Köln Mit Beginn des organisierten Kölner Karnevals vor 200 Jahren sind Jüdinnen und Juden ein Teil davon – im Treiben auf der Straße und in der Kneipe, im Verein, auf der Bühne und davor. Für einige gehört der Karneval zu den Höhepunkten des Jahres, manche verdienen mit ihm ihren Lebensunterhalt. Eine zweisprachige Ausstellung im Kölner NS-Dok stellt erstmals jüdische Karnevalisten in den Mittelpunkt, die das jecke Brauchtum mitgestalten und feiern.
Dabei wird gezeigt, wie entscheidend diese den organisierten Karneval geprägt und vorangetrieben haben, und wie sie gleichzeitig aber auch zunehmend vom jecken Treiben in Köln ausgegrenzt worden sind. Diese Ambivalenz zieht sich durch alle Bereiche der Ausstellung “Schalom & Alaaf”, die noch bis zum 31. März im NS-Dok am Appellhofplatz zu sehen ist. Festgemacht wird die Schau an den jüdischen Karnevalistinnen und Karnevalisten.
So fällt der Blick auf den Kölner Straßenkarneval, der mit dem ersten Maskenzug rund um den Neumarkt im Jahr 1823 an den Start ging. Im darauffolgenden Jahr führte Max Oppenheim den Zug als „Prinzessin Karneval“ an. Beim Sitzungskarneval auf den Bühnen der Stadt sind jüdische Büttenredner, Komponisten und Liedtexter lange die Stars in Köln. Neben den bekannten Größen wie Alfred Heinen, Emil Jülich oder Gerti Ransohoff zeigt eine Galerie insgesamt 70 jüdische Karnevalisten und ihr Wirken in Köln.
Zu den zentralen Figuren zählt hier Hans David Tobar, dessen Biografie in der Ausstellung ausführlich nachgezeichnet wird. Bereits als Jugendlicher trat er bei Veranstaltungen von jüdischen und nichtjüdischen Karnevalsvereinen auf. Den Karneval nahm der Kölner auch mit in die Sommerfrische auf der Insel Norderney, wo er nicht nur Veranstaltungen organisierte, sondern auch die Karnevalsgesellschaft Zoppejröns gründete.
Nach dem Ausschluss von Jüdinnen und Juden aus öffentlichen künstlerischen Tätigkeiten durfte Tobar ab der Session 1933/34 nur noch bei jüdischen Veranstaltungen auftreten. Im Dezember 1939 konnte er mit seiner Familie nach New York City fliehen. Dem Karneval und dem Rheinland blieb er trotz Ausschluss aus der Gesellschaft in Köln eng verbunden: Er veranstaltete „Rheinische Hans Tobar-Abende“, bei denen er auf Kölsch, Hochdeutsch und Jiddisch vorträgt – und das teilweise am prominenten Broadway.
Bei den Vereinen fällt der Blick auf den Kleinen Kölner Klub, dem einzigen jüdischen Karnevalsverein der Domstadt, der 1922 vom Textilkaufmann Max Salomon und dessen Bruder Willi gegründet worden ist. In der Schau werden auch einige der Sessionsorden gezeigt. Darunter findet sich der Orden, mit dem der Redner Karl Küpper ausgezeichnet worden ist.
Wie Hans David Tobar führten die Gebrüder Salomon ihre karnevalistische Tradition im Exil fort. So sorgte Max Salomon für jecke Termine am Big Apple in New York, während sein Bruder Willi der Stadt Tel Aviv karnevalistisches Leben einhauchte und sich so ein Stück alte Heimat weit entfernt vom Dom schaffen konnte. Die Ausstellung schlägt am Ende zudem den Bogen zum hier und jetzt, indem sie auf die junge Geschichte der Kölschen Kippa Köpp als neuem jüdischem Karnevalsverein in Köln blickt.
“Wir sind ein Teil der Kölner Karnevalsfamilie und es wichtig, dass auch andere Karnevalisten, wie das Festkomitee am Sonntag bei der Kundgebung am Dom, Präsenz zeigen. Das passiert im Karneval momentan noch zu wenig”, sagt der Präsident der Kölschen Kippa Köpp und Mitkurator der Ausstellung, Aaron Knappstein.
“Karneval ist seit 200 Jahren ein wichtiger Teil Kölns, dazu haben von Anfang an auch Kölner Jüdinnen und Juden beigetragen. Die Ausstellung ist eine ehrenvolle Hommage an ehemalige Kölner Bürgerinnen und Bürger, von denen einige Publikumslieblinge waren – und die plötzlich aufgrund ihres Glaubens ausgeschlossen und verfolgt wurden”, sagt OB Henriette Reker.
Service: Ausstellung “Schalom & Alaaf”; Ort: NS-Dok, Appellhofplatz 23-25; Laufzeit: bis zum 31. März; Öffnungszeiten: Di-Fr 10-18, Sa+So 11-18 Uhr; Eintritt: 4.50 (ermäßigt 2) Euro; Termine: nächste Führung 16. November, 16 Uhr, Podiumsdiskussion “Spaß ohne Grenzen? Rassismus, Antisemitismus und Diskriminierung im Karneval, 18. Januar, 19 Uhr.