Zwar müssten erst die Bedingungen für einen fairen Wahlkampf geschaffen werden. Es biete sich jedoch an, dass Ägypten nicht erst im September, sondern schon "innerhalb der nächsten sechs Monate" einen Präsidenten wählt. Aus Sicht von Polenz sollte zudem eine Wiederholung der umstrittenen Parlamentswahlen in Betracht gezogen werden. "Ein Grund für den aktuellen Aufruhr besteht doch darin, dass die Ergebnisse dieser Wahlen keine Legitimität entfalten konnten", erklärte Polenz.

[Aktualisierung um 11:33 Uhr]

Nahostexperte hält Machtübernahme der Moslembrüder in Ägypten für möglich

Der Nahost-Experte der Stiftung Wissenschaft und Politik, Guido Steinberg, hält eine Machtübernahme der Muslim-Bruderschaft in Ägypten für möglich. "Die Gefahr besteht, weil die Muslim-Bruderschaft die einzige Oppositionsgruppe ist, die über landesweite Strukturen verfügt", sagte er der "Mitteldeutschen Zeitung". "Sie spielt im Moment keine Rolle. Aber sie ist da." Gleichwohl sei es "alternativlos", auf die Opposition zu setzen.

"Sonst macht sich der Westen komplett unglaubwürdig." In jedem Fall werde ein neues Regime eine gegenüber Israel kritischere Haltung einnehmen, fügte Steinberg hinzu. Denn dem ägyptischen Staatspräsidenten Husni Mubarak werde unter anderem zur Last gelegt, dass er das israelische Vorgehen im Gaza-Streifen dulde.

Mubarak fürchte seinerseits die Allianz der im Gaza-Streifen herrschenden radikal-islamischen Hamas und der Muslim-Bruderschaft. Der außenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Rolf Mützenich, glaubt hingegen nicht an eine akute islamistische Gefahr.

"Ich sehe nicht, dass Islamisten den Volksaufstand anführen oder provoziert hätten", erklärte er der "Mitteldeutschen Zeitung". "Das ist ein Volksaufstand. Man darf ihn nicht als islamistisch bezeichnen."

[Aktualisierung um 14:34 Uhr]

Islamwissenschaftler sieht keine Gefahr der Radikalisierung in Ägypten

Der Islamwissenschaftler Thomas Bauer sieht trotz der Proteste und Unruhen in Ägypten keine Gefahr der Radikalisierung in dem nordafrikanischen Land. "Es ist hier nie ausgeschlossen, dass es dennoch Eskalation gibt, aber das ägyptische Militär hat ja auch so was wie einen Ehrenkodex.

Die Soldaten selber sind ja noch ärmere Schweine als die meisten Demonstranten und sich vorzustellen, dass die aufeinander schießen, das glaube ich wirklich nicht", sagte Bauer, Direktor des Instituts für Arabistik und Islamwissenschaften an der Universität Münster, am Dienstag in einem Interview mit dem Deutschlandfunk.

"Dieses Szenario des Mubarak-Regimes, eventuell Mubarak ziehen zu lassen und dann Omar Suleiman, den Vizepräsidenten, der ja auch aus dem Militär kommt, zu installieren, das werden die wohl versuchen, schätze ich, aber ich glaube, auch das wird nicht im Sinne der Mehrheit des Militärs sein."

Mubarak sei wahrscheinlich "nicht mehr zu halten", so der Wissenschaftler. "Er ist eigentlich überall unpopulär geworden und nach den Ereignissen der letzten Tage, erst nach der Gewalt der Polizei, dann durch das Herbeiführen einer bewussten Anarchie, kann man sich nicht vorstellen, dass er noch weiter im Amt bleiben kann."

[Aktualisierung um 15:31 Uhr]

SPD-Europa-Fraktionschef klagt über die politische Gefühlskälte in Ägypten-Krise

Der Chef der Europa-Fraktion der SPD, Martin Schulz, ist irritiert über das unterkühlte Management in der Ägypten-Krise. "Ich wundere mich, dass die politische Klasse in Europa nicht in der Lage ist, sich über die Freiheitsbewegung in Ägypten einfach zu freuen", sagte der SPD-Politiker den Zeitungen der WAZ-Mediengruppe (Mittwochausgabe).

"Überall hört man von großer Sorge, nirgendwo von großer Freude", fügte er hinzu. Der Westen drohe den gleichen Fehler wie beim Zusammenbruch des Ostblocks zu machen, so Schulz. "Weil wir immer nur in geostrategischen Kategorien denken, werden wir zu außenpolitischen Technokraten. Ein bisschen mehr Emphase täte uns allen gut", klagte er.

[dts]