Köln | Nur wenige Stunden zuvor feiern Fans des 1. FC Köln im Kölner Dom. Dann ein Fußballspiel mit normaler Lage, wie der Leiter Gefahrenabwehr und Einsatz der Kölner Polizei, Martin Lotz, es beschreibt. Gut das Ergebnis war: Unentschieden. Dann eskaliert die Lage kurz vor Mitternacht vor der Autobahnauffahrt Bocklemünd. Hooligans werfen einen Stein auf einen Berliner Fanbus, beide Seiten wollen randalieren, die Polizei wirft sich dazwischen. Als die FC Fans mit ihren PKW fliehen bedrohen sie das Leben der eingesetzten Beamten, die mit der Schusswaffe auf sie zielen. Polizeipräsident Uwe Jacob spricht von einer neuen Dimension der Gewalt, blankem Haß und einen Angriff auf das Rechtssystem dieses Staates. Polizei Köln und Staatsanwaltschaft Köln haben die Ermittlungsgruppe „Paul“ eingerichtet.

Battleground Bocklemünd

Lotz spricht von einem normalen Spieltag, also kein Hochsicherheitsspiel. Die Polizei Köln mit rund 280 Kräften rund um Stadion und Fanbegleitung im Einsatz. Wohlgemerkt zuvor waren die echten Fans im Dom und haben für ihren FC gebetet. Sowohl vor, während und direkt im Anschluss an das Spiel kam es nur zu kleinen Störungen, weil einzelne gefährliche Gegenstände mit sich führten. Keine einzige Pyrotechnik wurde beim ersten Heimspiel des 1. FC Köln gezündet.

Nach dem Spiel setzten sich zwei große Busse und mehrere Kleinbusse im Konvoi, begleitet von rund 40 Polizeibeamten vom Parkplatz P4 in Richtung Berlin in Bewegung. Auf der Venloerstraße kurz vor der Auffahrt zur A 1 in Richtung Köln-Nord stoppen am Parkplatz „Paulacker“ rund 100 Vermummte Gestalten mit ror-weißen Sturmhauben den zweiten Bus der Berliner. Sie werfen einen Stein gegen die Windschutzscheibe. Im Bus machen sich die Berliner fertig für Randale, ziehen ebenfalls Sturmhauben auf.

Waren die rivalisierenden Gruppen des 1. FC Köln und Union Berlin zum Fight verarbredet?

Das von der Polizei geschilderte Szenario lässt dies vermuten. Die Berliner Fans wollen den Bus verlassen. Den 40 Beamten gelingt es, obwohl sie in der Unterzahl sind, die Berliner in ihrem Bus festzuhalten und die Kölner auf den Parkplatz Paulacker zurückzudrängen. Die Kölner Fans steigen in ihre dort abgestellten Fahrzeuge und rasen ohne das Licht einzuschalten auf die Beamten zu. Martin Lotz: „Es gab Beamte die konnten sich nur durch einen Sprung retten. Die Kollegen versuchten die wegfahrenden Fahrzeugen anzuhalten, teilweise mit gezogener Schusswaffe.“ Der Rest rast über Grünflächen oder entgegen der Fahrtrichtung davon. Rund 40-50 Fahrzeuge waren auf dem Parkplatz geparkt.

Die Tumultlage von Bocklemünd

Am Ende kann die Polizei 28 Kölner Hooligans festnehmen. Die Berliner müssen ihre Personalien angeben. Auch der zweite große Bus wird auf der Autobahn A 1 von Beamten gestoppt und alle Personalien festgestellt. Von diesen waren 27 noch am Mittag des nächsten Tages im Kölner Polizeipräsidium in Gewahrsam. Die Kriminalpolizei ermittelt und befragt die Personen zur Tumultlage von Bocklemünd. 20 Beamte verstärken die Sonderkommission. Die Kripo ermittelte sofort nach Bekanntwerden des Vorfalls. Die Tatvorwürfe sind erheblich: Landfriedensbruch, schwerer Landfriedensbruch, Verstoß gegen das Versammlungsgesetz durch Vermummung, Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte sowie aktive und passive Bewaffnung. So wurden bei den Übeltätern Teleskopschlagstöcke und Pyrotechnik gefunden, die gegen das Sprengstoffgesetz verstößt.

Bei ihrer Vernehmung durch die Kriminalpolizei zeigten sich die 28 vollkommen unkooperativ. Die Polizei und Staatsanwaltschaft prüfen jetzt ob Haftgründe bei den Personen vorliegen. Uwe Jacob stellte fest, dass man eine zunehmende Radikalisierung der Kölner Hooliganszene feststelle, die auch mit anderen Fanszenen vernetzt ist. So geht man davon aus, dass die Berliner Unterstützung aus Mönchengladbach erhielten und die Kölner aus Dortmund. So sollen an der Tumultlage in Bocklemünd Teile der „Revolte 0221“ die mit der rechtsgerichteten Dortmunder Ultragruppierung „Riots 0231“ sympathisieren soll, beteiligt gewesen sein. Die „Riots 0231“ sollen sich allerdings offiziell aufgelöst haben. In Fan-Foren wird diskutiert, dass sich Mitglieder der „boyz köln“, die sich ebenfalls auflösten, der „Revolte 0221“ angeschlossen haben. Interessant dürfte auch sein, ob Teile der gestern aktiven Straftäter auch schon in Leverkusen beteiligt war. Der „Revolte 0221“ sagen Fan-Foren zudem nach, dass dort vor allem Kampfsportler aktiv sein sollen.


Einen Teil der sichergestellten Gegenstände präsentierte die Kölner Polizei heute.

Die Kölner Polizei hat zudem Smartphones und Handys sichergestellt, die jetzt ausgewertet werden. So wollen Staatsanwaltschaft und Polizei feststellen, ob sich die Fangruppierungen zu den Tumulten verabredeten.

Autor: Andi Goral