Köln | Auf den ersten Blick hatte Dombaumeisterin Barbara Schock-Werner einen undankbaren Job. 13 Jahre lang hat sie auf einer Dauerbaustelle gearbeitet und musste regelmäßig Dutzende Treppen in schwindelerregende Höhe hinaufsteigen. Auf den zweiten Blick zählt ihre Arbeitsstätte zu den beliebtesten Orten Deutschlands: Es ist der Kölner Dom. Jährlich strömen sechs Millionen Touristen aus der ganzen Welt hierher. Die Dombaumeisterin hatte das imposante Gebäude jeden Tag vor Augen. Jetzt geht die 65-Jährige in den Ruhestand.

Abschied nach 13 Jahren

„Natürlich ist ein Tropfen von Wehmut bei so etwas dabei“, sagte sie am Donnerstag in Köln. Mit ihrem Abschied zum 1. September endet am Rhein eine Ära. Barbara Schock-Werner war die erste Frau, die in Köln Dombaumeisterin wurde. Folglich wurde sie „Frau Dombaumeisterin“ genannt.  Ihre ehrwürdige Mission: Erhalt und Restaurierung des berühmten Unesco-Weltkulturerbes. Mehr als 60 Mitarbeiter der Dombauhütte, darunter Steinmetze, Bildhauer, Dachdecker, Gerüstbauer, Glaser, Maler, Schlosser, musste sie geschickt einteilen. Andernfalls käme man mit der Arbeit überhaupt nicht voran.

Sie nutzte ihre Chance: Gegen Widerstände setzte sie das spektakuläre Fenster des international gefragten Künstlers Gerhard Richter durch. Der Kölner Kardinal Joachim Meisner sagte damals: „Es passt eher in eine Moschee oder in ein Gebetshaus.“ Sie ließ den Zugang zur Turmbesteigung überholen und führte Weltprominenz wie Bill Clinton und Tony Blair, aber auch Studenten persönlich durch das imposante Bauwerk. „Die Dombaumeisterin hat Hervorragendes geleistet“, sagt Dompropst Norbert Feldhoff.

Die gebürtige Ludwigsburgerin mit dem Kurzhaarschnitt ist längst eine kölsche Frohnatur, die auch im Karneval munter mitmischt. Mit ihrer natürlichen Art – fern jeglicher Allüren – hat sie sich bei Mitarbeitern wie Kölnern beliebt gemacht. Den Bauzustand nahm die gelernte Bauzeichnerin und habilitierte Kunsthistorikerin immer mit Humor. „Der Dom ohne Baugerüst ist keine Wunschvorstellung, sondern eine Schreckensvision“, sagte Schock-Werner einmal. Das würde bedeuten, dass der Dom verfällt.

Schmatzer für den Dicken Pitter

Dabei wurde der Dom – Baubeginn war im Mittelalter – schon vor 130 Jahren offiziell für fertig erklärt. Es blieb ein Wunschgedanke: Erst im März brach ein Stein ab und traf einen Passanten. Als der Kölner Dom seine gewaltige Stimme verlor – der Klöppel des Dicken Pitters war plötzlich abgefallen – litt Schock-Werner sichtlich mit. Als die größte frei schwingende Glocke der Welt dann wieder Töne gab, umarmte und knutschte die Dombaumeisterin die 24 Tonnen schwere Petersglocke vor lauter Freude.

Nicht nur Verwitterung, Verschleiß und alte Kriegsschäden bereiteten ihr Kopfzerbrechen und machten den Job zu einer Herkulesaufgabe. Wildpinkler setzen dem Dom weiter zu, letztens sprühte ein Künstler eine Graffiti-Banane an die Fassade und manchmal wollen Wagemutige in Trunkenheit den Dom besteigen. Im Januar musste sich die gläubige Katholikin von Wissenschaftlern anhören lassen, dass ihr lieb gewonnener Arbeitsplatz in regelmäßigen Abständen leicht ins Schwanken gerät. Der Grund: Der Dom steht auf Sandboden, der bei Beben die 157 Meter hohen Türme für den Bruchteil eines Millimeters in Bewegung bringt.

Ende August ist das alles endgültig nicht mehr ihr Problem. Sie übergibt den „ewigen Patienten“ an Michael Hauck, der bislang Dombaumeister in Passau war und von ihr bereits eingearbeitet wurde. Für Schock-Werner ist sicher: „Der Dom ist dann tabu.“ Sie möchte sich als Beraterin selbstständig machen und ihre Erfahrungen weitergeben. „Zu Hause sitzen und mich mopsen, werde ich sicherlich nicht.“

Autor: Fabian Wahl/ dapd
Foto: Dombaumeisterin Barabara Schock-Werner