Köln | Ruth Foster-Heilbronn hat ein bewegtes Leben hinter sich. Als die KZ-Überlebende am 5. August 2014 im Alter von 92 Jahren verstarb, hatte sie sich längst mit ihrer alten Heimat wieder versöhnt. Nun kehrt ein Häftlingskleid, das sie vor 20 Jahren einem Verein vermachte, restaurtiert an den Gedenkort „Jüdische Schule“ zurück.

Die Versorbene war 1921 als Kind jüdischer Eltern in Lingen geboren worden. Im Alter von 20 Jahren entschloss sie sich, freiwillig ihre Eltern aus den so genannten Bielefelder Transporten ins ferne Riga zu begleiten. Dort bleiben sie bis November 1943. Nach einem Jahr im Außenlager des KZ Kaiserwald ging es kriegsbedingt über den Sehweg nach Danzig und dort ins KZ Stutthoff, wo die junge Frau bis auf die Knochen abgemagert den Nazi-Terror überlebte. Kurz bevor sie nach Danzig übersetzte, gab man ihr das Häftlingskleid, das nun in der Kölner Südstadt restauriert und transportfähig gemacht wurde.

Im Jahr 1986 kehrte dann die inzwischen ergraute KZ-Überlebende erstmals aus ihrer britischen Wahlheimat an den Geburtsort zurück. „Wir kamen ins Gespräch. Sie war uns und den Menschen in der Stadt von Anfang an wohlgesonnen“, bestätigten Dr. Heribert Lange und Johannes Wiemker vom Forum Juden-Christen Altkreis Lingen, die das Exponat noch am gleichen Tag wieder mit ins Emsland nahmen.

„So ein Exponat von zeitgeschichtlich historischer Bedeutung bekommen wir nicht alle Tage“, betonte Prof. Dr. Annemarie Stauffer, Leiterin der Studienrichtung Textil- und Archäologische Fasern. „Mich hat der ganze Hintergrund sehr berührt, Nachdem ich das Video über das Leben von Frau Foster-Heilbronn gesehen hatte, musste ich erst mal innehalten“, ergänzte Susanne Schumann, die mit der Aufbereitung von Thema und Kleidungsstück ihren Bachelor-Studiengang mit der Note „sehr gut“ abschloss und nun auf dem Weg zum Master-Abschluss ist

Häftlingslumpen als Zeichen damaliger Mangelwirtschaft

Die Restaurierung der Häftlingskleidung bedeutete aber nicht nur die Analyse der Fasern, Knöpfe zu fixieren und das in die Jahre gekommene Stück von Schmutz und leichteren Fehlern zu befreien. Innerhalb ihrer wissenschaftlichen Abschlussarbeit ging es auch um konkrete Empfehlungen, wie ein restauriertes Kleidungsstück zukünftig so aufbewahrt werden kann, dass es möglichst lange hält. In ihrer Analyse fand Schumann schnell ein ausgesprochen heterogenes Fasergemisch.

Das weiße Schild an der Innenseite wurde von der vormaligen Besitzerin erst nach der NS-Zeit eingenäht.

„Das Kleid besteht aus 15 verschiedenen Fasern, hauptsächlich Zelluloseregenerat besser bekannt als Zellwolle. Es ist sehr wahrscheinlich, dass es kurz vor dem Krieg in Ravensbruck hergestellt und mehrfach gekürzt und verlängert wurde. Die Analyse ergab zudem, dass das Kleidungsstück ziemlich notdürftig gefertigt wurde, was wiederum ein Zeichen für die damalige Knappheit war“, fasste Schumann das Ergebnis ihrer Untersuchungen zusammen.

Restaurierung als Gratwanderung

Ein solch von vorneherein fehlerhaftes Kleidungsstück zu restaurieren, ohne die geschichtlichen Spuren unkenntlich zu machen, ist ein einfaches Unterfangen. Zwar wurden einzelne Stellen nachgearbeitet und das Ganze grob gereinigt. Farbenausbleichungen, Webfehler, Löcher und Dreck aber blieben, schließlich solle das Exponat in seinem Charakter als KZ-Kleidung erhalten bleiben.

Die Kölner FH restaurierte das Kleidungsstück samt der dazu notwendigen Analysen kostenfrei. Allerdings musste sich der Lingener Verein verpflichten, die Aufbewahrung des Kleidungsstücks zu optimieren. So mussten beispielsweise Lacke in der Holzvitrine analysiert und entsprechende Vorkehrungen getroffen werden, um mögliche Säureschäden zu vermeiden. Auch die Lichtverhältnisse innerhalb des Gedenkorts mussten angepasst werden.

Absolventin Schumann ließ sich außerdem zur Aufbewahrung noch etwas einfallen. Um die Fasern nicht unnötig durch Knickstellen zu belasten, erfand sie kurzerhand eine besonders textilschonende Aufdrappierung mittels spezieller Einlagen aus Polyesterwatte. „Restauration heißt immer auch, Alternativen anzubieten“, bekräftigte Studienleiterin Stauffer das Leitbild ihres Fachbereiches. Der ist von den 30 Bachelor-Studiengängen an der TH einer der kleinsten. In Zeiten virtueller Realitäten und weltweiter Vernetzung ist es schwierig, Kinder für die Bewahrung „alter Klamotten“ zu begeistern. Das dies dennoch gelingen kann, bestätigten Langer und Wiemken aus zahlreichen Besuchen aus Schulklassen. Auch die KZ-Überlebende machte Eindruck, als sie ihre Lebensgeschichte vortrug. „Da waren selbst Rowdy-Klassen ruhig.“

Der Verein Forum Juden-Christen Altkreis Lingen hat aus der vormaligen Jüdischen Schule, die während der Progrome am 9. November 1938 im Gegensatz zur benachbarten Synagoge in Lingen nicht abgebrannt wurde, einen Gedenk- und Lernort gemacht. Das restaurierte Kleidungsstück wird hier einen besonderen Platz erhalten, betonten die beiden Vereinsvorstände.

Autor: Ralph Kruppa
Foto: v.l.n.r.: Dr. Heribert Lange, Johannes Wiemker (Forum Juden-Christen), Prof. Dr. Annemarie Stauffer und Susanne Schumann (beide TH Köln) erläutern die Geschichte hinter dem KZ-Häftlingskleid.