Wolfgang Jorzik (†52) war durch und durch Kölner. Und er hat Kölner Mediengeschichte geschrieben. Wann immer es darum ging, in seiner Heimatstadt eine alternative Öffentlichkeit zu schaffen, war er federführend dabei. In den vergangenen Jahren prägte er die Berichterstattung des WDR-Hörfunks in der Region. Am Dienstag (27.1.15) ist er an Krebs verstorben. Ein Nachruf von seinem Kollegen Frank Überall.

Wolfgang Jorzik war oft ernst, erschien unnahbar. Dabei war er nur nachdenklich. Wenn man mit ihm ins Gespräch kam, konnte man seine offene, herzliche Art erleben. Seinen Witz, seine Lebensfreude, ja manchmal auch seinen Zynismus. Dass Wolfgang oft so ernst war, lag sicher auch an seinem Beruf. Er war mit Leib und Seele Journalist. Wobei dieser Begriff eigentlich gar nicht ausreicht, um das Phänomen „Wolfgang Jorzik“ zu etikettieren. Er verstand sich auch als Stadtschreiber, als Chronist und Aufdecker, als Konstrukteur einer kritischen medialen Öffentlichkeit.

Seinen journalistischen Weg hat Wolfgang Jorzik nach Studienjahren an der Universität beim „Kölner Volksblatt“ begonnen. Er leitete die Redaktion des linken Initiativenblattes. Das war die Zeit, zu der ich ihn kennen lernen durfte. Das Volksblatt hatte ein Foto nachgedruckt, das ich damals im „Kölner Wochenspiegel“ veröffentlicht hatte. Ich war ziemlich verärgert und schrieb eine böse E-Mail. Kurze Zeit später hatte ich den mir damals unbekannten Wolfgang Jorzik am Telefon. Er entschuldigte sich vielmals, und wir kamen ins Gespräch. Es war zunächst ein loser Gesprächsfaden, den wir beide nicht weiter verfolgten.
 

Trotzdem verloren wir uns gegenseitig nicht aus den Augen. Ich machte mich vom Anzeigenblatt aus auf in Richtung WDR, Wolfgang schuf mit Kollegen ein bundesweit beachtetes Projekt: Die „Kölner Woche“. Immer wieder gibt es Zeitungen, die einen überregionalen Mantel- und einen regionalen Lokalteil hatten. Bei der „Kölner Woche“ war das umgekehrt: Die Regionalseiten zierten den Titel, im Innenteil lag die bundesweite Ausgabe der „jungen welt“. Das Bündnis mit einer linken Zeitung war ungewöhnlich für Köln.
 

Und wieder hatte ich damals Wolfgang am Telefon. Ob ich mir vorstellen könne, für die „Kölner Woche“ zu schreiben, fragte er mich. Ich antwortete lachend, dass das eigentlich nicht so meine politische Richtung sei. Egal, meinte Wolfgang, es gehe um guten, unabhängigen Journalismus: Wir sollten einfach mal einen Kaffee zusammen trinken. Aus diesem Treffen wurde eine langfristige journalistische Zusammenarbeit und eine echte Freundschaft. Im Internet wurde Wolfgang Jorzik als „undogmatischer Linker“ bezeichnet. Das trifft es aus meiner Sicht schon recht gut, es geht aber noch präziser. Er war ein rheinisch-pragmatischer Linker. Und ein verdammt sympathischer.

In den folgenden Jahren engagierte Wolfgang sich in der Redaktion des umstrittenen Blattes „20 Minuten Köln“ – einer Gratis-Tageszeitung, die wiederum in der ganzen Republik Wirbel auslöste. Und als die Berliner tageszeitung (taz) in Köln eine Lokalausgabe eröffnete, schaute wieder das ganze Land hin, und Wolfgang war dabei. Im Gegensatz zu vielen anderen war er bei seiner journalistischen Tätigkeit nie verbissen. Natürlich wollte er eine pluralistische Öffentlichkeit schaffen, aber bei ihm war das eben nie mit einem Hass auf den in Köln mächtigen Verlag DuMont Schauberg verbunden, wie er bei dogmatischen Linken in der Stadt so gern gepflegt wird. Ich glaube, Hass war Wolfgang Jorzik grundsätzlich fremd. Wer ihm mit so etwas kam, wurde süffisant weg gelächelt.

