Das undatierte Symbolfoto zeigt Gangways des Flughafen in Düsseldorf.

Köln | Im Jahr 2021 wurden deutlich mehr Menschen über Flughäfen in NRW abgeschoben als im ersten Pandemiejahr 2020. Das zeigt der Jahresbericht 2021 der Abschiebungsbeobachtung, der unabhängigen Abschiebungsbeobachtung an Flughäfen in Nordrhein-Westfalen.

Mehr Abschiebungen in 2021

Insgesamt wurden aus Deutschland 10.349 Menschen 2021 abgeschoben. Aus NRW über alle Flughäfen insgesamt 2.361. Dabei werden die meisten Abschiebungen über den Flughafen Düsseldorf abgewickelt und alleine von dort 2.171 Menschen rückgeführt. Das sind deutlich mehr als 2020, als die Zahl bei 1.767 lag. Aber weniger als noch in 2019: im Vor-Pandemie-Jahr schoben die Behörden 4.072 Menschen ab. Die geringere Zahl an Abschiebungen läge immer noch an der Corona-Pandemie und Einreisbeschränkungen von Zielstaaten.  

Seit Anfang 2020 finden Abschiebeflüge über den Flughafen Köln Bonn statt. Auch hier stieg die Zahl der abgeschobenen Menschen 2021 auf 184 Personen an. Im Vorjahr lag diese Zahl nur bei 106. Über den Flughafen in Dortmund wurden 6 Menschen abgeschoben.

Auch über den Flughafen Köln Bonn finden Abschiebeflüge im Rahmen von Frontex-Maßnahmen statt. Insgesamt lag die Zahl der Flüge aus Düsseldorf und Köln/Bonn bei 18 und stieg damit um 2 Flüge gegenüber dem Vorjahr.

Die Chartermaschinen aus allen Flughäfen in NRW flogen folgende Länder an:

• Albanien: 10 Flüge
• Kosovo: 10 Flüge
• Nordmazedonien: 10 Flüge
• Serbien: 7 Flüge
• Georgien: 6 Flüge
• Guinea: 4 Flüge
• Ghana: 5 Flüge
• Nigeria: 3 Flüge

Nachdem die Taliban in Afghanistan die Herrschaft übernahmen fanden keine Abschiebeflüge mehr in dieses Land aus NRW statt.

Die Abschiebungsbeobachtung dient der höheren Transparenz im Abschiebungsvollzug. Eine Bewertung der Rechtmäßigkeit der Rückführungsentscheidung selbst ist jedoch nicht Aufgabe der Abschiebungsbeobachtung und erfolgt demnach nicht.

Im Jahr 2021 fielen der Abschiebebeobachtung 119 Fälle auf, die diese als diskussionswürdig einstufte. In 40 Fällen davon war NRW nicht zuständig. Beobachtet wurden im Berichtsjahr 812 Einzel- bzw. Familienfälle. Das bedeutet, dass in 14,7 % der insgesamt beobachteten Fälle kritische Nachfragen von den Abschiebungsbeobachter:innen gestellt wurden. In 16 Fällen wurde die Rückführungsmaßnahme abgebrochen. Insgesamt wurden 37 Fälle in Düsseldorf und 5 Fälle in Köln Bonn abgebrochen.

Gründe für den Abbruch waren: Mitnahmeverweigerung der Fluggesellschaft/des Flugzeugführers (14), eingelegte Rechtsmittel (12), medizinische Bedenken (8), Widerstandshandlungen seitens der Rückzuführenden (6), Übernahmeverweigerung durch die Bundespolizei (1) sowie versuchte Selbstverletzung/versuchter Suizid (1).

Die Beobachter stellen fest, dass die Fallkonstellationen an Komplexität zunehmen. Sie stellen in ihrem Bericht fest: „Grundsätzlich ist festzuhalten, dass Rückführungsmaßnahmen, die über Flughäfen in NRW vollzogen werden, in der Regel gut vorbereitet sind und ordnungsgemäß ablaufen. Allerdings gibt es in einzelnen Bereichen Verbesserungsbedarf. Die Abschiebungsbeobachtung machte daher in Bezug auf einzelne Aspekte, beispielsweise im Zusammenhang mit den Themen „Abschiebung und Gesundheit“ oder „Abschiebung und Kindeswohl“ auf aus ihrer Sicht bestehende Defizite aufmerksam.“

Die Beobachter konnten von 52 Charterfliegern 36 beobachten. Bei Rückführungen auf Linienflügen kontrollierten die Beobachter nur stichprobenartig. Bei den Chartermaßnahmen konnten aufgrund der Vielzahl der abgeschobenen Personen nicht alle Einzelheiten erfasst werden. In diesem Fall konzentrieren sich die Beobachtenden auf vulnerable Menschen.

Die Beobachter:innen stellten 2021 folgende Problemkomplexe fest:

• Abschiebung und Gesundheit: 35 Fälle
• Kinder und Jugendliche in Abschiebung: 17 Fälle
• Umgang mit Menschen die abgeschoben werden: 32 Fälle
• Sonstige Themen: 61 Fälle

Bei der Abschiebung mit gesundheitlichen Risiken sticht heraus, dass es häufig ein Kommunikationsdefizit gibt. Das war in 14 Fällen so. Aber es gab auch 3 Fälle von Selbstverletzung oder Suizid. In 3 Fällen wurden Menschen aus stationärer Behandlung abgeschoben.

Ein Fall einer Abschiebung mit Selbstverletzung

Die Beobachter berichten vom Fall einer Frau, die sich vor ihrer Abschiebung in ihrer Wohnung mit einer Rasierklinge selbstverletzte. Sie wird mit einem Krankenwagen zum Flughafen gebracht. Ihr Sohn in einem separaten Pkw. Der Ehemann war nicht in der Wohnung. Die Familie wurde getrennt. Die Beamten trafen die Frau nur in Unterwäsche an und sie hatte sich am Oberschenkel einen Schnitt zugefügt. Die Frau wird zunächst in eine Klinik gebracht, dann aber wieder mit einem Krankenwagen an den Flughafen gebracht. Die Frau schreit die gesamte Zeit und gibt an große Sorge um ihren Sohn zu haben, da diesem in Albanien der Tod drohe. Die Beamten fesseln die Frau, die immer wieder versucht an die Wunde zu kommen, die sie sich selbst zufügte. Sie erlitt einen Atemnotsanfall. Die Beobachter schreiben in ihrem Bericht: „Im Rahmen der Erörterung des Beispielsfalls konnte geklärt werden, wie es zu der Selbstverletzung der Betroffenen kam. Zudem wurde die Ursache der Trennung vom Ehemann bzw. Vater aufgeklärt. Dieser war zum Zeitpunkt der Abholung nicht anwesend. Auch konnte gemeinsam erörtert werden, dass der Einsatz des Sohnes als Dolmetscher für seine Mutter aus Perspektive der Bundespolizei sinnvoll war, um zur Beruhigung der Situation beizutragen. Einen sog. Spuckschutz hatte die Betroffene während des Boardings aufgesetzt bekommen, weil sie aktiv Widerstand leistete.“

Der Bericht zeigt weitere Fälle auf und dokumentiert damit die Wichtigkeit der Beiobachtung bei Abschiebungen. Report-K wird diese Fälle in den kommenden Tagen vorstellen.

ag