Das Archivfoto zeigt Alice Weidel. | Foto: via dts nachrichtenagentur

Berlin | Die Fraktion Identität und Demokratie (ID) im Europaparlament will die AfD-Delegation offenbar aus ihren Reihen ausschließen. Der Vorsitzende Marco Zanni von der italienischen Lega habe dazu eine Sondersitzung einberufen, die per Videokonferenz abgehalten werden soll, berichtet die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“. Einziger Tagesordnungspunkt soll demnach der Ausschluss der neun AfD-Abgeordneten sein.

Zuvor hatte die AfD-Delegation offenbar noch versucht, ihren Ausschluss zu verhindern, indem sie den Ausschluss des umstrittenen AfD-Spitzenkandidaten für die Europawahl, Maximilian Krah, vorschlug. Zuvor hatten sich unter anderem wegen Äußerungen von Krah Forderungen nach einem Ausschluss gemehrt. Am Mittwoch hatte die Chefin des französischen Rassemblement National, Marine Le Pen, den Bruch mit der AfD angekündigt.

Bericht: Weidel kritisiert intern mangelnde Zurückhaltung Krahs 

Angesichts des drohenden Ausschlusses der AfD im Europaparlament aus der Fraktion „Identität und Demokratie“, in der sich rechtspopulistische, nationalistische und rechtsextreme Parteien versammeln, hat AfD-Vorsitzende Alice Weidel den EU-Spitzenkandidaten ihrer Partei, Maximilian Krah, offenbar intern kritisiert.

„Mit entsprechender Zurückhaltung des Spitzenkandidaten, die ihm mehrfach verordnet wurde, wäre das nicht passiert“, zitierte die „Bild“ (Freitagausgabe) Weidel unter Berufung auf Parteikreise. „Ohne Not“ sei der AfD im Wahlkampffinale ein „übler Imageschaden beigefügt“ worden.

Der Vorsitzende der Fraktion, Marco Zanni von der rechtspopulistischen italienischen Partei Lega Nord, hat laut der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ eine Sondersitzung einberufen, deren einziger Tagesordnungspunkt der Ausschluss der neun AfD-Abgeordneten sein soll. Zuvor hatten sieben AfD-Abgeordnete laut der „Welt“ versucht, dies abzuwenden und stattdessen auf einen Ausschluss Krahs gedrängt. Ob ein Ausschluss von Dauer wäre, ist fraglich: Nach Europawahlen ändert sich häufig die Zusammensetzung von Fraktionen im EU-Parlament.

Die Debatte um die europäische Rolle der AfD hatte eine Äußerung von AfD-Spitzenkandidat Maximilian Krah über die nationalsozialistischen Organisation SS angefacht.“Ich werde nie sagen, dass jeder, der eine SS-Uniform trug, automatisch ein Verbrecher war“, wurde Krah aus einem Interview mit der italienischen Zeitung „La Repubblica“ vom Wochenende zitiert.

In den Verantwortungsbereich der SS, die Buchstaben stehen für „Schutzstaffel“, fielen ab 1934 der Betrieb und die Verwaltung von Konzentrationslagern und ab 1941 auch von Vernichtungslagern. Sie war sowohl an der Planung wie an der Durchführung des Holocausts und anderer Völkermorde vorrangig beteiligt.

Mittlerweile liegt ein Statement der AfD vor. Die AfD-Bundessprecher Dr. Alice Weidel und Tino Chrupalla sagen:
„Wir haben die Entscheidung der ID-Fraktion zur Kenntnis genommen. Dennoch sehen wir optimistisch auf den Wahlabend und die darauffolgenden Tage. Die AfD wird selbstverständlich anstreben, mit einer verstärkten Delegation, für eine schlagkräftige Fraktion im Europäischen Parlament zu sorgen. Um in Brüssel politisch wirken zu können, ist ein Zusammenarbeiten mit nahestehenden Parteien unerlässlich. Wir sind daher zuversichtlich, auch in der neuen Legislaturperiode verlässliche Partner an unserer Seite zu haben.“

Le Pens Partei begründet AfD-Ausschluss mit Krahs SS-Äußerungen

Der Leiter der französischen Rassemblement-National-Delegation im Europaparlament, Jean-Paul Garraud, hat die Stimme seiner Delegation für den Ausschluss der AfD aus der Rechtsaußen-Fraktion Identität und Demokratie (ID) mit den Äußerungen des AfD-Europa-Spitzenkandidaten Maximilian Krah zur SS begründet.

Diese seien „für die RN-Partei inakzeptabel“, heißt es in einer Mail an das ID-Präsidium, über die die „Welt“ (Freitagausgaben) berichtet. „Diese Erklärung des deutschen Spitzenkandidaten ist nicht nur unstatthaft, sondern zieht leider auch die gesamte AfD in Mitleidenschaft.“

Gerolf Annemans, Delegationsleiter der dänischen Vlaams Belang, teilte laut der „Welt“ in einer Mail an das ID-Präsidium mit, die flämische Delegation stimme „nach Gesprächen mit allen betroffenen Parteivorsitzenden (traurigerweise) formell zu“.

