei würden, sollten auf die Bekämpfung organisierter Drogenkriminalität fokussiert werden. „Aktuell stellt der illegale Handel ein Geschäft von hunderten Millionen Euro im Jahr dar“, sagte er. „Das werden diejenigen, die diese Geschäfte betreiben, nicht einfach aufgeben.“

red01