Köln | Sie bezahlten den Widerstand gegen das Hitler-Regime mit 700.000 Toten und der fast völligen Zerstörung ihrer Hauptstadt. Doch die zwei Monate des Warschauer Aufstands von 1944 sind bis heute Kernstück des polnischen Selbstverständnisses. Symbol für den Willen und die Kraft, sich auch einem übermächtigen Gegner entgegenzustellen. Jetzt macht die deutsch-polnische Wanderausstellung „Der Warschauer Aufstand 1944“ Station im Kölner NS-Dokumentationszentrum.

Die Verbannung der polnischen Zivilbevölkerung aus Warschau nach Niederschlagung des Aufstandes. © Museum des Warschauer Aufstands, Warschau

50 Tafeln mit vielen historischen Fotos, Schriftdokumenten und deutschem und englischem Text erzählen von der Bedeutung des Aufstands und seinem historischen Kontext. Der beginnt schon 1918 und reicht über den Wiederaufbau nach 1945 bis heute. Im Laufe der Geschichte war Polen nur selten ein selbstständiger Staat, 1918 erlangte es dann in Gestalt der 1. Republik seine nationale Souveränität. Die Hauptstadt Warschau wurde zum industriellen Zentrum, wurde zum „Paris des Ostens“.

Ende September 1939 wurde die Stadt dann nach längerer Belagerung von deutschen Truppen besetzt. Die Leidenszeit unter dem Terror-Regime begann. Besonders betroffen war die jüdische Bevölkerung, die in einem Getto zusammengepfercht wurde. Das wurde, nachdem ein Aufstand 1943 brutal niedergeschlagen wurde, anschließend buchstäblich platt gemacht.

Knapp zwei Monate herrschte ein hoffnungsvoller Optimismus

Am 1. August 1944 kam es dann zum Aufstand. Den Überraschungsmoment nutzend, konnten wichtige Versorgungseinrichtungen erobert werden. Eine Verwaltung wurde aufgebaut, Dutzende rote Briefkästen versprachen geregelten Postverkehr, Feldküchen sorgten für eine notdürftige Versorgung der Bevölkerung, eine Verfassung für das Nachkriegspolen wurde erarbeitet. Zahlreiche historische Fotos zeigen den Optimismus, der in diesen wenigen Wochen herrschte.

Doch die Rache der Deutschen war brutal. Systematisch wurde die Stadt aus der Luft zerbombt – eine filmische Rekonstruktion der Ruinenlandschaft ist in Köln zu sehen. Deutlich erkennbar das schon ein Jahr zuvor zerstörte Gebiet des Gettos.

Auch ein Kölner beteiligte sich am Massenmord

Gezielt wurde Zivilisten ermordet. Die Besatzer befolgten damit einen Befehl von Hitler und Himmler: „Jeder Bewohner ist zu töten, es ist verboten, gefangene zu machen. Warschau soll dem Erdboden gleichgemacht werden, um auf diese Weise ein abschreckendes Beispiel für ganz Europa zu statuieren.“ Nach der Niederschlagung des Aufstands wurde die überlebende Bevölkerung aus der Stadt vebannt. Dann wurde die Stadt ausgeplündert, das Zerstörungswerk fortgesetzt.

Bei den Kriegsverbrechen tat sich unter anderem das Polizeibatallion Derfflinger hervor, das im Stadtteil Wola 50.000 Menschen massakrierte. Dessen Geschichte wird in einem Vortrag des umfangreichen Begleitprogramms zu dieser Ausstellung besonders beleuchtet: Aufhänger ist ein Kölner Polizist, der wegen seiner Teilnahme an dem Massenmord 1946 von einem polnischen Gericht zum Tode verurteilt und hingerichtet wurde.

Aus den Helden des Widerstands wurden nach 1945 Verräter

Doch hat der Aufstand von 1944 noch eine andere Seite – denn sowjetische Truppen, obwohl in der Nähe, griffen nicht zugunsten der Polen ein. Stalin ließ sogar ihre Offensive unterbrechen, nannte den Aufstand ein „reaktionäres Abenteuer“. Diese Politik hinterließ ein Trauma in Polen, das bis heute nachwirkt und auch Russland nicht daraus entlässt.

Ein Trauma, dessen Wurzeln weiter zurück reichen: Wenige Wochen nach dem Einmarsch der Deutschen rückten auch sowjetische Truppen in den Osten des Landes ein und ermordeten in Katyn über 4.000 gefangene polnische Soldaten. Nach der Machtübernahme der Kommunisten in Polen wurden die Anführer des Warschauer Aufstands zu Verrätern erklärt und verurteilt, einige sogar hingerichtet.

So verbindet sich heute die Erinnerung an den Warschauer Aufstand auch mit dem „Solidarnosc“- Aufstand von 1980. Diese Erinnerung an einen kurzfristigen – wenn – wenn auch vergeblichen – Widerstand gegen ein Unrechtsregime hält bis heute. Dass die aktuelle innenpolitische Situation nicht unbedingt demokratischen Vorstellungen entspricht, ist eine andere Geschichte.

[infobox]„Der Warschauer Aufstand 1944“ – bis 29. April 2018, NS-Dokumentationszentrumder Stadt Köln, Appellhofplatz 23-25, 50667 Köln, www.nsdok.de,Di-Fr 10-18 Uhr, Sa und So 11-18 Uhr, erster Donnerstag im Monat 10-22 Uhr. Katalog: 22 Euro. Umfangreiches Begleitprogramm unter www.ns-dok.de

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Autor: ehu
Foto: „Der Warschauer Aufstand 1944“: Blick in die Kölner Ausstellung.