Köln | Interview Am 1. September wird Michael Hauck in Köln der neue Dombaumeister. Seit drei Monaten lässt er sich von Vorgängerin Barbara Schock-Werner ins neue Amt einführen.

Herr Hauck, Sie sind jetzt seit einem Vierteljahr in Köln. Wie sind Ihre ersten Eindrücke?
Michael Hauck: Die ersten Eindrücke sind vielschichtig. Der Dom ist ein Bauwerk mit allem, was dazu gehört. Er ist aber auch mehr als nur die steinerne Hülle – er vereint in seinem Raum die hochkarätige Kunst und ist Weltkulturerbe. Der Dom ist ein Touristenmagnet, er ist aber auch eine Kathedrale, ein Kirchenraum, in dem liturgisch gefeiert wird. Dem müssen sich auch Bauaktivitäten unterordnen.

Das betrifft auch ihre Aufgabe in der Dombauhütte.
Hauck: Die Bauhütte ist gewachsen und hat ihre eingespielten Abläufe. Trotzdem ist es immer wieder notwendig, ad hoc etwas zu entscheiden. So wenn es wie vor kurzem einen Wassereinbruch im Domladen gibt. Es passieren immer wieder Dinge, die die Tagesplanung komplett über den Haufen werfen. Da ist eine schnelle Reaktion gefragt.

Wie groß ist für Sie die Herausforderung als künftiger Dombaumeister?
Hauck: Es ist eine Herausforderung mit vielen Facetten. Wir müssen beispielsweise die Besucherströme lenken und Führungen organisieren. Der Dom steht außerdem mitten in seinem städtischen Umfeld, auch da gibt es eine ständige Interaktion. Leider kommt es auch immer wieder vor, dass Menschen den Dom verletzen.

Wenn Sie hören, dass ein Betrunkener das Domportal erklimmt und es beschädigt, was fühlen Sie da?
Hauck: Dummheit und Respektlosigkeit kennt manchmal keine Grenzen. Aber auch damit muss ich als Dombaumeister umgehen können.

Was hat Sie gereizt, diese umfangreiche Aufgabe anzunehmen?
Hauck: Ich war 24 Jahre in Passau als Dombaumeister. Da werden irgendwann auch komplexe Dinge zur Routine. Eigentlich hätte ich in meinen letzten 15 Arbeitsjahren eine ruhige Kugel schieben können. Aber das ist nicht das, was ich will. Außerdem sehe ich die Aufgabe hier in Köln als eine Auszeichnung für den Weg, den ich bis hierher gegangen bin. Es ist die Krönung meines Arbeitslebens.

Können Sie sich noch an Ihre erste Begegnung mit dem Kölner Dom erinnern?
Hauck: Das war 1998 bei einer Tagung der Dombaumeister. Mich hat schon die schiere Größe beeindruckt – das war einfach gigantisch.

Wie schwer ist es Ihnen gefallen, die bayrische Heimat aufzugeben?
Hauck: Ich gebe sie nicht wirklich auf. Die Verkehrsverbindungen sind sehr gut und am Wochenende sind Besuche in Passau durchaus möglich. Außerdem fühle ich mich in Köln überraschend wohl. Die Menschen sind offen und die Stadt ist lebendig. Ich habe noch nie in einer großen Stadt gelebt und konnte die Frage, ob ich mich dort wohlfühlen kann, vorab durch Überlegungen auch nicht beantworten. Man muss so einen Schritt einfach wagen und jetzt bin ich überrascht, wie leicht mir das gefallen ist.

Sie leben auch in unmittelbarer Nähe des Doms?
Hauck: Der Dombaumeister ist verpflichtet, nah am Dom zu wohnen. Man muss immer damit rechnen, dass etwas passiert, und dann sehr schnell vor Ort sein.

Wie unterscheidet sich Ihre Arbeit hier im Vergleich zu Passau?
Hauck: Die Fragestellung bei Gebäuden in dieser Größenordnung sind ähnlich komplex und schwierig. Man muss immer alle Mittel und alles verfügbare Wissen dafür einsetzen, um für den Dom verträgliche Lösungen zu finden. Das hat Barbara Schock-Werner beispielsweise bei der neuen Beleuchtung hervorragend gelöst. Es ist nicht einfach, in eine gewachsene Bausubstanz moderne Technologie zu installieren. Das Gebäude dadurch zu verletzten, dass man Löcher bohrt, ist undenkbar. Da muss man sich schon etwas anderes einfallen lassen.

