Paris, Berlin | aktualisiert | Auch einen Tag nach dem Anschlag auf die Redaktion der französischen Satirezeitung „Charlie Hebdo“ ist das Entsetzen und die Trauer groß. In Frankreich jagt man die Attentäter. In Deutschland zieht die Debatte größere Kreise, auch nach Konsequenzen nach dem Anschlag. Bundesinnenminister de. Maiziere ordnete Trauerbeflagung an. Der Artikel wird laufend um die aktuellen News ergänzt.

[infobox]ARD-Brennpunkt: „Nach dem Anschlag – Jagd auf die Täter“

Nach dem Blutbad in Paris sind die Täter noch nicht gefasst, tausende Polizisten jagen die beiden Hauptverdächtigen. Aber es ist auch der Tag der Trauer und der Fragen, wie es zu solch einem verheereden Anschlag kommen konnte. Auch in Deutschland fragt man sich, wie groß die Gefahr eines Anschlages ist. Ein Brennpunkt liefert aktuelle Reportagen, sowie eine Gespräch mit Bundesinnenminister Thomas De Maizière.

ARD-Brennpunkt | 08. Januar 2015, 20.15- 20.30 Uhr | Das Erste

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„Charlie Hebdo“-Anschlag: Verdächtige verschanzen sich in Wohnung

Die beiden Männer, die den Terror-Anschlag auf die Satire-Zeitschrift „Charlie Hebdo“ verübt haben sollen, haben sich angeblich in einer Wohnung in der nordfranzösischen Gemeinde Crépy-en-Valois verschanzt. Das berichtet der Sender France 3 Picardie unter Berufung auf lokale Behörden. Demnach seien Einsatzkräfte am Ort des Geschehens.

Eine offizielle Bestätigung für den Bericht gab es zunächst nicht. Bei dem Anschlag auf die Satire-Zeitschrift waren am Mittwochmittag mindestens zwölf Menschen getötet und mehrere weitere schwer verletzt worden.

„Charlie Hebdo“-Anschlag: Verdächtige in Nordfrankreich gesichtet

Die beiden Männer, die den tödlichen Terror-Anschlag auf die Satire-Zeitschrift „Charlie Hebdo“ verübt haben sollen, sind angeblich in Nordfrankreich gesichtet worden. Sie seien bewaffnet und mit einem grauen Kleinwagen unterwegs, berichten örtliche Medien unter Berufung auf Ermittler-Kreise. Demnach habe der Besitzer einer Tankstelle die beiden Männer erkannt.

Die beiden mutmaßlichen Attentäter sollen die Tankstelle überfallen und Benzin sowie Nahrungsmittel mitgenommen haben. Die Verdächtigen seien vermummt und sollen mit einer Kalaschnikow und einem Raketenwerfer bewaffnet sein, hieß es in den Berichten weiter. Bei der Attacke auf die Satire-Zeitschrift waren am Mittwochmittag mindestens zwölf Menschen getötet und vier weitere schwer verletzt worden.

Nach Schießerei in Paris: Polizistin erliegt ihren Verletzungen

Eine Polizistin, die bei einem Schusswechsel am südlichen Rand der französischen Hauptstadt Paris verletzt wurde, ist gestorben. Das berichten mehrere französische Medien und Berufung auf Angaben aus Polizeikreisen. Der Schütze, der mit einem Schnellfeuergewehr bewaffnet gewesen und eine kugelsichere Weste getragen haben soll, befindet sich demnach weiter auf der Flucht.

„Die Staatsanwaltschaft arbeitet eng mit uns zusammen und setzt einen Aktionsplan in Kraft, um den Täter möglichst schnell zu identifizieren und zu stoppen“, sagte Frankreichs Innenminister Bernard Cazeneuve. Nach Angaben der Polizei gibt es bislang angeblich keine Hinweise darauf, dass die Schießerei am Donnerstagmorgen mit der Terror-Attacke auf die Satire-Zeitschrift „Charlie Hebdo“ im Zusammenhang steht.

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„Charlie Hebdo“ und die Reaktionen in Deutschland

Nach „Charlie Hebdo“-Anschlag: De Maizière ordnet Trauerbeflaggung an

Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) hat als Reaktion auf den tödlichen Terror-Anschlag auf die französische Satire-Zeitschrift „Charlie Hebdo“ eine bundesweite Trauerbeflaggung der obersten Bundesbehörden und ihrer Geschäftsbereiche sowie der Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts, die der Aufsicht von Bundesbehörden unterstehen, angeordnet. Das teilte das Innenministerium am Donnerstag mit. Die Trauerbeflaggung, die vom 8. bis 10. Januar andauern soll, geschehe demnach „als Zeichen der Anteilnahme und Solidarität mit dem französischen Volk nach dem abscheulichen Anschlag auf die Redaktion der französischen Satire-Zeitschrift `Charlie Hebdo` in Paris“.

