Köln | Die Schere zwischen Arm und Reich klafft in Deutschland immer weiter auseinander. Grund genug für Armin Petras, im Kölner Schauspiel Gerhart Hauptmanns „Weber“ zu inszenieren: Ein Drei-Stunden-Stück über den realen Aufstand verarmter und verhungernder Heimarbeiter gegen ihren Ausbeuter. Sorgte die Uraufführung vor über 100 Jahren für Aufregung, hinterlässt die Kölner Fassung zwiespältige Gefühle.

Vorweg: Optisch und akustisch ist die Inszenierung mitreißend, wozu auch das 19-köpfige Ensemble gehörig beiträgt. „Hauptdarsteller“ ist ein quer über die – ansonsten meist leere – Bühne gespanntes dichtes Gitter aus weißen Seilen, die an die Kettfäden eines Webstuhls erinnern (Bühnenbild: Olaf Altmann): Es teilt sie in einen schmalen Raum davor für die gesellschaftliche Oberschicht und viel Platz dahinter für die Ausgebeuteten.

Wer die Klassenschranken überschreiten will, kann sich bös verheddern

Man kann es durchdringen, doch wer so die Klassenschranken – egal in welcher Richtung – überschreitet, kann sich allzu leicht darin verfangen. Und wenn Philipp Pleßmann als Heimkehrer und späterem Aufstand-Anführer Moritz Jäger akrobatisch, waghalsig und slapstickhaft darin herumturnt, dann gibt es sogar Szenenbeifall. Gegen Ende kippt das Gitter langsam in die Waagrechte, wird zum Leichentuch für die Aufständischen.

Und auf Lautstärke setzt Petras, nicht umsonst wird das Publikum schon am Eingang davor gewarnt. Immer wieder erfüllt ohrenbetäubender Flugzeuglärm das Depot 1. Selbst Dietrich Fischer-Dieskaus Interpretation der Bach-Kantate „Ich hab genug“ kann man sich nicht entziehen. Erst recht nicht dem stampfenden Ensemblechor, der das „Weberlied“ durch eine lateinamerikanisch angehauchte Kampfansage zwischen Maori-Kriegstanz und isländischem Fußball-Schlachtruf ersetzt.

So nimmt die Geschichte ihren Lauf: Der Arbeitgeber drückt den Lohn, die Arbeiter sind dem Hungertod nah. Der Fabrikant jammert über seine Kosten und feiert sich als Arbeiterfreund. Der Aufstand bricht los, ein Polizist wird verprügelt, die Fabrikantenvilla gestürmt und geplündert. Natürlich macht nicht jeder Arbeiter mit, doch der Aufstand weitet sich aus: Im Siegestaumel setzt man sich goldene Kronen auf. Doch dann rückt Militär an und schießt den Aufstand zusammen.

Trotz „Aktualisierung“ vermag die Inszenierung nicht zu überzeugen

Die Parallelen zu heutigen Verhältnissen liegen auf der Hand. Waren es damals die mechanischen Webstühle, die die Heim-Handwerker arbeitslos machten, sind es jetzt Digitalisierung und Verlagerung der Arbeitsplätze in billige Drittwelt-Länder, die hierzulande den Menschen die Jobs kosten.

Solche Parallelen werden angedeutet, doch die „Aktualisierung“ des Stücks geht Bombast unter. Daran ändern die billigen T-Shirts nichts, die die Darstellerinnen und Darsteller tragen, da weckt das zeitgemäße Wort „ficken“ bestenfalls Lacher (das Möchtegern-Schlesisch ist eher zum Weinen), ebenso wie die Erzählung von Moritz Pleßmann, der in den USA Filmkarriere als Ober-Nazi gemacht haben will. Die Darstellung des Fabrikantenehepaares Dreißiger (Ronald Kukulies, Yvon Jansen) ist eher eine Karikatur aus den 1920er Jahren.

Und wenn auch berühmte Momente der Revolutionsgeschichte nachgestelt werden – etwa Marianne auf den Barrikaden, die nackten Rückseiten der Kommune-1-Mitglieder oder Pussy Riot – aufrütteln tut das alles nicht. Aber unterhaltsam und gut anzugucken ist es schon.

Am Ende gab es viele Premieren-Bravos. Aber der Beifall war überraschend kurz.

[infobox]„Die Weber“ – die nächsten Vorstellungen: 6., 17. und 18. Februar, jeweils 19.30 Uhr. Schauspiel Köln, Depot 1 im Carlswerk, Schanzenstr. 6-20, 51063 Köln-Mülheim, Karten: Tel. 0221 / 22 12 84 00, Fax 0221 / 22 12 82 49, E-Mail: tickets@buehnenkoeln.de, dazu alle Vorverkaufsstellen von KölnTicket. Kartenservice mit Vorverkauf und Abo-Büro in der Opernpassage zwischen Glockengasse und Breite Straße

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Autor: ehu | Foto: Krafft Angerer / Schauspiel
Foto: „Die Weber“: Nikolas Bender riß das Publikum mit seiner akrobatischen Kletternummer im Seilgitter das Publikum zu Szenenbeifall hin.