Die Dänische Volkspartei hatte sich nicht an der Abstimmung beteiligt und wird daher zu den Ja-Stimmen gezählt. Für den Ausschluss von Fraktionsmitgliedern ist laut Satzung eine absolute Mehrheit notwendig – demnach müssen fünf Delegationen zustimmen.

Die AfD, die österreichische FPÖ und die Estnische Konservative Volkspartei stimmten gegen den Ausschluss aller AfD-Mitglieder. Sie hatten zuvor einen alleinigen Ausschluss von Krah beantragt.

Die Debatte um die Rolle der AfD war von einer Äußerung von AfD-Spitzenkandidat Maximilian Krah über die nationalsozialistischen Organisation SS angefacht worden. „Ich werde nie sagen, dass jeder, der eine SS-Uniform trug, automatisch ein Verbrecher war“, wurde Krah aus einem Interview mit der italienischen Zeitung „La Repubblica“ vom Wochenende zitiert.

In den Verantwortungsbereich der SS, die Buchstaben stehen für „Schutzstaffel“, fielen ab 1934 der Betrieb und die Verwaltung von Konzentrationslagern und ab 1941 auch von Vernichtungslagern. Sie war sowohl an der Planung wie an der Durchführung des Holocausts und anderer Völkermorde vorrangig beteiligt.

SPD-Fraktionsmanagerin wirft AfD wegen Krah „Wählertäuschung“ vor 

Die Parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Bundestagsfraktion, Katja Mast, hat der AfD „Wählertäuschung“ vorgeworfen. „Die deutsche AfD-Spitze um Weidel und Chrupalla will ihren Spitzenkandidaten verstecken, doch Maximilian Krah stellt selbstbewusst fest: AfD-Listenkandidat Nummer 1 bleibt er“, sagte Mast dem „Tagesspiegel“ (Freitagausgabe). „Das ist alles eine riesige Wählertäuschung und politische Mogelpackung.“

Doch in der AfD gehörten „Fake News, Korruption und Spionage zum festen Repertoire“, so die SPD-Politikerin. „Solange Maximilian Krah nicht unter Eid versichert, nach der Wahl kein Mandat anzunehmen, ist er mit der AfD gewählt.“

Die AfD habe von Anfang gewusst, „welche Gesinnung er hatte, und hat ihn auf Platz 1 ihrer Liste gewählt“, sagte Mast. Die Bürger hätten es in der Hand, „dieses Spiel zu durchbrechen – die AfD nicht wählen“.

Weber hält AfD-Rauswurf für „zu spätes Warnsignal“ 

Der Vorsitzende der konservativen EVP-Fraktion im Europaparlament, Manfred Weber (CSU), sieht im Ausschluss der AfD-Europaabgeordneten aus der rechten ID-Fraktion ein „Warnsignal“, das „allerdings viel zu spät gekommen“ sei. „Wenn jetzt europaweit selbst bei den Radikalen verstanden wird, dass die die AfD die Radikalsten unter den Radikalen sind“, dann hoffe er, dass das auch die Wähler erkennen und „bei der anstehenden Europawahl ihre Schlüsse draus ziehen“, sagte er der „Mediengruppe Bayern“ (Freitagsausgabe).

Sein Kreuz bei der AfD zu machen sei kein Protest, „sondern eine brandgefährliche Wahl“, so Weber weiter. „Wer die europäische Integration ablehnt und den Dexit will, der gefährdet Hunderttausende von Arbeitsplätzen, Wohlstand und den Frieden in Europa.“

Als „geradezu lächerlich“ bezeichnete es Weber zudem, dass der AfD-Spitzenkandidat für die Europawahl, Maximilian Krah, zwar ankündige, den AfD-Bundesvorstand einen Monat früher zu verlassen, gleichzeitig aber Spitzenkandidat bleibe. „Wer im Bundesvorstand nicht mitarbeiten kann, kann erst recht nicht im Europäischen Parlament mitarbeiten“, sagte Weber. Die Erwartungshaltung sei deshalb, dass Krah „jetzt klar ankündigt, dass er sein Mandat nicht annimmt und sich komplett zurückzieht“.

Den Parteien, die im Europaparlament jetzt die AfD aus der gemeinsamen Rechtsaußen-Fraktion „Identität und Demokratie“ (ID) geworfen haben, etwa der italienischen Lega oder der französischen Rassemblement National, warf Weber vor, zuvor mitgeholfen zu haben, die AfD überhaupt erst stark zu machen. „Es ist ja gut, wenn Matteo Salvini und Marine Le Pen Konsequenzen ziehen. Glaubwürdig ist das aber nicht“, sagte Weber. „Genau diese Parteien haben jahrelang die AfD mit aufgebaut und stark gemacht.“ Sie hätten der AfD Plattformen gegeben und sie in ihre Arbeit miteingebunden.

„Jetzt, so kurz vor der Wahl die Reißleine zu ziehen, kommt viel spät.“ Sie müssten sich vorhalten lassen, „einen Beitrag geleistet zu haben, dass diese Nazi-Partei überhaupt erst so stark wurde“ so Weber. „Außerdem sind andere Parteien in der ID ebenfalls toxisch, etwa aufgrund ihrer Putin-Nähe oder ihres Ziels, Europa auszuhöhlen.“