Köln | Am heutigen Mittwoch, 17. Mai, beginnt das Tribunal „NSU-Komplex auflösen“ am Schauspiel Köln-Mülheim. Betroffene, antirassistische Initiativen und Aktivisten, klagen an den fünf Tagen einen strukturell verankerten Rassismus in Deutschland an und wollen Täterinnen und Täter des NSU-Komplex, benennen. Ziel des Tribunals ist es, die Perspektiven von Betroffenen rassistischer Gewalt zu stärken und ihnen ein Stimme zu geben. Ayşe Güleç vom Tribunal „NSU-Komplex auflösen“ spricht im Interview mit report-K über die bevorstehenden fünf Tage und erklärt die Wichtigkeit den Betroffenen nun endlich eine Stimme in der Gesellschaft zu geben.

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Vom 17. bis 21. Mai veranstaltet die Initiative „NSU-Komplex auflösen“ im Schauspiel Köln ein Tribunal mit Workshops und Diskussionen, aber auch Film- und Theateraufführungen. Ziel ist es, ein Perspektivwechsel durchzuführen und den Betroffenen eine Stimme zu geben und gemeinsam einen Weg zu finden, Rassismus in der Gesellschaft zu überwinden.

Zehn Morde, drei Bombenanschläge, viele Verletzte – unter anderem bei einem Nagelbomben-Anschlag am 9. Juni 2014 in der Keupstraße in Köln-Mülheim. Verantwortlich für die Taten ist der so genannte „Nationalsozialistische Untergrund“ (NSU). In direkter Nachbarschaft der Keupstraße, im Schauspiel Köln findet ab heute das Tribunal „NSU-Komplex auflösen“ statt. In einer vielstimmigen Eröffnungsrede wird ein Blick zurück auf die Geschichte rassistischer Angriffe in Deutschland bis zu den Verbrechen des NSU-Netzwerks geworfen.

Eröffnung – die Perspektive der Migration

Mittwoch, 17. Mai, 20 bis 22 Uhr, Depot 1, Übertragung ins Depot 2

Am 9. Juni 2004 explodierte auf der Keupstraße eine Nagelbombe. Mit Betroffenen des Anschlags, anderen Zeitzeugen und weiteren wirft das Tribunal „NSU-Komplex auflösen“ einen Blick zurück auf die Geschichte rassistischer Angriffe in Deutschland bis zu den Verbrechen des NSU-Netzwerks. Mit einer vielstimmigen Eröffnungsrede feiert das Tribunal die Gesellschaft der Vielen. Zudem will das Tribunal aus der ehemaligen Drahtseilfabrik Carlswerk einen Ort der gemeinsamen Anklage machen.

Ort der gemeinsamen Anklage – Tribunale wird 50 Namen nennen

„Am Samstag werden wir konkrete Namen nenne“, erklärt Ayşe Güleç im Interview mit report-K. Eine Art politische Intervention, fügt Tim Klodzko, vom Tribunal „NSU-Komplex auflösen“ hinzu. Es handle sich dabei um Namen von Personen, die in gewisser weise – aufgrund ihrer Handlungen – mit in das NSU-Netzwerk verwickelt seien. Diese Namen seien genau recherchiert worden, betont Klodzko. Denn Angeklagt sind im Münchner NSU-Prozess nur fünf, doch was sei mit dem Rest, frage sich die Initiative. „Wir werden die Täter beim Namen nennen, um all das Gesehene ausleuchten zu können, auch das Netzwerk“, so Klodzko. Gemeinsam mit einer Anklageschrift wolle die Initiative 50 Namen an die Öffentlichkeit übergeben „denn wir spielen kein Theater“, betont Klodzko.

Darüber hinaus will sich das Tribunal als Plattform und Ort des Austausches für Initiativen, Gruppen und Personen verstehen, die sich gegen Rassismus engagieren. Gemeinsam soll mit der Gesellschaft ein Weg diskutiert und gesucht werden, um den Rassismus zu überwinden. Das gesamte Programm ist auf der Website des Tribunals einsehbar.

Ziele und Signale des Tribunals

Wie konnte der NSU über so lange Zeit unbehelligt morden, bomben und rauben? Welche Netzwerke haben ihn unterstützt? Was wussten Behörden wie der Verfassungsschutz? Wieso wurde das Wissen der betroffenen systematisch ignoriert? Mit diesen Fragen und vielen mehr möchte sich das Tribunal „NSU-Komplex auflösen“ nun beschäftigen. Und immer noch würde die Stimme der Betroffenen nicht gehört. Das will die 2014 gegründete Initiative mit dem Tribunal ändern. Das Zentrum des Tribunals ist das Wissen der Betroffenen im NSU-Komplex: Sie nehmen sich die Bühne, um ihre Geschichte zu erzählen, ihre Analysen zu formulieren, ihre Forderungen zu stellen und ihren Wünschen, ihrer Wut, ihrer Trauer und ihrer Hoffnung Ausdruck zu verleihen. Dieses Wissen unüberhörbar zu machen und damit die Gesellschaft der Vielen zu stärken, soll das Signal des Tribunals sein.

[infobox]Tribunal „NSU-Komplex auflösen“
17. bis 21. Mai 2017
Schauspiel Köln im Carlswerk
Schanzenstr. 6-20
51063 Köln

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Autor: Irem Barlin