Als Wolfgang Jorzik keine journalistische Heimat mehr hatte, holte ich ihn zum WDR. Sein rheinischer Dialekt war ihm vor dem Mikrophon oft ein Handikap. Aber er recherchierte so exzellent, dass die sprachlichen Puristen ihm den vermeintlichen Makel gerne nachsahen. Wolfgang war immer da, wenn man ihn brauchte. Als Journalist, aber auch als Mensch. Ich erinnere mich noch gut daran, dass ich bereits intensiv als freier Journalist für den WDR arbeitete, gleichzeitig aber noch mein Studium abschließen musste. Ich hatte ziemliche Prüfungsangst. „Die besten Pferde springen knapp“, hat Wolfgang mir damals zur Aufmunterung gesagt. Es hat mir geholfen. Ohne Wolfgang hätte ich wahrscheinlich nie promoviert, wäre nie Professor geworden. Es ist kaum zu ermessen, was mir seine emotionale Unterstützung damals bedeutet hat. Und als ich ganz privat in einer emotional schwierigen Lage war, war Wolfgang da. Hat Trost gespendet, seinen berühmten, leckeren Lammeintopf und die Gelegenheit zum Reden. Jetzt ist Wolfgang nicht mehr da. Ich weiß, ich bin bei weitem nicht der einzige, der ihn vermissen wird.

Bis zuletzt war Wolfgang Jorzik nicht nur privat engagiert, sondern auch öffentlich. In der Bundes-Ausgabe der taz beschrieb er in einem Beitrag die unmenschliche Behandlung eines Krebs-Erkrankten durch Behörden und Krankenkassen. Er fertigte Fotobücher, um Einnahmen für seine Familie zu generieren. Er sprach mit mir über unsere Sammlung von „Verboten“, die wir seit mehr als sieben Jahren gemeinsam betreiben. Aus dem Kunst- und Gesellschaftsprojekt soll kurzfristig ein Buch werden – der Erlös soll Wolfgangs Familie zugute kommen. Denn Wolfgang hinterlässt seine Frau und zwei Kinder. Die Zwillinge sind erst im Sommer eingeschult worden. Immerhin das durfte Wolfgang Jorzik noch miterleben.

Freunde und Kollegen von ihm haben einen Spendenaufruf für seine Familie veröffentlicht:

Hier geht es zum Spendenaufruf >>>
 

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Wolfgang Jorzik – ein journalistischer Mutmacher

Auch wir, die Kollegen von report-K haben Wolfgang Jorzik kennen und schätzen gelernt. Nicht so intensiv wie der Kollege Frank Überall, daher danken wir ihm für den Nachruf. Wir haben oft mit Wolfgang Jorzik nach Ausschuss- oder Ratssitzungen vor dem Kölner Rathaus gestanden und diskutiert. Seine Einschätzungen zu gesellschaftlichen und politischen Themen in Köln waren von Klartext und tiefer Informationsdichte geprägt. Wir haben diesen Austausch überaus geschätzt. Wolfgang Jorzik hat uns darin bestärkt journalistisch Haltung zu zeigen. Er hat uns immer wieder Mut gemacht das Projekt einer unabhängigen Internetzeitung für Köln weiter voranzutreiben. Er fehlt.

Die Redaktion von report-K

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Autor: Frank Überall | Foto: Hartmut Schneider
Foto: Wolfgang Jorzik (Foto: Hartmut Schneider/www.hartmutschneider.de)