Schon sieben Mal hat Günter Schwanenberg im Freien Werkstatt-Theater das Publikum auf eine musikalische Reise durch die Kölner Geschichte eingeladen. Themen waren unter anderem schon der Alltag der kleinen Leute oder die Reaktion auf die Preußen. In seinem neuen Programm „Wat wills endlich wäde do?“ erzählt er – unterhaltsam, kenntnisreich und wie immer mit der Gitarre – von den Berufen, die es zur Kaiserzeit gab.

20 kölsche Lieder sind es, gut zweieinhalb Stunden, Pause und Zugaben inklusive dauert das Programm. Es sind meistens Karnevalslieder, entstanden etwa zwischen 1850 und 1914. Schwanenberg hat sie zum Beispiel in alten Karnevals-Jahresbüchern entdeckt und vorsichtig entstaubt. Zu „Lebzeiten“, weiß er, wurden sie vielleicht ein- oder zweimal gesungen, gerieten schnell in Vergessenheit.

Manche Melodien sind bekannt – weil die Autoren die berühmten Vorbilder wie den „Margarethenmarsch“ oder das Wiener „Fiakerlied“ mit eigenen Texten gecovert haben. Von anderen haben sich immerhin die Refrains erhalten – „Ajuja, ajuja, jetzt jeiht et widder ajuja, jetzt jeiht et loss“ wird auch heute noch mitgesungen.

Krätzjesänger griffen tief in die Kiste der Vorurteile

Die Karnevalisten zeigten in ihren Krätzjen ein feines Gespür für das Zeitgeschehen – und sicher auch für die Vorurteile, die ihre Mitmenschen gegen diesen oder jenen Berufsstand hatten. Etwa die Wirtsleute, die nicht arbeiten, sondern nur Geld zählen. Das Blumenmädchen, das vielleicht nicht nur Blumen verkauft und dem 1888 der Beruf verboten wurde. Der Dienstmann, der – ganz diskret – auch erotische Aufgaben erledigt. Der Maurer, dessen Arbeitstag vor allem aus Kaffeepausen besteht. Schließlich der Klüttenmann, der mehr Briketts abrechnet als er liefert und sich bald eine Villa bauen kann. In „Wat wills endlich wäde do?“ (Was willst du `mal werden?) wird abgewogen zwischen einem Beruf im juristischen Staatsdienst und dem goldenen Boden des Handwerks. Ein Vergleich, der die Zahl der an diesem Abend genannten Berufe auf 100 hochtreibt.

Günter Schwanenberg erklärt die politischen Hintergründe der Lieder

Auch ein Gespür für die politische Lage hatten die Karnevalisten. Da wird das preußische Militär durch den Kakao gezogen, das durch Drill aus jungen Männern erst Menschen macht. Und während 1870 streikenden Arbeiterinnen der Baumwollspinnerei Bayen zugerufen wurde: „Lasst es!“, erhielten sie 27 Jahre später tröstenden Zuspruch: 1.000 streikende Arbeiterinnen wurden damals entlassen.

Zwischen den Liedern erklärt Schwanenberg – er ist auch Stadtführer und Buchautor – die historischen Zusammenhängen, in den die Lieder entstanden. Mit schelmischem Mienenspiel weist er auf die oft zweideutige Hintergründe hin und zieht das Publikum auf seine Seite. Einen Haken hat „Wat wills endlich wäde do?“ allerdings: Man sollte schon etwas mehr als nur ein bisschen Kölsch verstehen, um die Feinheiten der Lieder in allen Facetten würdigen zu können.

[infobox]Günter Schwanenberg: „Musikalische Stadtgeschichten: Wat wills endlich wäde do?“ – die nächsten Termine: 4. (15 Uhr) und 18. März (19 Uhr), Freies Werkstatt-TheaterZugweg 10, 50677 Köln, Tel. 02 21 / 32 78 17, www.fwt-koeln.de

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Autor: ehu | Foto: MeyerOriginals
Foto: Günter Schwanenberg: Experte für Kölner Geschichte(n) in kölschen Liedern. | Foto: MeyerOriginals