De Maizière: Terror-Anschläge haben nichts mit dem Islam zu tun

Unter dem Eindruck des Attentats von Paris hat Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) vor populistischen Brandstiftern in Deutschland gewarnt: „Terroristische Anschläge haben nichts mit dem Islam zu tun“, sagte der CDU-Politiker gegenüber der „Süddeutschen Zeitung“ (Donnerstagausgabe). Anschläge wie der von Paris richteten sich gegen die gesamte Gesellschaft und ihre Werteordnung. Gerade die Menschen, die aus den Bürgerkriegsregionen Syriens und des Irak nach Deutschland kämen, seien dem Terror entflohen und dürften nun nicht ihrerseits in Verdacht geraten, nur weil sie Muslime seien.

Mit Blick auf die Pegida-Demonstrationen sagte er: „Wir lassen uns nicht von Pegida unsere politische Agenda aufzwingen.“ Pegida sei nicht der Nabel der Welt, er könne nur davor warnen, wie „das Kaninchen auf die Schlange zu starren, ob die Zahlen der Demonstranten ein bisschen steigen oder fallen“. Zugleich verteidigte der Minister trotz der dramatischen Flüchtlingsbilder auf dem Mittelmeer das Ende der italienischen Seenotaktion mare nostrum.

Diese sei zwar gut gemeint gewesen und aus humanitären Gründen entworfen worden. Trotzdem sei mare nostrum „objektiv auch Beihilfe zum Schlepperwesen“ gewesen. Die Schlepper hätten die Flüchtlinge in furchtbare Boote gepackt und los geschickt, um wenig später die italienische Marine anzurufen, sie möge sie retten.

Das habe den Schleppern geholfen, ihre Milliardengewinne zu erzielen. Nun bemühe sich die EU zum ersten Mal, mit einem umfassenden Ansatz auch die Herkunfts- und Transitländer in eine Lösung mit einzubeziehen. Dabei verwies er auf Überlegungen, in nordafrikanischen Mittelmeer-Anrainerstaaten sogenannte Willkommenszentren zu schaffen.
Sie könnten von der EU finanziert und von dem UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR geführt werden. Ziel sei es, dort den Bürgerkriegsflüchtlingen schnell zu helfen, auch bei der Überfahrt nach Europa, und anderen, die als Armutsflüchtlinge nach Europa wollten, zügig ihre geringen Chancen bewusst zu machen. Ein umfassendes Zuwanderungsgesetz wird es laut de Maizière mit ihm nicht geben. Der Bedarf daran habe sich „positiv erledigt“, da es inzwischen genügend Möglichkeiten für gut ausgebildete Fachkräfte und Akademiker gebe, mit festen Arbeitsplätzen nach Deutschland zu kommen. „Ich würde die Einführung eines Punkte-Systems nach kanadischem Vorbild deshalb als Rückschritt empfinden“, betonte der CDU-Politiker. Der Minister bestätigte zudem Pläne, die Asylverfahren für bestimmte Bewerbergruppen weiter zu beschleunigen. Das gelte sowohl für Bewerber, die wie Bürgerkriegsflüchtlinge aus Syrien schnell anerkannt würden – als auch für Asylsuchende aus sogenannten sicheren Herkunftsstaaten, die kaum Chancen auf eine Anerkennung hätten. Die Vorschläge der CSU dazu seien aus seiner Sicht „absolut nichts Neues“, so de Maizière. „Der Wind, der da gemacht wird, von wem auch immer, ist in Wahrheit gar keiner.“

Lucke: Terror-Anschlag in Paris nicht dem Islam anlasten

Der Sprecher der Alternative für Deutschland (AfD), Bernd Lucke, hat nach dem Terror-Anschlag auf die französische Satire-Zeitschrift „Charlie Hebdo“ in Paris davor gewarnt, diesen dem Islam anzulasten. „Der Anschlag gegen die Redaktion von `Charlie Hebdo` ist ein abscheuliches Verbrechen und durch nichts zu rechtfertigen“, sagte Lucke am Donnerstag. „Gegen gewaltbereiten islamistischen Fundamentalismus muss mit allen Mitteln des Rechtsstaates vorgegangen werden.“

Allerdings müsse Lucke zufolge auch „mit Besonnenheit reagiert“ werden: „Man darf nicht die Gewalttat zweier Extremisten einer ganzen Religionsgemeinschaft anlasten, deren Großteil aus friedliebenden, unbescholtenen Menschen besteht.“

Grosse-Brömer warnt nach Pariser Terror-Anschlag vor Pauschalurteilen

Der Geschäftsführer der Unionsfraktion im Bundestag, Michael Grosse-Brömer (CDU), hat nach dem Blutbad von Islamisten in Paris vor Pauschalurteilen gewarnt. „Wir dürfen in Deutschland jetzt nicht den Fehler machen, den Islam mit Terrorismus gleichzusetzen“, sagte der CDU-Politiker im Gespräch mit der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ (Freitagausgabe). Es wäre fatal, wenn ein Keil zwischen die unterschiedlichen Religionen getrieben würde.

