Köln |aktualisiert | Die Silvesternacht von Köln hat etwas verändert. Wer an den jecken Tagen ab Weiberfastnacht in der Kölner Altstadt, der Südstadt und dem Kwartier Lateng feiern geht, muss damit rechnen ständig von der Polizei videografiert zu werden. Dies kündigte heute die Kölner Polizei an. Stadt, Polizei und Sicherheitsdienste stellen ihre Sicherheitskonzepte für den Straßenkarneval in Köln vor.

Die Polizei will neben der klassischen Besetzung ihrer Polizeidienststellen in den Stadtteilen rund 2.000 weitere Beamte und zusätzlich 350 Polizeischüler an Weiberfastnacht in die jecken Brennpunkte Kölner Altstadt, Südstadt und Kwartier Lateng bringen. Man werde in 12 Stunden Schichten arbeiten. Dies seien doppelt so viele Beamte, wie an Weiberfastnacht 2015. Zudem will die Stadt Köln dunkle Ecken ausleuchten und die Bundespolizei für mehr Licht rund um den Hauptbahnhof sorgen.

Jecke werden überwacht – Wildpinkler müssen Personalien nennen

Die Polizei Köln kündigt an: „Die Polizei wird von erhöhten Positionen und aus Spezialfahrzeugen mit Schwerpunkten in der gesamten Altstadt mit Bahnhof und Dom, dem Studentenviertel rund um Zülpicher Straße/Zülpicher Platz und in der Südstadt zwischen der Severinstorburg und der Radio Köln Bühne Videotechnik einsetzen“. Klar formuliert heißt dies, dass Jecke in diesen Bereichen jederzeit damit rechnen müssen von der Polizei gefilmt zu werden. Wie lange die Polizei das Material aufheben wird, wurde vom neuen Polizeipräsidenten heute nicht gesagt. Das Polizeigesetz NRW sagt zu diesem Thema im Paragraf 12a: „Die Polizei darf Bild- und Tonaufnahmen von Teilnehmern bei oder im Zusammenhang mit öffentlichen Versammlungen nur anfertigen, wenn tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass von ihnen erhebliche Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgehen. Die Maßnahmen dürfen auch durchgeführt werden, wenn Dritte unvermeidbar betroffen werden. Die Unterlagen sind nach Beendigung der öffentlichen Versammlung oder zeitlich und sachlich damit unmittelbar im Zusammenhang stehender Ereignisse unverzüglich zu vernichten, soweit sie nicht benötigt werden.“ Gibt es tatsächliche Annahmen? Eine Frage, die die Polizei Köln und der neue Polizeipräsident heute nicht so eindeutig beantwortete. Zwar sprach er von einer europaweit angespannten Sicherheitslage, präziser von einer abstrakt hohen terroristischen Gefährdung und den Vorfällen von Silvester. Einen konkreten Hinweis brachte Mathies nicht, sprach davon, dass man im ständigen Kontakt mit dem LKA und BKA und darüber auch den Nachrichtendiensten in Verbindung stehe. Bei der Datenschutzbeauftragten des Landes NRW sagt deren Sprecher Schröder, dass der Paragraf 12a des Polizeigesetzes NRW eng auszulegen sei. Allerdings kenne man dort nicht die taktischen Überlegungen der Kölner Polizei und könne daher keine allgemeine Einschätzung zu den geplanten Videoaufnahmen abgeben.

Einen interessanten Hinweis gibt in diesem Zusammenhang auch ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 18. und 19. Oktober 1983 zur Volkszählung. (Aktenzeichen 1 BvR 209, 269, 362, 420, 440, 484/83) Das sagt aus: „Wer unsicher ist, ob abweichende Verhaltensweisen jederzeit notiert und als Information dauerhaft gespeichert, verwendet oder weitergegeben werden, wird versuchen, nicht durch solche Verhaltensweisen aufzufallen. Wer damit rechnet, daß etwa die Teilnahme an einer Versammlung oder einer Bürgerinitiative behördlich registriert wird und daß ihm dadurch Risiken entstehen können, wird möglicherweise auf eine Ausübung seiner entsprechenden Grundrechte (Art. 8, 9 GG) verzichten. Dies würde nicht nur die individuellen Entfaltungschancen des Einzelnen beeinträchtigen, sondern auch das Gemeinwohl, weil Selbstbestimmung eine elementare Funktionsbedingung eines auf Handlungsfähigkeit und Mitwirkungsfähigkeit seiner Bürger begründeten freiheitlichen demokratischen Gemeinwesens ist.“ Soweit bekannt wurde dieses Urteil bislang nicht revidiert und wird von Gegnern der Videoüberwachung gerne ins Feld geführt. Übrigens auch in der Debatte um Google Street View.

Straftätern und potenziellen Gewalttätern droht die Polizei mit konsequentem Einschreiten, sogar die Plätze für Ingewahrsamnahmen wurden erhöht. Man habe 400 Plätze zusätzlich im Polizeipräsidium geschaffen. Für bestimmte Gruppen hat man ein Bereichsbetretungs- und Aufenthaltsverbot für die jecken Zonen ausgesprochen, dazu gehören Straftäter, Menschen aus dem Rocker und Hooliganmilieu, sowie Taschendiebe aus Nordafrika. Betroffen sind 38 Personen. Oberbürgermeisterin Henriette Reker legte für die Kölner Polizei ihre Hand ins Feuer: „Ich vertraue der Kölner Polizei, dass sie ihre Aufgaben erstklassig wahrnehmen wird.“ An Weiberfastnacht, Karnevalssonntag und am Rosenmontag wird die Kölner Polizei ihren Führungsstab einsetzen, der vom leitenden Polizeidirektor Temme geleitet wird.

