Berlin | aktualisiert | Der Bundestag hat am Freitag mit deutlicher Mehrheit für die „Ehe für alle“ gestimmt. 393 Abgeordnete votierten für einen 2015 von Rheinland-Pfalz in den Bundesrat eingebrachten Entwurf eines „Gesetzes zur Einführung des Rechts auf Eheschließung für Personen gleichen Geschlechts“, 226 stimmten dagegen, vier Abgeordnete enthielten sich. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte die „Ehe für alle“ zu einer Gewissensfrage erklärt und damit ihren Abgeordneten die Entscheidung freigestellt, sie selbst stimmte gegen die Vorlage. Im Interview mit report-K spricht Jörg Kalitowitsch, Vorstandsmitglied der Kölner Lesben- und Schwulentag (Klust).

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Bundestag beschließt „Ehe für alle“ – Merkel stimmt dagegen

SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann erklärte bei der Debatte im Bundestag, er habe Verständnis für alle, die Bedenken gegen die Öffnung der Ehe hätten. „Das muss man respektieren“, sagte er. Aber: „Wenn die `Ehe für alle` kommt, dann wird vielen etwas gegeben, aber niemandem etwas genommen.“

Die Abstimmung sei vielleicht nicht gut für die Koalition, aber sie sei „gut für die Menschen“. Dietmar Bartsch, Fraktionsvorsitzender der Linken, rief dazu auf, „für die Liebe abzustimmen“ und den Kampf auch nach der Entscheidung über die Öffnung der Ehe fortzuführen. Unionsfraktionschef Volker Kauder erklärte, er selbst würde nie etwas unterschreiben, in dem die „Ehe für alle“ stehe – „aus Gewissensgründen“.

Dennoch müsse „jeder wirklich nach seinem Gewissen entscheiden können“. Es werde nicht darüber entschieden, ob Menschen diskriminiert würden oder nicht. „Das ist längst entschieden“, so Kauder.

Auch verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Öffnung der Ehe sprach er an. Der CDU-Politiker Jan-Marco Luczak erklärte hingegen, als Konservativer sei er „für die Öffnung der Ehe, weil es um verlässliche Werte geht“. Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt betonte: „Es ist genug Ehe für alle da.“ Es heiße, die Ehe sei konservativ, deshalb verstehe sie nicht, warum so viele Konservative gegen die „Ehe für alle“ seien. Der Grünen-Politiker Volker Beck erklärte, die Abstimmung sei „ein Beitrag zur Einigkeit, Recht und Freiheit“. Die fraktionslose Politikerin Erika Steinbach sagte: „Die Ehe für alle ist nicht das Papier wert, auf dem sie steht.“ Merkel warf sie beliebige Politik vor.

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Stimmen zur „Ehe für Alle“

NRW-SPD: Endlich „Ehe für alle“!

Heute hat der Deutsche Bundestag die „Ehe für alle“ beschlossen. Dazu erklären Michael Groschek (Landesvorsitzender der NRWSPD), Frederick Cordes (Landesvorsitzender der NRW Jusos), Daniela Jansen (Landesvorsitzende der AsF NRW) und Fabian Spies, Landesvorsitzender von SPDqueer in NRW: „Mit der heutigen Abstimmung im Deutschen Bundestag wurde Geschichte geschrieben. Die Abschaffung der gesetzlichen Diskriminierung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften ist ein historischer Erfolg für eine fortschrittliche Politik. Und sie bedeutet vor allem eins: Mehr Gerechtigkeit – und zwar gegen die Blockadehaltung der Konservativen. Das muffige Familienbild der Union landet endlich in der Tonne. Die „Ehe für alle“ kommt!

Den Startschuss für diesen Erfolg gab die NRWSPD, die bei ihrem Parteitag vor wenigen Wochen auf Antrag von Jusos, AsF und NRWSPDqueer beschloss, noch in dieser Legislaturperiode über die „Ehe für alle“ abzustimmen. Martin Schulz und die SPD-Bundestagsfraktion haben diesen Ball aufgenommen. Dafür ein großes Dankeschön! Es zeigt, dass Veränderung mit Mut und Entschlossenheit möglich ist.

