Der Geiger Kolja Lessing (l.) und der Schriftsteller Elazar Benyoëtz in der Kölner Karl Rahner Akademie. Foto: Eppinger

Köln | Vor 60 Jahren war der israelische Schriftsteller Elazar Benyoëtz als damals 25-Jähriger das erste Mal in Köln. Damals wurden seine Texte im Amerika-Haus unweit des Neumarkts im Rahmen der „Woche der Brüderlichkeit“ erstmals in Deutschland vorgetragen. Damals lasen andere aus seinen Texten, da der Dichter die deutsche Sprache, die er heute so perfekt beherrscht, erst spät erlernt hat.

„Das Leben ist eine Geschichte. Man muss gut erzählen können, um gelebt zu haben“, lautet ein Zitat von Benyoëtz, der 1937 in der Wiener Neustadt geboren wurde. Schon ein Jahr später musste seine Familie nach Tel Aviv fliehen, da für jüdische Bürger unter der Schreckensherrschaft der Nazis kein Überleben in der alten Heimat mehr möglich war.

Erst spät erlernte der Schriftsteller die deutsche Sprache

„Sein Werk trägt an der Last von Auschwitz. Seine Dichtung erkundet die Möglichkeiten der Sprache und des Glaubens, die Geschichte wie die Zukunft des eigenen Lebens und nicht zuletzt die bindende Trennung von Juden und Deutschen. Der Dichter erzählt das Leben und die Geschichte auf seine ganz eigene Weise, mit Aphorismen, Gedichten, Zitaten und kurzen Prosatexten“, sagt Michael Bongardt, Professor für Anthropologie, Kultur- und Sozialphilosophie an der Uni Siegen, der seit 25 Jahren mit Benyoëtz befreundet ist.

Am Mittwochabend war der Schriftsteller 60 Jahre nach der ersten Lesung seiner Werke in Köln wieder zu Gast in der Domstadt. Das Lesekonzert „Lebenan“ in der Karl Rahner Akademie mit dem Geiger Kolja Lessing, mit dem er seit zehn Jahren gemeinsam auftritt, war der einzige Termin in Deutschland.

Ein Leben in, für und mit der Sprache

Elazar Benyoëtz wächst in Israel in der hebräischen Sprache auf und legt ein Examen als Rabbiner ab. Während seines Aufenthalts in Deutschland zwischen 1964 bis 1968 initiiert er eine Bibliografie der deutschsprachigen Literatur seit dem 17. Jahrhundert. Ein Projekt, das er über Jahrzehnte verfolgt und das schließlich als vielbändiges Werk erscheint.

Als Schriftsteller nutzt er seit langer Zeit die deutsche Sprache, die erst spät erlernt hat und die er meisterhaft beherrscht, wie die von ihm in Köln vorgetragenen eigenen Texte höchst eindrucksvoll zeigen. Er führt in Israel ein Leben zwischen zwei Sprachen und zwischen den Städten Tel Aviv und Jerusalem, wo er seine Dichterwohnung hat. Am Mittwochabend entsteht ein faszinierender Dialog zwischen Musik der Sprache und der Sprache der Musik.

Was hatten sich Adam und Eva zu erzählen?

In seinen literarischen Texten blickt Benyoëtz auf die Anfänge der Menschheit zurück, wenn er sich fragt, was sich Adam und Eva im Paradies zu erzählen hatten. Er setzt sich mit der Beziehung von Sprache, Denken und Handeln auseinander und erkundet ihre Rolle in der dunkelsten Zeit des NS-Terrors. Es geht um die Relation von Sprache und Glauben und um ein Leben mit, für und in der Sprache. „Spielst Du mit Worten nicht, verlassen sie Dich mit ausgestreckter Zunge“, zeigt der Dichter, was ihn im Leben antreibt.