Köln | Weltoffen und tolerant – so sieht sich Köln gerne selber. Doch wie sah es in dieser Stadt mit religiöser Toleranz und Intoleranz in den vergangenen Jahrhunderten aus? Dem geht jetzt die Ausstellung „Hilliges Köln 2.0 –Auf dem Weg zur religiösen Toleranz?“ nach.

Keine leichte Aufgabe – denn wie kann Toleranz dargestellt werden? Und so ist es eine Ausstellung, die vor allem gelesen werden will. Auf über einem Dutzend illustrierter Schrifttafeln wird Kölns Weg vom späten Mittelalter bis heute erzählt. Historische Dokumente sind die Zeugen dafür, dazu einige religiöse Kultobjekte der drei monotheistischen Religionen und drei Medienstationen mit Film- und Tondokumenten. QR-Codes ermöglichen zusätzliche Informationen.

Kölns Selbstbild heute: weltoffen und tolerant

Köln – die weltoffene und tolerante Stadt! Auch wenn das heute mehrheitlich zutreffen mag, am Anfang war es wohl eher ein Marketing-Slogan von OB Hermann Pünder, der damit in einer Rede 1945 von der Kölner Unterstützung des Nationalsozialismus ablenken wollte. Die Ausstellung im Stadtarchiv am Heumarkt zeigt jetzt, wie schwer sich die Kölner über die Jahrhunderte taten, den durchaus hohen Toleranz-Standard von heute zu erreichen. Was nicht ohne die mehr oder weniger große Strenge von Gesetzen möglich war.

Der Rückblick beginnt wenig ruhmvoll mit dem letzten mittelalterlichen Judenpogrom 1424. Sogar das Wort „judenfrei“ sollen die Kölner damals geprägt haben. Erst als die Franzosen Ende des 18. Jahrhunderts Köln besetzten, durften sich Juden wieder als gleichberechtigte Bürger in Köln niederlassen – wenn auch mit bürokratischem Aufwand verbunden.

Wer nicht katholisch war, war in Köln nicht wohl gelitten

Nachdem Luther vor 500 Jahren seine Thesen in Wittenberg an die Schlosskirche genagelt hatte (die Ausstellung knüpft an dieses historische Ereignis an), kamen Anhänger seines Glaubens auch nach Köln – und mussten die Stadt auch bald schon wieder verlassen. Es sei denn, sie bekehrten sich zum katholischen Glauben, der im „heiligen Köln“ seine alleine selig machende Macht behauptete. Das betraf Heiraten oder Beerdigungen. Im Archiv finden sich dafür immer wieder Beispiele. Aber auch dafür, dass auf der zwischenmenschlichen Ebene immer wieder über die Religionen hinweg Solidarität gezeigt wurde. In Deutz allerdings genossen Protestanten seit 1612 Religionsfreiheit.

Die ersten Gesetze, die von Kölns Bürgerinnen und Bürgern Toleranz einforderten, brachten die französischen Revolutionstruppen nach Köln, für Juden und Protestanten. Preußen, das die Rheinlande 1815 übernahm, knüpfte daran an. Was jedoch den Streit etwa um konfessionelle Schulen nicht verhinderte – eine politische Auseinandersetzung, die auch nach 1945 wieder aufflackerte. In der jüngsten Vergangenheit setzte Köln dann langsam sein Image als tolerante Stadt um: Hier wurde 1965 die im Rheinland lange Zeit einzige islamische Betstube eröffnet, hier erhielten Muslime als eine der ersten Städte in Deutschland auf einem Friedhof ein Gräberfeld.

Der AfD-Bundesparteitag wirft seine Schatten voraus

Der Rückblick soll helfen, sich über den aktuellen Stand der behaupteten Kölner Toleranz zu vergewissern, erhofft sich Archiv-Direktorin Bettina Schmidt-Czaja von der Ausstellung. Gerade in Zeiten von Hassmails und Rechtspopulismus. Dass die Ausstellung wegen des AfD-Bundesparteitags im gegenüberliegenden Hotel Maritim am Wochenende um den 22. April wohl wegen erwarteter gewalttätiger, alles andere als toleranter und die Meinungsfreiheit achtender Proteste wohl geschlossen bleibt, kommentiert Schmidt-Czaja mit einem sarkastischen „putzig!“.

[infobox]„Hilliges Köln 2.0 – Auf dem Weg zur religiösen Toleranz?“ – bis 12. November 2017, Historisches Archiv der Stadt Köln, Heumarkt 14, 50667 Köln, Di sowie Do-So 10-16:30 Uhr, Mi 10-19:30 Uhr, Eintritt frei, kostenloses Begleitheft. Umfangreiches Begleitprogramm. Informationen: http://www.stadt-koeln.de/leben-in-koeln/freizeit-natur-sport/veranstaltungskalender/hilliges-koeln-20

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Autor: ehu | Foto: ehu
Foto: „Hilliges Köln 2.0 – Auf dem Weg zur religiösen Toleranz?“: Blick in die Ausstellung am Heumarkt.