Dass große Teile der Fraktion von CDU/CSU gegen die Gleichstellung homosexueller Partnerschaften gestimmt haben, zeigt, dass das Prinzip Merkel endgültig am Ende ist. Viele Konservativen waren nicht bereit, noch einen weiteren Grundsatz zugunsten des merkelschen Machterhalts zu opfern.“

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Forsa-Chef: „Ehe für alle“ keine gute Steilvorlage für die AfD

Der Chef des Meinungsforschungsinstitut Forsa, Manfred Güllner, glaubt nicht, dass die Alternative für Deutschland (AfD) von der Kehrtwende der CDU-Chefin und Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) beim Thema „Ehe für alle“ profitieren kann. „Das Thema ist sicher keine Steilvorlage für die AfD. Die ganz große Mehrheit der Bevölkerung ist für die rechtliche Gleichstellung homosexueller Paare“, sagte Güllner dem „Handelsblatt“ (Freitagausgabe). „Deshalb ist es mir ein Rätsel, wie die Partei davon profitieren will.“

Selbst Anhänger von CDU und CSU seien mehrheitlich für die „Ehe für alle“, betonte Güllner. „Die konservativen Kritiker, die eine offene Flanke am rechten Rand der Union sehen, sind nur eine Minderheit“, fügte er hinzu. Das sei aber ohnehin „Quatsch“, so Güllner weiter.

„Es gibt kein Vakuum am rechten Rand.“ Die Wähler wollten vielmehr eine CDU in der Mitte. „Merkels Kurs ist absolut richtig.“

Dessen ungeachtet ist Güllner überzeugt, dass die AfD im Herbst erstmals den Sprung in den Bundestag schaffen wird – allerdings auf niedrigem Niveau. „Dass die AfD noch unter die Fünf-Prozent-Hürde rutscht, halte ich für unwahrscheinlich“, sagte der Forsa-Chef. Er sehe aber keine Themen, mit denen sie noch zulegen könne.

„Es sei denn, Horst Seehofer veranstaltet wieder Amokläufe und versucht rechte Themen zu besetzen“, sagte Güllner mit Blick auf den bayerischen Ministerpräsidenten und CSU-Chef. Das wäre aber „ein schwerer Fehler“, fügte er hinzu. „Die Union sollte sich von AfD klar abgrenzen und ihr nicht hinterherlaufen.“

EU-Kommissar Oettinger will „Ehe für alle“

EU-Kommissar Günther Oettinger (CDU) befürwortet die sogenannte „Ehe für alle“. „Im Grunde genommen ist die gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaft im Gesetz und in der Rechtsprechung schon heute mit ganz wenigen Ausnahmen der Ehe gleichgestellt. Ich bin für eine völlige gesetzliche Gleichstellung homosexueller Paare“, sagte Oettinger der „Welt“ unmittelbar vor der Bundestagsabstimmung zur „Ehe für alle“.

Der Zeitpunkt dafür sei jetzt da, man sollte das Momentum nutzen, betonte Oettinger. Der CDU-Politiker weiter: „Wenn sich zwei Menschen finden, die füreinander einstehen und eine Ehe eingehen, dann ist das die kleinste Form der Solidargemeinschaft, aus der viel Positives für die Gesellschaft entstehen kann. Ob ein Kind, das keine Eltern hat, bei seinen Großeltern oder bei Pflegeeltern aufwächst oder aber liebevoll von zwei verheirateten Männern oder zwei verheirateten Frauen groß gezogen wird – es kommt auf die Liebe zu den Kindern und die Bereitschaft und die Befähigung zur Kindererziehung an.“

Oettinger unterstützt Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), die den Fraktionszwang mit Blick auf die Abstimmung über die Ehe für alle aufgehoben hatte: „Die Frage, ob man für die Gleichstellung homosexueller Paare bei der Ehe ist, ist ganz klar eine Gewissensentscheidung. Es geht nicht um strategische oder machtpolitische Fragen. Darum ist es richtig, die Fraktionsdisziplin aufzuheben.“

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Autor: dts | Foto: Peggy/Stein/Fotolia