Köln | Karin Beier, gebürtige Kölnerin und sehr erfolgreiche Gastarbeiterin in Hamburg, hat Heimweh nach Köln, muss man glauben. Die Ex-Chefin des Kölner Schauspielhauses (2007-2013) und heutige Intendantin des Deutschen Schauspielhauses in Hamburg, denkt an einem eher ungewöhnlichen Ort über eine Rückkehr nach Köln nach. In der Dezember-Ausgabe des Modemagazins VOGUE – nicht unbedingt der Ort, an dem man große Erkenntnisse über Kunst und Kultur erwarten würde.

In einem großen Interview, in dem es wenig um Hamburg und um so mehr um Köln geht, bekennt die 53-jähre Theater-Frau:„Ich sage immer: Köln ist meine Stadt, da gehe ich wieder hin. Meine Eltern leben da, meine Schwester, ein paar Freunde.“

„Ich würde gern wieder hinziehen, aber die Architektur ist unerträglich. Die Stadt wurde in den 50er, 60er Jahren lieblos, nein, pragmatisch wieder aufgebaut und hat kaum Altbaubestand. Wenn ich länger weg war, erschrecke ich immer, wie hässlich die Stadt ist. Aber zwei Tage später habe ich mich wieder daran gewöhnt.“

„Ich mag die Kölner sehr, das Direkte. Direkt bin ich ebenfalls, auch wenn das hier in Hamburg gar nicht üblich ist. Köln ist einfach lässiger. Wenn ich in Hamburg mal falsch abbiege, hupen mich alle an. Boah, denke ich, was ist los: Seid Ihr Polizisten im Nebenberuf? In Köln betrachtet man auch eine rote Ampel nur als unverbindliche Empfehlung, mal eben anzuhalten.“

Seit der Spielzeit 2013-14 ist Karin Beier am Schauspielhaus Hamburg – in der Doppelfunktion als Intendantin und Regisseurin. Das Schauspielhaus Hamburg, direkt am Hamburger Hauptbahnhof gelegen, ist mit 1200 Plätzen das größte Sprechtheater Deutschlands. Die Kölner Theater-Frau ist ein unglaubliches Arbeitstier; Insider sagen, sie sei nur deshalb (auch) Intendantin, damit sie so viel inszenieren könne, wie sie wolle. In der laufenden Spielzeit sind nicht weniger als acht von Karin Beier inszenierte Stücke zu sehen, darunter der Publikumsrenner „Unterwerfung“ nach dem Erfolgsroman von Michel Houellebecq.

Daneben fand die Regisseurin sogar noch die Zeit, zusätzlich eine Oper zu inszenieren. Die Hamburgische Staatsoper hat die Spielzeit 2019/2020 soeben mit Dmitri Schostakowtschs selten gespielter Oper „Die Nase“ eröffnet, die erste Oper (1928) des damals 21-jährigen Komponisten nach einer Satire von Gogol, die Karin Beier als flotte 100-Minuten-Revue auf die Bühne bringt.

Die musikalische Leitung hat ein anderer Mann mit Köln-Bezug: Kent Nagano, der Generalmusikdirektor der Hamburgischen Staatsoper und Chefdirigent des Philharmonischen Staatsorchesters Hamburg. Der US-amerikanische Dirigent arbeitet seit einigen Jahren mit dem Kölner Originalklangorchester Concerto Köln zusammen und ist regelmäßig in Köln.

Karin Beier ist eine Hardcore-Vertreterin des Regietheaters, für die ein Theatertext mehr einen Steinbruch darstellt, aus dem man sich bedient und die Bruchstücke zu einer eigenen Interpretation zusammen fügt, als dass es darum ginge,  eine Vorlage texttreu auf die Bühne zu bringen. „Wenn ich eine Jelinek-Uraufführung mache, ist es egal, ob ich von den 100 Seiten alle inszeniere oder nur zwanzig“, bekennt Karin Beier in dem VOGUE-Interview.

Auch bei diesem Ansatz ihrer Theaterarbeit spielen ihre Kölner Erfahrungen eine ausschlaggebende Rolle:  „Meine Jugend war von den im Westen eher unpolitischen 80er Jahren geprägt. In den ersten Inszenierungen habe ich mich mit dem Grundgefühl der damaligen Jugend auseinandergesetzt. Politisch wurde ich erst durch das Intendantendasein am Kölner Schauspielhaus. Unser Theater hat damals ein Bürgerbegehren initiiert, das viel bewegt hat. Mir war vorher nicht klar, wie stark man in dieser Rolle gehört wird und in die Städtepolitik eingreifen kann. Dadurch wurde mir die Verantwortung klar, und meine Fragestellungen als Regisseurin wurden sehr viel politischer. Ich könnte heute nicht einfach entscheiden, wir inszenieren „Kabale und Liebe“. Wenn mir nicht klar ist, welchen Aspekt ich herausarbeiten kann, finde ich die Energie für so ein Projekt nicht.“

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[infobox]Deutsches Schauspielhaus Hamburg

Die nächste Karin Beier-Inszenierung:

Anton Tschechow „Iwanow“

Premiere: 18. Januar 2020

VOGUE

Das Modemagazin VOGUE weist eine verkaufte Auflage von rund 98.000 Exemplaren (IVW 3/2019) aus. Chefredakteurin ist (seit 2003) Christine Arp.

Zum 40jährigen Jubiläum zeigt die Villa Stuck in München bis zum 12. Januar 2020 die Ausstellung „Ist das Mode oder kann das weg!? – 40 Jahre VOGUE Deutschland“.

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Autor: Von Christoph Mohr