Bochum | aktualisiert | Das Bochumer Opel-Werk könnte womöglich schneller vor dem Aus stehen als geplant. Die Belegschaft lehnte auf Betriebsversammlungen am Donnerstag das vor rund einem Monat ausgehandelte Sanierungsprogramm für den angeschlagenen deutschen Autobauer mehrheitlich ab, wie die IG Metall mitteilte. Von den Gewerkschaftsmitgliedern der Belegschaft votierten 76,1 Prozent dagegen. Die Wahlbeteiligung betrug 69,3 Prozent. Nach der Ablehnung des Sanierungs-Tarifvertrags für das Opel-Werk in Bochum durch die Belegschaft erhöht das Management den Druck. In einem Gespräch mit dem Betriebsrat bekräftigte das Unternehmen am Freitag seine Absicht, die Autofertigung bis Ende 2014 in Bochum auslaufen zu lassen. Zudem soll noch in diesem Jahr die dritte Schicht in der Fahrzeugfertigung entfallen. Überdies soll – wie bereits 2011 vereinbart – bis Jahresende die Getriebefertigung eingestellt werden.

Opel-Sprecher: Keine neuen Gespräche

Ein Unternehmenssprecher erklärte am Freitag auf Anfrage der Nachrichtenagentur dapd, dass nach der Ablehnung des Tarifvertrags durch die Belegschaft keine neuen Gesprächen geplant seien. Es bleibe dabei, bereits Ende 2014 die Fahrzeugproduktion in Bochum zu beenden. Etwa 3.300 Opel-Mitarbeiter und mehr als 400 Mitarbeiter in einem als Joint Venture betriebenen Warenverteilzentrum sind damit von baldiger Arbeitslosigkeit bedroht.

Der Bochumer Betriebsratschef Rainer Einenkel erwartet, dass es trotz der Aussagen des Managements Nachverhandlungen zu dem Tarifvertrag gibt und die Fahrzeugproduktion bis Ende 2016 erhalten bleiben kann. Nach Ansicht des Bochumer Betriebsrats würde eine vorzeitige Verlegung der Produktion dem Unternehmen teuer zu stehen kommen. „Man kann nicht von heute auf morgen die Zafira-Produktion einfach in ein anderes Werk verlegen. Das würde sehr hohe Kosten für Opel verursachen“, sagte Betriebsrat Carsten Adametz.

Die Bochumer Oberbürgermeisterin Ottilie Scholz (SPD) zeigte sich „sehr besorgt“ über die aktuelle Situation. Für Bochum und die Region wäre der Verlust der Autoproduktion bereits im kommenden Jahr „ein schwerer Verlust“. Sie könne „nur an die Vernunft aller Beteiligten appellieren und das Management auffordern, die Verhandlungen noch nicht für beendet zu erklären“, sagte sie. Zugleich begrüßte sie die Aussage von Opel, dass sich das Unternehmen weiter an der Gründung der Entwicklungsgesellschaft „Bochum Perspektive 2022“ beteiligt.

Opposition fordert Land zum Handeln auf

Der wirtschaftspolitische Sprecher der CDU-Landtagsfraktion, Hendrik Wüst, forderte die Landesregierung sich, sich für das Opel-Werk Bochum einzusetzen. Die rot-grüne Koalition dürfe sich „nicht auf eine abwartende Rolle zurückziehen“, sondern müsse zwischen beiden Seiten „ausloten, welche Optionen es gibt“.

Der wirtschaftspolitische Sprecher der FDP, Dietmar Brockes, verlangte von Wirtschaftsminister Garrelt Duin (SPD), „schnellstmöglich konkrete Pläne“ für die Zukunft der industriellen Produktion in Bochum und dem Ruhrgebiet zu entwickeln.

Klares Misstrauensvotum gegen Opel-Management

Der Sanierungsplan sah außerdem vor, dass Bochum nach Auslaufen der Fahrzeugproduktion Autoteile zuliefern und Logistikstandort werden sollte. Damit sollten nach GM-Plänen 1.200 der verbliebenen 3.300 Arbeitsplätze erhalten bleiben. Der Bochumer Betriebsratschef Rainer Einenkel hatte sich damals gegen das Sanierungskonzept ausgesprochen, das von den anderen drei Opel-Werken Rüsselsheim, Eisenach und Kaiserslautern inzwischen gebilligt wurde. Die Bochumer Opel-Belegschaft ist mit ihrem „Nein“ Einenkel nun gefolgt.

„Das Ergebnis werte ich als klares Misstrauensvotum gegenüber dem Management von Opel“, sagte Nordrhein-Westfalens IG-Metall-Chef Knut Giesler. Er fügte hinzu: „Zu viele Fehler, zu viele falsche Versprechungen, seit über acht Jahren, das sitzt tief. Die Zusagen einer Komponentenproduktion, das Engagement für Alternativarbeitsplätze, und die möglichen Abfindungen blieben ihnen mehrheitlich zu vage.“

Duin nennt Votum „bedauerlich, aber nachvollziehbar“

NRD-Wirtschaftsminister Garrelt Duin hat die Ablehnung des Sanierungsplans für das Bochumer Opel-Werk durch die Belegschaft als „bedauerlich, aber nachvollziehbar“ bezeichnet. Die Erfahrungen der letzten Monate hatten den Beschäftigten nicht das Gefühl vermittelt, sicher sein zu können, erklärte der SPD-Politiker am Abend in Düsseldorf.
Das Land wird das für (den morgigen) Freitag geplante Treffen der Arbeitsgruppe „Bochum Perspektive 2022“ vertagen. Zunächst müsse klar sein, auf welcher Grundlage das Projekt starten könne. „Die Bemühungen der IG Metall, das Unternehmen zu weiteren Gesprächen zu bewegen, haben die Unterstützung der Landesregierung“, versicherte Duin.

Gellrich: Zafira Tourer läuft Ende 2014 aus

Der Leiter des Bochumer Opel-Werkes, Manfred Gellrich, erklärte am Abend: „Wir bedauern sehr, dass die Beschäftigten in Bochum ein attraktives Angebot nicht angenommen haben. Damit sei eine „große Chance“ vertan. Wie die Opel-Geschäftsführung bereits im Vorfeld der Abstimmung klargestellt habe, werde es keine weiteren Verhandlungen zum vorliegenden Tarifvertrag geben. „Die Zafira Tourer Produktion und der Verzicht auf betriebsbedingte Kündigungen werden Ende 2014 auslaufen“, heißt es in der Erklärung des Unternehmens.
Von der Entscheidung der Belegschaft nicht betroffen ist die Entwicklungsgesellschaft „Bochum Perspektive 2022“, in die Opel finanziell wie personell investiert. Ziel der Initiative ist es, neue Unternehmen und Technologien in Bochum und der Region anzusiedeln.

Das Sanierungsprogramm, das Ende Februar von Geschäftsleitung und Gesamtbetriebsrat vereinbart worden war, sah für Opel in Bochum eine Verlängerung des Kündigungsschutzes bis Ende 2016 und das daran anschließende Auslaufen der Autoproduktion vor. Mit der Ablehnung des Plans könnte der Opel-Mutterkonzern General Motors (GM) die Produktion im Bochumer Werk wie ursprünglich geplant schon zwei Jahre früher Ende 2014 einstellen. IG Metall und Betriebsrat wollten trotz der Abstimmung nun erneut das Gespräch mit der Opel-Geschäftsführung suchen, sagte ein Sprecher der Gewerkschaft.

Autor: Michael Bosse, dapd