Widerspruch, Bürokratie, Klage…
Jede Bürgerin und jeder Bürger erhält von der Stadt Köln kommunale Bescheide, sei es zum Thema Grundsteuer, Hundesteuer und vielem anderen mehr. Gegen alle diese Bescheide konnte man vor dem 1.11.2007 Widerspruch einlegen. Das geht ab dem 1.11.2007 nicht mehr, nach dem Bescheid steht dem Bürger nur noch der Klageweg offen. Allerdings will die Stadt, so Stadtdirektor Kahlen Dialogfähigkeit zeigen.

Um die Problematik zu verdeutlichen ein fiktives Beispiel
Ein Hausbesitzer hat zwei Mülltonnen. Da in seiner Familie die beiden erwachsenen Kinder ausgezogen sind, benötigt er nur noch eine Mülltonne. Er bestellt eine Mülltonne bei der Stadt ab. Einmal im Jahr, Anfang des Jahres verschickt das städtische Kassenamt die sogenannten Grundbesitzabgabenbescheide, auf denen auch die Abgaben für Mülltonnen berechnet werden. Angenommen auf dem Bescheid sind weiter zwei Mülltonnen vermerkt, aber der Hausbesitzer nutzt effektiv nur eine Tonne, die andere wurde von den Abfallwirtschaftsbetrieben bereits abgeholt. Anhand von vier Szenarien haben wir Ihnen mögliche Abläufe skizziert:

Bisher Neu
  Option Dialog gelingt Option Dialog scheitert Klage
Der Hausbesitzer legte gegen den falschen Gebührenbescheid Widerspruch ein Der Hausbesitzer spricht unverbindlich mit dem städtischen Kassen- und Steueramt. Der Hausbesitzer spricht unverbindlich mit dem städtischen Kassen- und Steueramt. Der Hausbesitzer reicht gegen den Bescheid des städtischen Kassen- und
Steueramtes innerhalb von vier Wochen Klage ein.
Das städtische Kassen- und Steueramt prüfte Der Mitarbeiter im städtischen Kassen- und Steueramt verspricht einen neuen Bescheid innerhalb weniger Tage zu senden. Der Mitarbeiter im städtischen Kassen- und Steueramt verspricht einen neuen Bescheid innerhalb weniger Tage zu senden. Er muss eine Vorauszahlung bei Gericht leisten.
Das städtische Kassen- und Steueramt verschickt den geänderten Bescheid

Der geänderte Bescheid kommt an. Der geänderte Bescheid kommt nicht an. Der Hausbesitzer kümmert sich nicht weiter um das Thema Die Richter entscheiden zu Gunsten des Hausbesitzers
  Der Hausbesitzer reicht keine Klage ein, die Lösung erfolgte im Dialog Die vierwöchige Frist zur Einreichung der Klage verstreicht Die Kosten für das Verfahren trägt die Stadt Köln, die Vorauszahlung erhält der Hausbesitzer zurück
Der Hausbesitzer zahlt für eine Mülltonne Der Hausbesitzer zahlt für eine Mülltonne Der Hausbesitzer zahlt für zwei Mülltonnen  Der Hausbesitzer zahlt für eine Tonne

Stadtdirektor Kahlen wirkt nicht sehr glücklich mit der neuen Gesetzeslage und geht davon aus, dass die Stadt Köln auch mehr Mitarbeiter benötigt. Im Pressegespräch nannte er die Zahl 64. Für die Stadt bedeute die neue Gesetzeslage, dass Anhörungsverfahren zu verbessern, im Vorfeld der Bescheide mehr zu recherchieren und Vorbescheide zu entwickeln um genauere endgültige Bescheide an den Bürger zu versenden.

So erhalte man zum Beispiel im Bereich der Grundbesitzabgaben jedes Jahr über 8000 Widersprüche, davon werden über 5.000 Bescheide korrigiert. Sollte es in Zukunft in allen Fällen zur Klageerhebung kommen und die Verfahren an die Verwaltungsgerichte gehen, könnte dies für die Stadt teuer werden. Daher appeliert Kahlen an die Bevölkerung den Dialog mit den städtischen Beamten zu suchen und vor allem im Vorfeld, bei Anhörungen oder Vorbescheiden richtige Angaben zu machen.

Klar muss man allerdings auch formulieren, liegt der Bescheid auf dem heimischen Tisch, oder im Büro, dann gibt es nur einen einzigen rechtssicheren Weg und der geht über die Klage. Alles was man mit dem städtischen Beamten bespricht, sich per E-Mail,Post oder Fax zuschickt, hat keine rechtliche Relevanz und wird einem vor Gericht nicht helfen. Merkt man also, das Gegenüber in der städtischen Verwaltung hat eine andere Sicht der Dinge und ist von seinen eigenen Argumenten überzeugt, dann muss man in Zukunft in der vierwöchigen Frist eine Klage einreichen, oder über seinen Rechtsanwalt einreichen lassen.

Allerdings bittet die städtische Verwaltung mit einem Hinweis unter den Bescheiden um Kontaktaufnahme. Das neue Gesetz diszipliniert im besten Fall Bürgerin/Bürger und städtische Verwaltung, denn Schlendrian kann für beide Seiten teuer werden. Der Bürger muss sich, will er für sich unnötige Kosten, Rennerei und Zeit ersparen, städtische Anhörungsbögen ernster nehmen. Aber auch die städtische Verwaltung ist zukünftig in der Pflicht, mehr Sorgfalt beim Ausstellen der Bescheide an den Tag zu legen, sonst kann es unter Umständen für das Stadtsäckel teuer werden. Die Stadt Köln geht zur Zeit von wesentlich mehr Klageverfahren aus, denn Widerspruch ist ja in Zukunft zwecklos.

INFOBOX
Ab dem 1.11.2007 entfällt grundsätzlich das widerspruchsverfahren. Bereits seit Frühjahr 2007 ist das Widerspruchsverfahren in den Feldern Arbeitsschutzrecht, Gewerbe- und Gaststättenrecht, Baurecht und Geräte- und Produktionssicherheit abgeschafft.

Ausnahmen
> Verfahren bei denen das Bundesrecht und Europäisches Recht eine Durchführung eines Vorerfahrens vorschreibt.
> Verfahren, bei denen es um die Bewertung einer Leistung im Rahmen einer berufsbezogenen Prüfung geht
> Verfahren auf dem Gebiet des Schulrechts
> Verfahren bei Verwaltungsakten des WDR oder der GEZ
> Bei Drittwidersprüchen und im Beamtenrecht gibt es eine Sonderfallregelung
> Die Ordnungswidrigkeiten wird wie bisher beibehalten

Das Gesetz tritt zum 1.11.2007 in Kraft und gilt für sämtliche Verwaltungsakte, die ab diesem Zeitpunkt bekannt gegeben werden. Auf alle Verwaltungsakte, die bis einschließlich 31.10.2007 bekannt gegeben werden, findet das alte Recht Anwendung.

Andi Goral für report-k.de / Kölns Internetzeitung