Köln | Am heutigen Dienstag haben Vertreter des Runden Tisches für Integration e.V. die Ergebnisse ihres Projekts „Dialog mit und zwischen Eingewanderten aus der Türkei“ vorgestellt. Nach drei Gesprächsrunden mit Experten kamen 25 konkrete Handlungsempfehlungen heraus.

Zwischen 93.000 und 94.000 Kölnerinnen und Kölner haben einen türkischen Hintergrund. Obwohl viele von ihnen bereits in der dritten Generation am Rhein ihren Lebensmittelpunkt haben, gibt es in der deutschen Mehrheitsgesellschaft noch immer Vorbehalte unterschiedlichster Art. Diese Vorbehalte zu überwinden und damit zugleich den Mitbürgerinnen und Mitbürgern aus diesem Land die Integration zu ermöglichen, war Ziel eines Projekts, dessen Ergebnisse nun vorliegen.

Im Ergebnis kamen 25 Handlungsempfehlungen heraus, die sich fünf Handlungsfelder verteilen. Mit neun machte der Bereich Integration in Politik und Stadtgesellschaft den größten Anteil aus, gefolgt von den Handlungsempfehlungen für Wirtschaft und Arbeitsmarkt.

Anlass für dieses Projekts waren die Vorgänge in der Türkei selbst. Nach dem Putsch im Juli 2016, den anschließenden Massenverhaftungen und -entlassungen und das Verfassungsreferendum im April 2017 haben auch hierzulande die türkische Community polarisiert, „eine Störung des Integrationsprozesses und letztlich eine besorgniserregende Spaltung“, analysiert Bernd Geiß, Vorsitzende des Fördervereins Runter Tisch für Integration. Doch schnell wurde klar, dass die Debatte um die innenpolitischen Konflikte in der Türkei, die vor allem den Dialog der türkeistämmigen Menschen in Deutschland betrifft, nur ein Aspekt unter vielen war.

Diskriminierung über Einkommensunterschiede – Türken verdienen deutlich weniger

„Es gibt einen Teufelskreis von Diskriminierung und Re-Ethnisierung“, fasst der Vorsitzende des Runden Tisches, Dr. Wolfgang Uellenberg-van-Dawen, seine Erfahrungen zusammen. Dies ergebe sich sowohl aus der Migrationsgeschichte selbst (es kamen vor allem bildungsferne Menschen, die schnell als neue Unterschicht angesehen wurden) wie aus einer nur wenig veränderten Haltung der Mehrheitsgesellschaft und ihrer Institutionen. Uellenberg-van-Dawen nennt als Beispiel die interkulturelle Öffnung des Schulwesens (nur etwa zehn Kölner Schulen haben ein auskömmliches bilinguales Schulangebot).

In einer 2013 veröffentlichten Bestandsaufnahme des Sozio-Ökonomischen Panels (SOEP) ist dies bis heute auch monetär spürbar. Während Personen ohne Migrationshintergrund 1730 Euro im Monat verdienen, liegen Migranten mit 1482 Euro deutlich dahinter. Solche mit türkischen Wurzeln kommen demnach lediglich auf 1242 Euro. Kein Wunder, wo die Diskriminierung nach Kenntnis des früheren Kölner DGB-Vorsitzenden bereits in der Schule anfängt und sich auch im Berufsleben in der Regel fortsetzt. „Türkische Migranten kommen eher in Leiharbeit, werden eher als andere prekär beschäftigt.“

Ein möglicher Lösungsansatz aus der jüngeren Vergangenheit – das anonymisierte Bewerberverfahren – scheint derzeit nach den Vorstellungen der neuen schwarz-gelben Landesregierung keine Zukunft zu haben. Und das, obwohl die Ergebnisse dieses Verfahren durchaus positiv waren. „Wir können nur abraten, das abzuschaffen, sind die vielen jungen Menschen mit Zuwanderungsgeschichte die Zukunft unserer Stadt.“

Der feine Unterschied zwischen Integration und Assimilation und seine Folgen

Das DOMid umfasst rund 150.000 Objekte aus der jüngeren deutschen Migrationsgeschichte. Hier einige Originalkoffer türkischer „Gastarbeiter“.