Können Sie als erfahrener Dombaumeister von Ihrer Vorgängerin noch Dinge lernen?
Hauck: Wenn man mit offen Augen und Ohren sowie einem offenen Geist durchs Leben geht, kann man überall noch etwas lernen. In Köln gibt es neue Themen für mich, wie beispielsweise die Glocken. Damit hatte ich in Passau nicht viel zu tun.

Wie schwer ist es die Nachfolge anzutreten?
Hauck: Barbara Schock-Werner ist ein anderer Typ als ich und geht die Dinge auch anders an. Wir haben unterschiedliche Spezialgebiete. Ich bin mir bewusst, dass es nicht möglich ist, in allen Bereichen die Fußspuren voll auszufüllen.

Was sind in den kommenden Jahren die größten Herausforderungen für Sie?
Hauck: Dringend müssen die die Fassaden und Dächer im mittelalterlichen Chor restauriert werden. Die zweite große Aufgabe ist die Sanierung der Domportale. Beides sind Fälle, die ich in meiner Zeit als Dombaumeister nicht zu Ende bringen kann. Andererseits gibt es auch Projekte wie die Turmsanierung, die ich von meinen Vorgängern übernehme. Es ist ganz normal, dass wir es bei Dom mit einem ewigen Patienten zu tun haben. Schon Meister Gerhard wusste bei der Grundsteinlegung, dass er das Ende der Baustelle nicht erleben wird. Da muss man als Dombaumeister Demut mitbringen. Wir sind nur ein kleines Steinchen in einem großen Mosaik.

In einem Interview haben Sie gesagt, dass sie am Ende Ihrer Laufbahn am zufriedensten wären, wenn Sie keine Spuren am Dom hinterlassen.
Hauck: Es liegt in der Natur der Sache, dass man eingreifen und Dinge verändern muss. Man muss nur immer darauf achten, dass alles, was man tut, nachhaltig und verträglich ist. Maßstab am Dom ist immer höchste Qualität. Mit etwas anderem, darf man sich niemals zufrieden geben. Wichtig ist aber, dass man sich selbst als Person zurücknimmt und sich nicht am Dom in Szene setzt.

Der Dom ist ein Gotteshaus. Wie wichtig ist Ihnen der Glaube?
Hauck: Sehr wichtig, ich bin jemand, der sich sehr bewusst ist, dass er nur ein kleines Menschlein ist. Man kann sich Dinge überlegen und planen, aber es ist ein anderer, der wirklich die Dinge lenkt. Dass man Gottvertrauen hat, heißt aber nicht, die Dinge schleifen zu lassen und nach dem kölschen Gesetz, es ist noch immer gut gegangen, lebt.

Werden Sie als Bayer nervös, wenn Sie an den Karneval denken?
Hauck: Da fühle ich in mir eine gespannt Erwartung verbunden mit Neugier, auf das, was da auf mich zukommt. Ich freue mich darauf, weil ich Karneval noch nie erlebt habe. Bei mir zu Hause gibt es zwar auch Fasching, aber dahinter steckt eine ganz andere Tradition.

Kasten Michael Hauck

Zur Person 1960 in Würzburg geboren, absolvierte Michael Hauck nach Lehr- und Gesellenzeit die Ausbildung zum Steinmetz- und Steinbildhauermeister mit Zusatzausbildungen zum Holzbildhauer und zum Restaurator. Seit 1988 leitet er verantwortlich die Staatliche Dombauhütte am Dom in Passau, wo er 2009 zum Bischöflichen Dombaumeister ernannt wurde. Zwischen 1997 und 2005 studierte Michael Hauck berufsbegleitend an der Universität Passau die Fächer Kunstgeschichte, Romanische Linguistik und Romanische Philologie.
Arbeitsplatz  Dombauhütte ist nicht nur die Bezeichnung für die Gebäude zwischen Dom und Römisch-Germanischem Museum, sie ist der zusammenfassende Begriff aller Handwerker, die für die Erhaltung des Domes tätig sind. Sie stehen damit in einer seit dem Mittelalter fortbestehenden handwerklichen Tradition. Am 1. September übernimmt Michael Hauck die Leitung der Dombauhütte.

Das Interview führte Stephan Eppinger

Autor: Stephan Eppinger