Karlsruhe | Der finanzielle Ausgleich für Kraftwerksbetreiber bei der Umsetzung des beschleunigten Atomausstiegs muss noch einmal neu geregelt werden. Der Bundesgesetzgeber habe seine Verpflichtung zur Beseitigung bestimmter Verfassungsverstöße im Atomrecht trotz Ablaufs der dafür geltenden Frist noch nicht erfüllt, heißt es in einem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 29. September, der am Donnerstag veröffentlicht wurde. Die Linke kritisiert das Urteil und die SPD fürchtet eine „Laufzeitverlängerung durch die Hintertür“.

Insbesondere sei die 16. Atomgesetz-Novelle (AtG-Novelle) ungeeignet, die in einem Urteil vom 6. Dezember 2016 festgestellte Grundrechtsverletzung zu beheben.

Die 16. AtG-Novelle sei schon nicht in Kraft getreten, weil die dafür vom Gesetzgeber selbst vorgesehenen Bedingungen nicht erfüllt seien, so das Gericht. Die getroffene Neuregelung eines Ausgleichs nicht verstromter Elektrizitätsmengen könnte den Verstoß gegen das Eigentumsgrundrecht aber auch in der Sache nicht beheben. Der Gesetzgeber sei daher im Ergebnis weiterhin zur alsbaldigen Neuregelung verpflichtet, um die bereits im Urteil vom 6. Dezember 2016 festgestellten Grundrechtsverstöße zu beseitigen, so die Karlsruher Richter.

Im Kern ging es in dem aktuellen Verfahren um eine Verfassungsbeschwerde gegen die 16. AtG-Novelle. Die Beschwerdeführer hatten eine Verletzung ihres Eigentumsgrundrechts sowie formelle Fehler beklagt. Das Bundesverfassungsgericht hatte die Regelungen zum beschleunigten Ausstieg aus der friedlichen Nutzung der Kernenergie Ende 2016 teilweise für unvereinbar mit dem Grundgesetz erklärt.

Unter anderem wurde damals eine fehlende Regelung zum Ausgleich für Investitionen bemängelt. Die Verfassungsrichter hatten den Gesetzgeber aufgefordert, an der Stelle nachzubessern.

Linken-Chef kritisiert Karlsruher Atom-Urteil

Linken-Chef Bernd Riexinger hat das jüngste Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Atomausstieg scharf kritisiert. „Dass Vattenfall Recht bekommt, ist ein Witz“, schrieb Riexinger am Donnerstag bei Twitter. „Die Allgemeinheit muss für den Atommüll und die Endlager Jahrtausende zahlen. Aber Konzerne, die den Müll verursachen und damit Abermilliarden verdienten, bekommen noch mehr Geld.“ Das sei „einfach absurd“, so der Linken-Chef weiter. Die Karlsruher Richter hatten zuvor geurteilt, dass der finanzielle Ausgleich für Kraftwerksbetreiber bei der Umsetzung des beschleunigten Atomausstiegs noch einmal neu geregelt werden muss.
Der Bundesgesetzgeber habe seine Verpflichtung zur Beseitigung bestimmter Verfassungsverstöße im Atomrecht trotz Ablaufs der dafür geltenden Frist noch nicht erfüllt, heißt es in einem Beschluss.

Atom-Urteil: SPD warnt vor Laufzeitverlängerung durch Hintertür

SPD-Fraktionsvize Matthias Miersch hat nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Atomgesetz davor gewarnt, bei einer Neuregelung der Entschädigungen Laufzeitverlängerungen zu ermöglichen. „Es gilt jetzt schnellstmöglich eine rechtssichere Regelung zu schaffen, die keine Laufzeitverlängerung durch die Hintertür mit sich bringt“, sagte Miersch der „Rheinischen Post“ (Freitagsausgabe). Ursache für das Urteil sieht er in der Atompolitik der früheren Bundesregierung von Union und FDP.

„Die schwarz-gelbe Atompolitik strahlt anscheinend noch lange aus. Das Urteil des Verfassungsgerichts ist wieder einmal ein Beweis, wie lange uns juristische Auseinandersetzungen um das schwarz-gelbe Hin und Her beim Atomausstieg noch beschäftigen werden“, sagte Miersch. Mit Blick auf die noch ausstehenden Verträge mit Braunkohle-Konzernen sagte Miersch: „Ich fühle mich gleichzeitig bestätigt, was unseren Weg beim Kohleausstieg angeht: Einen breit getragenen gesellschaftlichen Kompromiss zu schaffen. Auch hier geht es jetzt darum, diesen Kompromiss rechtssicher abzubilden.“ Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) müsse in Sachen Braunkohle endlich liefern, so Miersch.

Autor: dts