„Das wäre der größte Erfolg für die Terroristen von Paris“, betonte Grosse-Brömer. Die Presse- und Meinungsfreiheit würdigte er als Eckpfeiler der Demokratie in Europa. „Diese Werte müssen wir verteidigen gegen jene, die die Medien unseres Landes pauschal als Lügenpresse beschimpfen und erst recht gegen Terroristen, die Journalisten ermorden“, erklärte der Bundestags-Abgeordnete.

Pariser Terror-Attacke: Özdemir warnt Pegida und AfD vor Instrumentalisierung

Grünen-Chef Cem Özdemir hat die Bewegung der „Patriotischen Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes“ (Pegida) und die Alternative für Deutschland (AfD) vor einer Instrumentalisierung der Pariser Terrorattacke gewarnt. Özdemir sagte der „Saarbrücker Zeitung“ (Freitagausgabe): „Pegida spricht selber von Lügenpresse und wendet sich damit gegen Toleranz, gegen Weltoffenheit, gegen europäische Werte. Ich finde es abenteuerlich, dass Pegida im Schlepptau mit der AfD jetzt behauptet, genau diese Werte verteidigen zu wollen.“

Die Attentäter wollten nur, dass mit Ausgrenzung oder gar Gewalt reagiert werde, „damit sie leichter Nachwuchs rekrutieren können. Wir dürfen als Gesellschaft nicht darauf hereinfallen“, mahnte Özdemir. Zugleich betonte der Grünen-Vorsitzende, die Aggression potentieller Attentäter dürfe nicht unterschätzt werden.

„Sie kommen nicht mit selbst gebastelten Pistolen, sondern mit schwerem Gerät.“ Deswegen müsse jetzt überprüft werden, „ob die Sicherheitsvorkehrungen in Deutschland dem Rechnung tragen; ohne in Panik zu verfallen“.

Polizeigewerkschaft: Pegida-Demos könnten Terrorziel werden

Nach Einschätzung des Vorsitzenden der Deutschen Polizeigewerkschaft, Rainer Wendt, könnten nach dem Anschlag auf die islamkritische Satire-Zeitschrift „Charlie Hebdo“ auch Demonstrationen der „Patriotischen Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes“ (Pegida) ins Visier von Terroristen geraten. „Niemand kann mit Sicherheit sagen, wann es zu einem solchen oder ähnlichen Anschlag auch bei uns kommt, aber es braucht nicht viel Phantasie, um die vielen islamkritischen Veranstaltungen, Parolen und Demonstrationen ebenfalls als mögliche Terrorziele zu definieren“, sagte Wendt dem „Handelsblatt“ (Online-Ausgabe). Einen Schutz solcher Veranstaltungen, der eine Gefährdung der Menschen ausschließt, hält Wendt aber kaum für möglich.

Damit wäre die Polizei „hoffnungslos überfordert“, sagte er. Daher wäre es aus seiner Sicht „höchste Zeit, dass sich die Sicherheitspolitik in Deutschland darauf besinnt, dass mit Positionspapieren und Presseerklärungen keine Terrorismusbekämpfung erfolgreich gestaltet werden kann und auch Mahnungen der Kanzlerin oder ihrer Vorgänger nicht ausreichen“. Seit Jahren fehle eine Sicherheitsstrategie für Deutschland und Europa, die Auskunft darüber gebe, mit welchen Mitteln man welche sicherheitspolitischen Ziele anstrebe und wann ein Ende der Sparpolitik bei den Sicherheitsbehörden eingeleitet werde, klagte der Polizeigewerkschafter.

„Deutschland hat bislang großes Glück gehabt und hofft offensichtlich, sich auch künftig darauf verlassen zu können“, sagte Wendt. Deshalb sei er wenig zuversichtlich, ob die Reaktion der deutschen Politik über die üblichen Betroffenheitserklärungen hinausgehen. Dessen ungeachtet hält Wendt auf europäischer Ebene eine abgestimmte Strategie der Sicherheitspolitik für notwendig, die den Umgang mit dem Islam und seinen extremistischen Erscheinungsformen einbeziehe und den Menschen Antworten auf ihre Ängste gebe.

„Jeden, der sich vor grausamen Terroristen fürchtet, die scheinbar ungehindert auf europäischen Boden agieren können, als fremdenfeindlich oder gar rechtsextremistisch zu beschimpfen, reicht nicht“, sagte der Polizeigewerkschafter. Die Politik habe eine Bringschuld, den Menschen zu erklären, was konkret gegen drohenden Terror unternommen werde. „Man kann nur hoffen, dass nicht eines Tages aus der `Schwarzen Null` des Finanzministers ein `Schwarzer Tag für Deutschland` wird“, warnte Wendt.

Der Tag des Anschlages:
Lesen Sie hier bei report-deutschland die Nachrichten vom Tag des Anschlages >

Lesen Sie hier Reaktionen in Köln vom Tag des Anschlages >

Autor: dts
Foto: Auf der Website www.charliehebdo.fr findet sich in vielen Sprachen der Satz „Ich bin Charlie“