Ordnungsamt der Stadt wird Personalien von Wildpinklern aufnehmen

Stadtdirektor Guido Kahlen kündigte an, dass die Stadt in Zukunft nicht mehr den Obulus für das Wildpinkeln vor Ort erheben, sondern die Personalien der Übeltäterinnen und Übeltäter aufnehmen und dann einen Bußgeldbescheid verschicken will. Damit will Kahlen die Abwicklung bei den Wildpinklern beschleunigen und damit mehr Personal frei bekommen. Die Sache hat allerdings einen Haken. Das Ordnungsamt ist nicht befugt Personalien festzustellen. Weigert sich, der oder die auf frischer Erleichterung Ertappte, die Personalien freiwillig zu übermitteln, muss die Polizei hinzugezogen werden, denn nur die darf Personalien nach dem Strafgesetzbuch feststellen. Zudem will man die Bußgelder für Wildpinkeln erhöhen. Das soll dann 60 Euro kosten. Das Ordungsamt wird seine Kräfte ebenfalls aufstocken und mit mehr als 300 zusätzlichen Kräften im Einsatz sein. Dazu hat man auch einen privaten Sicherheitsdienst beauftragt.

Das Festkomitee Kölner Karneval mit seinem Vizepräsidenten und Rosenmontagszugleiter Christoph Kuckelkorn zeigte auf, dass man alle zweihundert Meter einen Posten am Zugweg stehen habe, mit dem man über Funk und Mobiltelefon verbunden und somit jederzeit über die Sicherheitslage informiert sei. Auch die Fahrzeuge im Zug seien über GPS erreichbar und ihre Position jederzeit einsehbar. Die Kölner Feuerwehr wird ihr Personal, inklusive der Hilfsdienste auf 865 erhöhen. Zudem kann der Krisenstab der Stadt Köln jederzeit einberufen werden.

Die Kölner Verkehrsbetriebe (KVB) und die Abfallwirtschaftsbetriebe (AWB) sowie alle Kölner Hilfsorganisationen stehen insgesamt mit über 2000 Mitarbeitern als Ansprechpartner für Besucher zur Verfügung. Das neue Angebot des „Frauen Security Point Köln“ am Roncalliplatz steht mit erfahrenen Beraterinnen zur Hilfe mit Informationen und Beratungen bei Belästigungen, Bedrohungen und Übergriffen an Weiberfastnacht und Rosenmontag.

Die Deutsche Bahn AG, die Kölnerverkehrsbetriebe, die Polizeibehörden und die Feuerwehr stehen in Verbindung mit einem speziell eingerichteten Koordinierungsgremium, um so ergänzende Sicherheitsmaßnahmen zu steuern. Für einen reibungslosen Ablauf des Rosenmontagszuges und die Vermeidung von Staus kümmert sich die Verkehrsleitzentrale des Amts für Straßen- und Verkehrstechnik.

Sicherheitskonzept wird in großer Runde vorgestellt

11:26 Uhr > Am Donnerstag ist Weiberfastnacht in Köln. Tausende kostümierte Jecken, schon zu normalen Zeiten ein Ausnahmezustand. Nach den Vorfällen an Silvester ist die Sorge groß, dass sich Ähnliches im Gedränge wiederholen kann. Die Stadt, die Polizei, aber auch das Festkomitee und die Kölner Hilfsorganisationen stellen heute im Stiftersaal des Wallraf-Richartz-Museum ihr Konzept vor.

Mit dabei sind Polizeipräsident Jürgen Mathies, der leitende Polizeidirektor Michael Temme, der Präsident der zuständigen Bundespolizei Direktion St. Augustin, Wolfgang Wurm (hat abgesagt), Oberbürgermeisterin Henriette Reker und Stadtdirektor Guido Kahlen, der Vizepräsident des Festkomitee Kölner Karneval und Zugleiter Christoph Kuckelkorn, der Leiter der Feuerwehr Johannes Feyrer und weitere Organisationen.

Die Polizei Köln teilte präzisierte Ihre Angaben zum Einsatz von Videogeräten an Karneval: „Die Datenerhebung basiert auf § 15a PolG NRW (Datenerhebung durch den offenen Einsatz optisch-technischer Mittel). Hierfür wird die Polizei mehrere, mit Videoaufzeichnungstechnik ausgerüstete Fahrzeuge einsetzen. Aufgezeichnet wird grundsätzlich nur in den Zeiträumen, in denen sich größere Menschenmengen in den o. a. Bereichen aufhalten. Gemäß § 15 Abs. 2 PolG NRW dürfen die gewonnenen Daten höchstens für die Dauer von 14 Tagen gespeichert werden, es sei denn, sie werden zur Verfolgung von Straftaten benötigt oder Tatsachen rechtfertigen die Annahme, dass eine Person künftig Straftaten begehen wird, und die Aufbewahrung ist zur vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten erforderlich.“

Autor: Andi Goral
Foto: Jecke werden an den karnevalistischen Hotspots dauerhaft von der Polizei videografiert – das ist schon heute so rund um den Dom