„Die meisten Zuwanderer aus der Türkei wollten Harmonie und Sicherheit, als sie aus der Türkei nach Deutschland kamen“, betont Dr. Ali Kemal Gün, Vorsitzender des Koordinierungsausschusses beim Runden Tisch und einer der Initiatoren des Projekts. Obwohl das deutsch-türkische Anwerkeabkommen erst am 30. Oktober 1961 offiziell unterzeichnet wurde, gab es schon Jahre zuvor türkische „Gastarbeiter“. Rund 150 von ihnen kamen als so genannte „Heuss-Türken“ zu Ford. „Sie waren pünktlich, fleißig und nie krank“, wohl einer der Gründe, warum später weitere Arbeitsmigranten aus diesem Land nach Deutschland geholt wurden.

Im Deutschland der frühen 1960er Jahre herrschte „Vollbeschäftigung“, die Arbeitsmigranten machten häufig die Jobs, die man den Deutschen nicht mehr zutrauen wollte. Hinzu kam, dass viele der Zugewanderten der ersten Generation nicht nur bildungsfern, sondern auch tief religiös waren, was hierzulande zu „kohäsiven Strukturen“ verfestigt wurde. Dabei ging es von Anfang an um die Frage, wie viel der eigenen, kulturellen Identität bleibt, um noch Integration und eben noch nicht Assimilierung genannt zu werden.

„Integration muss ein reziproker Prozess, also beidseitig sein. Je höher der Druck zur Assimilierung, um so wahrscheinlicher ist der Trend zur Segregation und Separation der Betroffenen“, fasst der Diplom-Psychologe Gün seine persönlichen Erfahrungen zusammen. Dabei sollte niemand gezwungen werden, sein „kulturelles Gepäck“ abzulegen, denn „Assimilierung“ im Sinne kompletter Anpassung bedeutet für viele den „Verrat der eigenen Wurzeln“. Dies wiederum, so der Tenor der Experten, führte in der Vergangenheit zu einer Rückbesinnung auf die eigene Community. Und die ist im Falle der Türkei genau so gespalten wie die türkische Gesellschaft selbst.

Mehr Offenheit und Teilhabe als Schlüssel zum Integrationserfolg

Trotz so manch negativer Entwicklung der vergangenen Monate halten die Initatoren des Projekts an ihrer optimistischen Grundhaltung fest. „Nicht alles im „kulturellen Gepäck“ ist negativ“, meint Gün. „Wir haben seit 20 Jahren ein Amt für Integration gefordert, nun soll es kommen“, lobt Uellenberg-van-Dawen. Die Öffnung der Verwaltungen ist eingeleitet, stockt jedoch. Und auch in Sachen Teilhabe steht vieles auf „Standby“, so unter anderem das kommunale Wahlrecht für Nicht-EU-Bürger, was die vielen Kölner mit türkischen Wurzeln eben auch betrifft.

Auch wenn einige der Handlungsempfehlungen eher harmlos und nebensächlich klingen, wie etwa ein Willkommensbrief der Kölner Stadtverwaltung für neue Zuwanderer, so ist ihre Wirkung auf die Angesprochenen nicht zu unterschätzen. Ganz nebenbei trägt eine solche diskriminierungsfreie Gesellschaft auch zu einem neuen Heimatbegriff bei. „Heimat ist nicht nur, wo man geboren ist, sondern, wo man seinen Lebensmittelpunkt hat.“

Autor: rk
Foto: Am gestrigen Montag stellten die Verantwortlichen des Runden Tisches für Integration im Migrationsmuseum DOMid die Ergebnisse ihres Projekts vor. Museumsleiter Robert Fuchs (links) begrüßte die Anwesenden.